Die Rückführung, die niemand angeordnet hat

Mitte August wurden die ersten minderjährigen Migranten, die am 17. und 18. Mai Ceuta erreicht hatten, nach Marokko zurückgebracht. Foto: efe

Mitte August wurden die ersten minderjährigen Migranten, die am 17. und 18. Mai Ceuta erreicht hatten, nach Marokko zurückgebracht. Foto: efe

Gerichtsbeschluss stoppt die Aktion der Regierung, rund 700 Minderjährige aus Ceuta nach Marokko zurückzubringen

Ceuta – Ein Eilbeschluss des Gerichts der spanischen Exklave Ceuta hat die Rückführung der mehr als 700 minderjährigen Jugendlichen, die am 17. und 18. Mai bei dem „Sturm auf Ceuta“ mit den rund 10.000 Menschen von Marokko aus in die Stadt gestürmt waren, gestoppt. Die zuständige Richterin bezweifelt, dass die Aktion rechtmäßig ist. Das Innenministerium hat eine Frist erhalten, um zu belegen, dass für jeden Betroffenen eine Einzelprüfung stattgefunden hat, wie es das Gesetz vorschreibt.

700 bis 800 Kinder und Jugendliche sitzen nun seit mehr als drei Monaten in der spanischen Exklave fest, fast alle stammen aus Marokko. Damals hatten die marokkanischen Grenzbeamten die Kontrollen eingestellt, weil es „politische Unstimmigkeiten“ mit Spanien gab. Erwachsene Migranten waren gleich nach der Ankunft nach Marokko zurückgebracht worden, doch für Kinder gibt es für ein derartiges Vorgehen keine rechtliche Grundlage. Spanien bemühte sich verstärkt um die Entschärfung der politischen Krise mit dem Nachbarn, und die Einigung über eine Rückführung der minderjährigen Migranten war der Beweis für einen Durchbruch. Doch in Spanien kam es zu einer politischen Krise, die noch immer schwelt, denn niemand will die Rückführung angeordnet haben, und die beteiligten Stellen spielen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.
In Ceuta war man mit der Unterbringung und Versorgung der jungen Menschen absolut überfordert, und viele waren bereits aus den notdürftigen Unterkünften geflohen, um sich allein durchzuschlagen.

Die Abschiebung von täglich 15 Minderjährigen, auf die sich Spanien und Marokko geeinigt hatten, löste heftige Proteste bei ungezählten Organisationen und Institutionen aus, und sogar Mitglieder der linken Madrider Regierung protestierten gegen die Aktion. Innenminister Grande-Marlaska hat zwar versichert, dass Schutzbedürftige nicht abgeschoben würden, aber sowohl Menschenrechtsorganisationen als auch die Richterin in Ceuta stellen sich die Frage, wie man bei einer derartigen Massenabschiebung feststellen will, ob jemand schutzbedürftig ist. Betreuer der Kinder und Jugendlichen sind der Meinung, dass sicherlich mehr als ein Viertel der betroffenen Jugendlichen aus ihrem Heimatland geflohen sind, weil sie dort Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch erfahren haben und es ihr sehnlichster Wunsch war, nach Europa zu gelangen.

Was der erste große Erfolg der Versöhnungspolitik mit ­Marokko werden sollte, ist der Regierung nun als politischer Skandal auf die Füße gefallen. Es hagelte Proteste von der Staatsanwaltschaft, dem Volksverteidiger, der Bischofskonferenz, von Kinderarztverbänden und Kinderschutzorganisationen, um nur einige zu nennen. Mehrere Minister haben Turm der Kirche La Concepcionempört erklärt, sie seien nicht informiert worden, man habe offenbar strenges Stillschweigen über die Aktion verhängt.

Zwischenzeitlich hatte der Regionalpräsident und Bürgermeister von Ceuta, Juan Jesús Vivas (PP) eingeräumt, die Absprache sei zwischen seinem Amt und der Regierung Marokkos erfolgt, offenbar um den ­Innenminister aus der Schusslinie zu nehmen.

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