Die einen packen die Koffer aus, andere packen sie ein…


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Lichtblicke

Die Ferienzeit in Deutschland geht zu Ende. Viele nehmen schöne und positive Erfahrungen mit nach Hause. Es hat gutgetan, einige Wochen dem Alltag entfliehen zu können. Sommer, Sonne und Strand, das gibt vielen Menschen neue Kraft.

Nun beginnt aber wieder der Alltag. Die Kinder bereiten sich auf das neue Schuljahr vor. Viele wechseln in eine weiterführende Schule und kommen somit in eine für sie völlig neue Umgebung, die gelegentlich von Angst geprägt ist: Wie wird das sein? Welche Lehrer bekomme ich? Schaffe ich die Anforderungen, die mir künftig gestellt werden? Und auch für die Erwachsenen kehrt der oft wieder stressige Berufsalltag ein. Auch hier immer wieder die Frage: Werde ich all das, was auf mich zukommt, bewältigen? Wie bringe ich Familie und Beruf unter einen Hut?

Dann gibt es die anderen, die den Koffer einpacken, weil sie alleinstehend sind oder die Kinder erwachsen oder im Ruhestand sind. Sie gehen, wenn andere zurückkommen.

Ich gehöre auch zu diesen Menschen. Seit einem Jahr im Ruhestand habe ich jetzt die Koffer gepackt, um bis Mai 2016 die Vertretung als Pfarrer der deutschsprachigen Katholischen Gemeinde auf Teneriffa zu übernehmen. Ehrlich gesagt, das ist Arbeit, nicht Sonne und Palmen. Aber ich freue mich als Seelsorger im Ruhestand darauf, vielen Menschen zu begegnen, mit ihnen auf Teneriffa zu leben und den Weg des Glaubens zu gehen. 

31 Jahre war ich Pfarrer von zwei großen Stadtpfarreien in Freiburg. Da gab es viele Anforderungen und auch viel Verwaltung, die mich manchmal zweifeln ließen, ob ich noch richtig Seelsorger – denn dafür bin ich ja angetreten – sein kann. Ich musste mich auskennen im Arbeitsrecht, Finanzen, Sicherheitsvorschriften, Kindergärten, Vermietungen von Wohnungen, Denkmalschutz, Architektur und in vielem anderen. Dazu kamen Taufen, Hochzeiten, die Vorbereitung der Kinder zur Erstkommunion, Beerdigungen, Gestaltung von Gottesdiensten, Kranken- Kinder- und Seniorenpastoral, seelsorgliche Begleitung. Das gehörte ja zu meinem von mir gewählten Berufsprofil. Da hauptamtlich noch Seelsorger zu sein, war oft schwer.

Im Ruhestand hat sich das alles zum Positiven geändert. Ich darf nun ganz Seelsorger sein. Und ich bin es mit Freude. Und ich merke, dass – bildlich gesprochen – mein Koffer übervoll war mit Aufgaben, die eigentlich nicht zu meiner Berufung gehörten.

Bei unserem Glauben ist das auch oft so. Wir meinen oft, Glaube sei ein „Hochleistungssport“. Wir haben oft den Koffer unseres Glaubens voll gepackt mit vielen Dingen, die eigentlich gar nicht nötig sind. Glauben empfinden wir oft als zu kompliziert. Der heilige Johannes Don Bosco, der im 19. Jahrhundert Seelsorger in Turin war, hat den Glauben einmal so beschrieben: „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen“.

Lassen wir also alles Überflüssige im Koffer unseres Glaubens weg und gehen wir einfach den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Nicht mehr und nicht weniger. Und ich garantiere, der Koffer wird dann nicht zu schwer….. und wir müssen kein Übergewicht nachbezahlen.

Herzlichst

Ihr

Hansjörg Rasch

Pfr.i.R.

Kath. Touristen- und Residentenseelsorger in Vertretung

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