Die Idee, die Schule machte


Fotos: Deutsche Schule Puerto de la CRuz

50 Jahre Deutsche Schule Puerto de la Cruz

Teneriffa – Ende November 1966 fuhr ein olivgrüner VW-Käfer, Baujahr 53, auf Deutschlands Autobahnen Richtung Süden. Hinweis darauf, dass diesem Auto ein größeres Unternehmen bevorstand, war die Zollnummer anstelle des üblichen Nummernschildes. Rosemarie von Levetzow, eine Lehrerin aus dem Rheinland, war soeben nicht nur in Richtung Barcelona, sondern in einen ganz neuen Lebensabschnitt gestartet. Das Ziel hieß Teneriffa.

Rosemarie von Levetzow mit Schülern in den 70ern
Rosemarie von Levetzow mit Schülern in den 70ern

Teneriffa: eine Gleichung mit mehreren Unbekannten und nur einer Konstanten. Die Unbekannten: die fremden Gegebenheiten, das Risiko einer Privatschule, die Zukunftschancen. Die Konstante: Rosemarie von Levetzow selbst. Mit Stehvermögen, Selbstdisziplin und sehr viel Liebe zu ihrem Beruf hat sie die Schule aufgebaut und zahlreiche Kinder aus dem Orotavatal auf ihrem Weg ins Leben gefördert und begleitet.

Die Idee war natürlich nicht so einfach aus heiterem Himmel gekommen. Hier führte ein eher beiläufiger Anlass zum konkreten Plan. Im Urlaub hatte die Lehrerin zufällig Kontakt zu zwei ansässigen deutschen Familien gefunden, deren Kinder zwar im schulpflichtigen Alter waren, aber: „Die Fahrt bis zur Deutschen Schule nach Santa Cruz ist für die Kleinen doch viel zu weit!“

Santa Cruz, seit den 30erJahren Dreh- und Angelpunkt der insularen Wirtschaft, an dem sich deutsche Geschäftsleute vorzugsweise niedergelassen hatten, besaß als Inselhauptstadt selbstverständlich eine Deutsche Schule. In den Sechzigerjahren verlagerte sich jedoch infolge des ersten Tourismus-Booms das Zentrum der deutschen Einwanderung in Richtung Puerto de la Cruz und Orotavatal. Dass die beiden deutschen Ehepaare mit ihren Kindern und ihrem Schulproblem nicht die Einzigen waren, war offensichtlich.

Von dieser Erkenntnis bis zur gemeinsamen Planung einer Zwerg-Grundschule war es dann nicht mehr weit. Bis zum vierten Schuljahr sollte die Schule führen, und danach sollten die inzwischen zehn- oder elfjährigen Kinder nach Santa Cruz überwechseln.

Rosemarie von Levetzow, die sich spontan bereits ein Jahr zuvor in die Schönheit der Insel verliebt hatte, war begeistert von dem Projekt. So wurde zunächst einmal beim Kultusministerium der Antrag auf Beurlaubung eingereicht und der Spediteur für die Möbel bestellt.

Am 15. Dezember 1966 begann der Schulbetrieb. Noch gab es weder Schulhof, noch Glocke, aber einen kleinen Klassenraum im Erdgeschoss des Schulhauses mit Tafel und ein paar kleinen Bänken aus Beständen der Schule in Santa Cruz. Das Obergeschoss diente als Wohnhaus für die Familie.

Unterricht Anfang der 70er-Jahre.
Unterricht Anfang der 70er-Jahre.

„Aufstellen“, klatschte Frau von Levetzow an diesem Tag in die Hände. Doch da gab es nicht viel zum Aufstellen. Zwei Kinder fassten sich an der Hand, das dritte zuckelte hinterdrein. Wenige Wochen später war die kleine Schülerzahl auf sechs angewachsen. Und nach den ersten Sommerferien besuchten gar schon 16 Kinder die kleine Deutsche Schule.

Jahre sind seitdem vergangen. Wie viele Kinder haben seitdem ihre ersten Schuljahre hier verbracht! Die Durchsicht alter Schulunterlagen und Schülerlisten würde bei jedem langjährigen Residenten viele Erinnerungen wecken, tauchen doch so viele bekannte Namen auf, dass fast gesagt werden kann, hier ist unbeabsichtigt eine kleine Chronik der deutschen Kolonie von Puerto de la Cruz entstanden.

Seit den 80er-Jahren drückten nicht wenige Kinder die Schulbänke, an denen schon zuvor ihre Eltern ABC, Einmaleins und andere wichtige Inhalte für ihr späteres Leben lernten. Inzwischen ist die Schule eine nicht mehr wegzudenkende regionale Konstante, und mittlerweile besucht das erste Enkelkind einer Ehemaligen den schuleigenen Kindergarten.

Seit ihren Anfängen hat die Schule sich fortwährend den geänderten Anforderungen angepasst und bietet damit vielen Familien und besonders den Kindern eine wichtige Perspektive. Unverändert ist die CADS, wie sich die Schule auch nennt, ein Familienbetrieb. Die Leitung übergab die Gründerin nach 26 Jahren an ihre Tochter Benedicta von Levetzow. Familiär ist auch das Schulklima. Kleine Klassen ermöglichen gute und intensive Betreuung, bestimmt ein wesentlicher Grund für den anhaltenden Erfolg der CADS. Das Kürzel steht für Colegio Alemán – Deutsche Schule und weist darauf hin, dass diese Schule allen Kindern offensteht: spanischen, deutschen, spanisch-deutschen und anderen. Die lebendige Begegnung der Kulturen gehörte von Anfang an zu den pädagogischen Leitideen. Wie die Umwelt der Kinder ist auch die Schule zweisprachig. Es gibt Unterricht in beiden Sprachen.

Dank unerwarteter Hilfe konnte man 1988 das anliegende Grundstück kaufen, auf dem sich ein zerfallenes kanarisches Bauernhaus befand. Saniert und instand gesetzt bietet es heute die Räume für die 5. und 6. Klassen. Rund um das Haus entstanden neue Pausenhöfe mit romantischen Spielwinkeln. Mit viel Liebe und Überlegung wurden Blumenbeete und ein Schulgarten angelegt. Ein kleines Bäumchen von einst ist zum großen Kletterbaum herangewachsen.

Der beliebte Kletterbaum.
Der beliebte Kletterbaum.

Es war nicht immer eine Erfolgsgeschichte, auf die die Schulfamilie jetzt zurückblicken kann. In den Anfangsjahren stand mehrfach ihre Existenz auf dem Spiel. Denn sie finanzierte sich immer nur ausschließlich aus den Schulgeldern. Als zweite und kleinere Deutsche Schule in der Provinz Teneriffa konnte sie nie mit staatlichen Mitteln rechnen, die der großen Schwesterschule immer gewährt wurden. Wie teuer gute Bildung ist, wurde hier in Krisenzeiten hautnah gespürt. Trotz allem konnte sie immer wieder für die Kinder des Orotavatals erhalten werden.

Inzwischen besuchen ungefähr 60 Kinder Schule, Vorschule und Kindergarten. Aus den anfangs vier Schuljahrgängen sind längst sechs geworden, bevor die Kinder zur weiterführenden Schule wechseln. Acht Lehrkräfte und die Schulleiterin bereiten sie darauf mit Geduld, Einfühlungsvermögen, Engagement und vielen Ideen vor.

Normalerweise betreuen an Deutschen Schulen zwei, maximal drei Lehrkräfte eine solche Schülerzahl. Daran wird der personelle Vorteil der CADS, dieser von Anfang an auf Kleinheit und Überschaubarkeit angelegten Schule gegenüber anderen Einrichtungen deutlich.

Die praktischen Überlegungen, die seinerzeit zur Gründung der Schule führten, gelten unverändert weiter, zumal nach dem Umzug der alten Deutschen Schule von Santa Cruz ins noch weiter entfernte neue Gebäude in Tabaiba Alta. Nach wie vor ist die CADS für Kindergartenkinder und Grundschüler aus dem Norden Teneriffas die kinder- und familienfreundliche Alternative zum unverhältnismäßig weiten Schulweg nach Tabaiba und ein Lern- und Lebensort, von dem sich viele von ihnen nur ungern trennen, wenn es unwiderruflich auf die weiterführenden Schulen gehen muss.

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