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Wandern und entdecken

Masca – malerischer Ort mit einer beeindruckenden Schlucht. Mehr nicht? Doch. Die Straße, die mit ihren Serpentinen manch einen Fahrer nicht nur schweißnasse Hände bekommen lässt. Alles? Bei Weitem nicht!

Die Berge und vor allem die steilen Wände sind hier mit einem Netz zahlreicher Linien überzogen. Die Mehrzahl verläuft ungefähr waagerecht oder schräg zum Meer abfallend. Die Abstände zwischen ihnen sind variabel, manchmal liegen sie so dicht beieinander, dass man sie nur in der Nähe wahrnehmen kann. Es gibt aber auch große markante Linien, die die Landschaft zeichnen. Sie alle sind die Ergebnisse vulkanischer Eruptionen, eine Schicht – ein Ausbruch. Hunderte oder Tausende Schichten haben diese Berge aufgebaut, seit vor etwa 8 Millionen Jahren hier ein Vulkan aus den Wogen auftauchte und eine kleine Insel bildete. Die Lava war dünnflüssig, breitete sich großräumig aus, erkaltete und verfestigte sich zu einer dünnen Decke. Beim nächsten Ausbruch entstand darüber die nächste. Wieder und wieder. Wir können beim Weg durch die Schlucht von Masca, aber auch auf einigen Felswänden und entlang der Straße – dort wo bei ihrem Bau der Berg angeschnitten wurde – immer wieder diese dünnen Lagen entdecken. Irgendwo in der Verlängerung der schräg abfallenden Schichten nach oben, weg  vom Meer, dürfen wir uns einen oder mehrere Hauptgipfel mit ihren Kratern vorstellen. Wo genau sie standen und wie hoch sie waren, kann man nicht mehr sagen. Von ihnen ist nichts mehr vorhanden. Sie wurden längst abgetragen. Wahrscheinlich erreichten sie mehr als 2000 m Höhe. Mit der Zeit veränderte sich die emporquellende Lava und wurde zähflüssiger. Entsprechend sind ihre Lavadecken dicker. Manchmal erreichen sie mehrere Meter Mächtigkeit.

Spätestens wenn wir dieses einigermaßen geordnete System der Lavadecken oft genug erkannt haben, fallen die Störungen auf. Überall kreuzen mehr oder weniger senkrechte Linien unterschiedlicher Dicke die Parallelen. Man nennt sie Dique, was im Spanischen Damm oder Deich bedeutet. Auch wenn sie einigermaßen an der Senkrechten orientiert sind, steigen sie nicht parallel zueinander empor, manchmal überkreuzen sie sich sogar. Typischerweise sind sie von mehr oder weniger waagerechten feinen Rissen durchzogen, die von einer Seite zur anderen verlaufen. An einigen Stellen kann man sie auch als freistehende Mauern sehen, die stehen blieben, als das weichere umgebende Material durch Erosion abgetragen wurde. Sie selbst entstanden, als aufsteigende Lava sich einen Weg durch Spalten suchte, Spalten, die entweder vorher durch Erdbeben vorbereitet worden sind oder von der Lava in brüchiges Material gedrückt wurden. Aufsteigende Lava sucht sich immer den leichtesten Weg, kompaktem Fels weicht sie aus. Beim Erkalten in den Spalten schrumpfte sie. Die Abkühlung begann immer an ihren Außenflächen, da wo sie an das schon vorhandene Gestein stieß. Also schrumpfte sie auch von dort aus, und deswegen verlaufen in den Diques die Schrumpfungsrisse immer senkrecht zu ihrer Oberfläche von einer Seite zur anderen. Erreichte die Lava die Erdoberfläche, kam es dort zu einer Spalteneruption. Wie das Ergebnis ausgesehen haben könnte, zeigen uns heute ehemalige Spaltenausbrüche wie der von Punta de Teno oder der Volcán de Fasnia. Die oben ausgetretene Lava floss zu Tal und bildete dabei eine neue Decke, während über der Öffnung ein Kraterhügel emporwuchs.

Betrachten wir den Roque de Masca, können wir leicht den Eindruck bekommen, es gebe hier mehr Diques als Decken, so zahlreich sind sie hier und in der Umgebung. Sie sind fast alle ungefähr in Nord-Süd-Richtung angeordnet und zeigen so die Richtung einer Spalte an, die unter der Insel in der Erdkruste besteht. Durch sie quoll das Magma aus größeren Tiefen empor und wurde zur Lava. 

Ab und zu sehen wir etwas, das aussieht wie ein Dique, aber ungefähr waagerecht verläuft. Die hier fließende Lava erreichte wahrscheinlich nie die Oberfläche, sondern bildete eine seitliche Ausstülpung der aufsteigenden Lava. Solche ins Deckengestein eingedrungenen Gänge nennt man Sill. Entlang der Straße nach Buenavista kann man einen besonders großen Sill entdecken. 

Jedenfalls müssen wir davon ausgehen, dass vor 6,6 bis 5,2 Millionen Jahren im Teno die Lava aus zahlreichen Öffnungen quoll und eine Menge mehr oder weniger großer Vulkankegel aufwarf. Eine Zeit lang waren sie aktiv, dann wurden sie still, während in der Nachbarschaft aus den Lavadecken, die sie schon aufgeschüttet hatten, neue Vulkane mit einem ähnlichen Aktivitätszyklus emporwuchsen. Deren Lava überschüttete nicht nur die älteren Decken, sondern auch nach und nach die Vorgängervulkane. Heute kann niemand sagen, wie viele verschüttete Krater in diesen Bergen versteckt sind. Bei Masca sind aber dank der ständigen Erosion zwei von ihnen wieder zutage getreten. Einer der beiden wurde durch den Barranco von oben nach unten durchgeschnitten. Man sieht sein Schnittbild auf der dem Parkplatz gegenüberliegenden Felswand. Deutlich zeichnet sich die nach unten gekrümmte Linie seiner früheren Oberfläche gegen die waagerechten Schichten ab, die den Vulkan vor Millionen von Jahren nach und nach zugedeckt hatten. Der zweite ist nicht so gut zu erkennen. Oberhalb des Dorfes, in Richtung auf Santiago, ragen Felsmassive aus Basaltsäulen empor. Der zweite Absatz von oben ist auch solch ein begrabener Vulkan. Aus welchem Schlot einst die Lava quoll, die ihn verschüttete, ist nicht mehr erkennbar.

Michael von Levetzow 

Tenerife on Top 

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