Die Geschichte einer traurigen Fahrt in die Berge


© Pro Animal de Tenerife

Massaker in Arguayo – 7 Hunde willkürlich vergiftet

Es ist Dienstag, der 22. August 2006, eigentlich ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Die Versorgung meines 7-köpfigen Hunderudels des fast schon im Süden gelegenen Ortes Arguayo auf Teneriffa soll wie so oft das Schlusslicht meiner bereits circa 10-stündigen Fütterungstour bilden, bevor ich mich auf den langen Heimweg nach La Orotava mache.

Ich parke mein Auto rechts an der Straße an einer kleinen Wallfahrtskapelle, die immer hübsch mit Blumen bestückt ist, fülle meine Futterbehältnisse für meine vierbeinigen Freunde auf und mache mich, schwer bepackt, auf den Weg über die Straße, über die Leitplanke, hinunter in den Barranco, in dem meine Hundefamilie nun seit mehr als zwei Jahren glücklich auf einer verlassenen Mandelfinca in Freiheit lebt. Wie hunderte Male zuvor sehe ich sie schon von weitem, nur sind es heute nicht so viele wie sonst … Wo ist der Rudelführer, der blonde Retriever, der sonst immer zuerst an der Futterstelle ist? Wo sind die anderen, die sonst eilig herbeigeeilt kommen? 

Ein Hauch von Verwesungsgeruch liegt in der Luft und während ich noch mutmaße, wo der wohl herkommt, versuchen zwei der Schäferhund-mischlinge zu mir zu kommen. Eine Hündin schafft es gerade noch bis zum Wassernapf, sie versucht zu trinken, wendet den Kopf, schaut mich flehend und ratlos an. Ihre Hinterläufe zittern wie Espenlaub bevor sie wie Streichhölzer einknicken und die Hündin vor meinen Augen zusammenbricht und die Böschung über scharfkantiges Gestein runter stürzt, bis tief in den Barranco.

Ich benötige einige Minuten, um zu realisieren, was hier überhaupt los ist. Gift! Man hat meine Freunde vergiftet! Auch die zweite Hündin zittert am ganzen Körper. Verzweifelt und hilflos stehe ich daneben … was kann ich bloß tun? Tränen schießen mir in die Augen. Der Vergiftungsgrad ist zu hoch, ich vermute, dass hier ein starkes Nervengift eingesetzt wurde – die Hunde befinden sich bereits alle im Todeskampf und werden sterben, einer nach dem anderen. Die nächste Tierklinik liegt weit weg.

Unendliche Trauer durchflutet mich. Ich muss mich abwenden, da es mir das Herz zerreißt, die Tiere so leiden zu sehen. Wie lange müssen sie sich noch quälen, bevor sie endlich Frieden und Ruhe finden?

Später finde ich die Giftköder – eine Tüte Hähnchen-Mägen mit einer farbigen Flüssigkeit versetzt. Ich sammele die Köder ein, damit nicht noch andere Tiere hieran elendig verenden müssen.

Kann es denn sein, dass man solchen unschuldigen Seelen so schmerzhaft das Lebenslicht auslöscht?  Einer glücklichen Familie, die zusammengehört? Es ist nicht zu begreifen, was dort wie ein schlechter Film vor meinen Augen abläuft. So etwas kann ein normal denkender Mensch nicht verstehen.

Fassungslos und niedergeschlagen frage ich mich, wofür man überhaupt noch kämpft und im Tierschutz arbeitet – so sinnlos scheint manches Mal alles zu sein. Die Wallfahrtskapelle vis a vis erscheint wie Hohn in meinen Augen. Die Menschen, die so etwas getan haben, wollen vielleicht sogar gläubig sein? Wer einem Tier so etwas zufügt, der wird irgendwann auch nicht vor einem Menschen Halt machen…

 Wieder ein kaltblütiger, sinnloser Mord an hilflosen Geschöpfen. Das Motiv? Es kann keines geben! Aber die Spezies Mensch findet trotzdem immer wieder eine Ausrede. Denn alle Jahre wieder erlebe ich, dass diese armen Geschöpfe vergiftet werden, bevor ich sie einfangen und kastrieren lassen kann. Es passiert überall auf der Insel, aber verstärkt in den Wäldern und an den Zonas Recreativas. „Pro Animal de Tenerife“ ist Tag und Nacht im Einsatz – an 365 Tagen im Jahr. Aber manches Mal bin ich nicht schnell genug, um die Hunde aus ihrer Misere zu retten, denn die Mörder sind oft schneller.

 Zwei Jahre habe ich dieses Rudel versorgt – zwei Jahre, in denen außer mir niemand bereit war, diesen Tieren zu helfen, obwohl ich mehrfach darum gebeten habe, da der Weg vom Norden nach Arguayo so unendlich weit war. Zwei Jahre habe ich für diese Hunde dort zwei Mal wöchentlich 100 km zusätzlich in Kauf genommen und mit einer Engelsgeduld in der wenigen Zeit eine Freundschaft zu diesen Wildlingen aufgebaut, die es mir ermöglichen sollte, sie einzufangen. Auch sie sollten eines Tages, wenn die Zeit reif dafür gewesen wäre, eingefangen und kastriert werden. Vielleicht hätten sie sogar ein wunderschönes, neues Zuhause gefunden. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, wenn ich daran denke wie meine Freunde sich in Arguayo morgens um 7.00 Uhr in der Sonne wärmten, wenn ich bereits um 6.00 Uhr einen Hund zum Südflughafen gebracht und in ein besseres Leben entlassen hatte und den Rückweg stets für einen Abstecher nach Arguayo genutzt hatte. Glücklich waren sie und gut versorgt. Gestört haben sie niemanden – dachten wir zumindest.

Übrig geblieben sind fünf kleine Hundekinder, die tief unter einer Kiefer nach ihrer  Mutter schrieen, die schon tot war. Sie kämpfen nun in der Tierklinik um ihr Leben. Und Villa, die Glückliche, war eine der ersten, die ich vor Wochen aus diesem Rudel einfangen konnte. Sie hat heute ein tolles Zuhause in Holland und bereichert das Leben ihrer Zweibeiner. Der kleine Pesto und das Hundemädchen Guya hatten ebenfalls das Glück, einige Wochen später eingefangen und adoptiert zu werden.

Am 23. August bin ich dann morgens in aller Frühe noch einmal mit Mitarbeitern der Seprona und der Polizei dort hingefahren. Ich habe die Kadaver mit Kalk tief in die Erde eingegraben, da keine der Behörden sich zuständig fühlte. Es waren ja nur Hunde und die haben auf dieser Insel keinen Stellenwert, obwohl sie genau wie wir eine Seele haben.

Möge es diesen Menschen, die zu so etwas imstande sind, ebenso ergehen, wie diesen Hunden, die nur überleben wollten, genau wie jedes andere Lebewesen auf diesem Planeten.

Elke Roßmann

„Pro Animal de Tenerife“

Mehr über die Arbeit der Tierhilfe „Pro Animal de Tenerife“ erfahren Sie über die Website www.proanimaltenerife.de

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