Die Zahl der Geburten ist rückläufig


Im ersten Halbjahr 2019 kamen so wenig Kinder zur Welt wie nie zuvor

Madrid – Die jüngsten Daten des Nationalen Statistikinstituts (INE) haben ergeben, dass die Zahl der Geburten in Spanien auf historische Minimalwerte gesunken ist. Im Jahr 2018 erblickten in Spanien nur 372.777 Kinder das Licht der Welt – die niedrigste Zahl der letzten zwei Jahrzehnte. Die Tendenz hält weiter an, wie die Zahl des ersten Halbjahres 2019 beweist, in dem mit 170.074 Geburten so wenige wie noch nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen durch das INE im Jahr 1941 registriert wurden.
Die Experten führen den erheblichen Geburtenrückgang darauf zurück, dass die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter abnimmt und gleichzeitig die Frauen immer weniger Kinder bekommen. So lag der Durchschnitt von Kindern pro Frau im Jahr 2018 nur noch bei 1,26.
Albert Esteve, Direktor des Zentrums für Demographische Studien in Barcelona, erklärte, von besonderer Bedeutung sei, dass die Spanne zwischen der Zahl der Wunschkinder – zwei – und der Zahl der dann tatsächlich geborenen Kinder zunehme.
Im Jahr 2018 gingen zum vierten Mal in Folge die Geburten zurück. Ebenfalls zum vierten Mal wurde ein negativer Geburtensaldo verzeichnet. Die Bevölkerungspyramide wird an der Basis zunehmend schmaler, an der Spitze hingegen breiter. Teresa Castro, Demographin des Höheren Rates Wissenschaftlicher Studien (Consejo Superior de Investigaciones Científicas, CSIC), erklärte, dass es sich bei dieser Tendenz nicht um eine Katastrophe handele. Seit den 70er-Jahren sei eine entsprechende Bevölkerungsentwicklung in Deutschland beobachtet worden, wo jedoch die Migrationsströme für einen Ausgleich gesorgt hätten. Laut Esteve liege das Problem weniger im Sterbeüberschuss, sondern vielmehr in der Zunahme der Lebenserwartung, die mittlerweile bei 83,2 Jahren liege.
Für beide Wissenschaftler ist besonders bedenklich, dass viele Paare mehr Kinder haben wollen, aber aus vielfältigen Gründen nicht bekommen. Dabei geht es ihnen weniger um die Sicherung von Rente und Wohlstand, sondern vielmehr um den gesellschaftlichen und sozialen Hintergrund. Dass junge Menschen ihren Kinderwunsch heutzutage oftmals nicht umsetzen können, führen sie auf zwei Faktoren zurück: Einen prekären Arbeitsmarkt, der keine Sicherheit bietet, und den Mangel an politischen Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie ermöglichen. Die Ausweitung des Mutterschaftsurlaubs hebe nicht automatisch die Geburtenzahl an, doch Maßnahmen wie kostenfreie oder günstige Kindertagesstätten würden helfen.
Die Experten waren davon ausgegangen, dass die Zahl der Geburten nach der Wirtschaftskrise wieder steigen würde, doch die Daten beweisen das Gegenteil. In Spanien fehlt es an einer gefestigten Mittelschicht, die die Kosten für ein Kind selber tragen kann, wie beispielsweise in den USA der Fall, und auf der anderen Seite an einer entsprechenden staatlichen Unterstützung, wie es in Skandinavien gegeben ist.
Ein weiterer Grund für den Rückgang der Geburten liegt darin, dass die Mütter immer älter werden. Zuerst wird studiert, später dann gereist, bevor die Familienerweiterung angegangen wird. Mittlerweile liegt das Durchschnittsalter der Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, bei 31 Jahren. Je später das erste Kind kommt, umso später folglich ein zweites. Mit zunehmendem Alter lässt jedoch die Reproduktionsfähigkeit nach.
Die Wissenschaftler sind sich einig, dass insbesondere die Probleme auf dem Arbeitsmarkt und die unsichere Wirtschaftslage für den Geburtenrückgang verantwortlich sind und hier Handlungsbedarf besteht.

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