Dramatischer Unfall überschattet Wahl der Karnevalskönigin


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25-jährige Kandidatin erlitt schwerste Verbrennungen, als ihr Kleid Feuer fing

Die sonst so fröhliche Gala zur Wahl der Karnvalskönigin in Teneriffas Hauptstadt wurde dieses Jahr von einem tragischen Unfall getrübt, der weit über die Inselgrenzen hinaus tiefe Betroffenheit auslöste.

Am Mittwoch, dem 6. Februar um 21.30 Uhr eröffneten auf der großen Bühne im Messezentrum von Santa Cruz de Tenerife die Moderatoren Pilar Rumeo und Maxim Huerta noch unbekümmert die bunte und schillernde Show, in deren Rahmen die diesjährigen Karnevalskönigin gewählt werden sollte. Während Tänzerinnen und Tänzer über die Bühne wirbelten und das Leitthema des Karnevals – „Bollywood“ – darstellten, standen im Backstage die vierzehn Kandidatinnen in ihren über-dimensionierten Kostümen längst bereit für ihren großen Auftritt.

Für Saida Prieto sollte ein Traum in Erfüllung gehen, denn sie hatte in Vorjahren mehrfach vergeblich an Castings für die Kandidatinnenwahl teilgenommen. 2013 sollte ihr Glücksjahr werden – so vermutete sie in einem Interview –, denn sie war von den  Designern Carolina Hernández und Víctor Díazausgewählt worden, um deren Fantasiekostüm „Isis, Reina de los Dioses“ für die Sponsoren Centro Comercial Bulevar und Diario de Avisos zu tragen. 

Die Nerven lagen bei den jungen Mädchen und Frauen blank, die an diesem Abend für bekannte Sponsoren die in monatelanger Arbeit angefertigten Kleider – hier Fantasías genannt – dem Publikum und vor allem der Jury möglichst perfekt in ihrer vollen Pracht präsentieren sollten. Auf zwei Rampen, jeweils rechts und links hinter der Bühne angeordnet, standen sie auf ihren Positionen.

Unmittelbar vor dem Auftritt der Kandidatin mit der Nummer sieben ereignete sich das Unglück. Während Kandidatin Nummer sechs noch auf der Bühne war, machte sich die 25-jährige Saida Prieto Hernández bereit für ihren großen Auftritt, als sich am Kleid ihrer Mitbewerberin Magnolia Cruz, die hinter ihr auf der Rampe stand, ein Feuerwerkselement außerplanmäßig entzündete. Innerhalb von Sekunden stand das Kleid von Saida Prieto in Flammen, die meterhoch schlugen. Später sollten Augenzeugen berichten, dass es nur sieben Sekunden dauerte, bis Feuerwehrleute das brennende Kleid gelöscht hatten. Für Saida wurde das Fantasiekostüm, an das sie angeschnallt war, zu einer Feuerfalle. Carolina Hernández und Víctor Díaz, Designer ihres Kostüms sowie Willy Jorge, Designer des Kostüms, das den Unfall verursachte, griffen sofort ein, um sie zu befreien. Auch sie erlitten Verbrennungen. Víctor Díaz berichtete Tage später, nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, dass er gerade dabei war, Saida den Kopfschmuck aufzusetzen, weil sie an der Reihe war, als das Kleid in Flammen aufging. Er habe versucht, an den Gürtel zu kommen, der die junge Frau an das brennende Kostüm fesselte, doch das sei ihm nicht gelungen. Dann habe ihm ein Tontechniker einen Feuerlöscher zugeworfen, mit dem er zu Saida in die Flammen gestiegen sei, und das Löschpulver über sie und sich selbst versprühte. Danach habe er Saida zusammen mit seiner Frau aus dem Kostüm befreit.

Feuerwehrmann Sebastián Negrín sagte dem Radiosender Cope Canarias am Tag nach dem Unglück, dass er in seinen 35 Dienstjahren nie solch ein Feuer erlebt habe. „Es war unglaublich, als hätte man ein brennendes Streichholz in einen Benzintank geworfen. Wir haben 25 Kilo Löschpulver verbraucht und hatten Schwierigkeiten, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen“, berichtete er. Nachdem Saida aus dem Flammeninferno ihres Kleides befreit worden war, wurde sie zunächst in einem Krankenwagen des Roten Kreuzes notversorgt. Unterdessen wurde die Gala fortgesetzt. Die Moderatoren erhielten Anweisungen, sich nichts anmerken zu lassen und lediglich bekanntzugeben, dass bei Kandidatin Nummer sieben „ein Problem mit dem Kostüm“ aufgetreten sei. Das Publikum wunderte sich über den Brandgeruch, und Asche wehte bis in die ersten Zuschauerreihen.

Während Kandidatin Nummer neun, deren Kleid das Unglück verursacht hatte, die Bühne betrat, ohne dass ihr etwas von dem soeben Erlebten anzumerken war, wurde hinter den Kulissen beschlossen, Saida in die Universitätsklinik zu bringen. Dort wurde sie noch in der Nacht einer mehrstündigen Notoperation unterzogen. Bei dem Brand hatte sie schwere Verbrennungen zweiten und dritten Grades erlitten.

Am nächsten Morgen dann die schockierende Nachricht: Saida Prieto ist schwer verletzt. Sie erlitt bei dem Unfal Verbrennungen auf 59% ihrer Körperoberfläche; 42% ihres Körpers – Rücken und Beine – sind von schwersten Verbrennungen zweiten Grades (b) und dritten Grades betroffen.

Santa Cruz’ Bürgermeister sagte auf die Frage, weshalb die Gala nach dem Unfall nicht sofort abgebrochen wurde, dass ihm zu diesem Zeitpunkt noch keine Informationen über die Schwere der Verletzungen von Saida vorlagen. Erst zum Ende der Veranstaltung sei er darüber informiert worden, dass Saida im HUC notoperiert werde.

Verlegung in eine Spezialklinik nach Sevilla

Nachdem am Tag nach dem Unfall und der ersten Operation im HUC angesichts der Schwere der Verbrennungen die Verlegung der Patientin in das Krankenhaus Virgen del Rocío in Sevilla beschlossen wurde, begleitete Bermúdez die Eltern von Saida auf dem Flug in die andalusische Hauptstadt. Saida wurde in einer Maschine des kanarischen Gesundheitsdienstes nach Sevilla geflogen. Das dortige Krankenhaus verfügt über eine Intensivstation für Verbrennungsopfer, die als eine der besten Einrichtungen dieses Fachgebiets anerkannt ist.

Nach einer weiteren Operation und mehreren Tagen auf der Intensivstation mit künstlicher Beatmung kam die erste erleichternde Nachricht für die Familie. Am 12. Februar teilten die behandelnden Ärzte des Hospitals Virgen del Rocío mit, dass Saida die Intensivstation verlassen habe, keine künstliche Beatmung mehr benötige und bei Bewusstsein sei. Die Spezialisten sprechen von einem schmerzhaften und langwierigen Heilungsprozess.

Solidaritätsbekundungen

Bürgermeister Bermúdez begleitete die Eltern von Saida, die selbst Mutter einer dreijährigen Tochter ist, bei der Wohnungssuche in Sevilla. Die Mietkosten für die nächsten drei Monate werden von der Stadt getragen, denn es muss damit gerechnet werden, dass Saida noch mindestens so lange in der Klinik in Sevilla behandelt werden muss.

Als Zeichen der Solidarität mit der Verletzten wurde vom Rathaus der große Eröffnungszug des Karnevals und die Tanzveranstaltung am Abend des 8. Februar abgesagt. Danach wurde das Karnevalsprogramm in Absprache mit den Eltern von Saida planmäßig fortgesetzt.

Solidarisch erklärten sich auch die kanarischen Starfußballer Pedro Rodríguez (FC Barcelona) und Vitolo (Panathinaikos Athen) mit Saida und ihrer Familie. Sie wollen sich ebenfalls an den Kosten für den Aufenthalt der Familie in Sevilla beteiligen.

Und auch auf dem Fußballfeld gab es Solidaritätsbekundungen. Die Spieler des CD Tenerife sowie des UD Las Palmas trugen über ihren Trikots weiße T-Shirts mit der Aufschrift: „#animosaida – Estamos contigo“ – Wir sind mit dir. Beim großen Karnevalszug in Santa Cruz de Tenerife am 12. Februar trugen viele Teilnehmer Schilder mit Genesungswünschen für die verletzte Königin-Kandidatin.

Sicherheitslücken und Schlamperei

Aus den Reihen der Opposition im Rathaus von Santa Cruz meldete sich José Manuel Corrales (IU-XTF) zu Wort und verlangte den Rücktritt des Stadtdezernenten für Festlichkeiten, Fernando Ballesteros und der Leiterin des Amtes für öffentliche Sicherheit, Carmen Delia González. Scharfe Kritik übte er an den Sicherheitsmaßnahmen während der Gala. Die vorgeschriebene Inspektion der Feuerwerkselemente wurde nicht durchgeführt. Ebensowenig wurden Spezalisten für die Aktivierung dieser Spezialeffekte eingesetzt. Feuerwehr, Zivilschutz und Polizei waren nicht über die Verwendung des Feuerwerks informiert worden.

Die vermeintliche Fahrlässigkeit der zuständigen Ämter, die weder Kleider noch Feuerwerkselemente überprüften könnte auch Auswirkungen auf den Versicherungsschutz haben.

Verhängnisvolle Spezialeffekte

Magnolia Cruz, Kandidatin Nummer neun, trug ein Kostüm mit dem Titel „1797“, das in Anlehnung an die Schlacht um Santa Cruz am 25. Juli 1797 eine Galeone darstellte. Aus den zwei Kanonen sollte auf der Bühne als Spezialeffekt ein Feuerwerk gezündet werden, das die Kandidatin selbst durch Knopfdruck aktivieren konnte. Das Feuerwerk in einer der beiden Kanonen aktivierte sich aus bislang ungeklärten Gründen im Backstage und setzte das Kleid von Saida Prieto in Brand.

Der Designer des Kostüms, Willy Jorge, hatte beim Amt für Festlichkeiten der Stadt Santa Cruz einen Antrag eingereicht, um sogenanntes „fuego frío“ – pyrotechnische Elemente im Sinne von Theaterfeuer – auf der Bühne entzünden zu können.

Nach dem tragischen Unfall ist nun ein Streit darüber entbrannt, ob diese Feuerwerkselemente tatsächlich genehmigt waren oder nicht. Willy Jorge versicherte, dass er die Genehmigung eingeholt hatte, während vom Amt für Festlichkeiten mitgeteilt wurde, dass er zwar den Antrag für  „fuego frío“ gestellt habe, die vom Amt in diesem Zusammenhang angeforderten Unterlagen aber schließlich nie eingereicht hätte, weshalb davon ausgegangen worden sei, dass er darauf verzichte.

Parallel zu dieser Streitfrage, die im Zuge der polizeilichen Ermittlungen geklärt werden soll, wird nun auch generell darüber debattiert, ob Feuereffekte und Feuerwerk auf der Bühne und an Kostümen der Kandidatinnen künftig zugelassen werden sollten. Die Meinung, dass die Kostüme der Kandidatinnen mittlerweile die Grenze zum Festwagen überschritten haben und vollkommen überdimensioniert sind, ist weit verbreitet. Viele sprechen sich für eine Rückkehr zu bescheideneren Kostümen, was das Volumen angeht, aus.

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