Eigene Landsleute ausgebeutet


Orangen aus Valencia sind weltweit für ihr Aroma bekannt. Zur Erntezeit werden viele Hände gebraucht. Foto: pixabay

„Sklaven“ aus Bulgarien im spanischen Orangenhain

Valencia – Die harten Arbeitsbedingungen und geringen Löhne in der Landwirtschaft sind allgemein bekannt. Nicht selten sind Berichte über die prekären Arbeitsbedingungen von Tagelöhnern in den Medien zu sehen.

Direkte Zeugin einer solchen Situation wurde die 76-jährige Pepa Grau aus dem kleinen Ort Valldigna in Valencia. Gleich neben ihrer Wohnung waren bulgarische Tagelöhner unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht. Von Januar bis April wohnten 33 Menschen in einem baufälligen Gebäude gleich neben ihr. Wie die Richterin, die mit dem Fall befasst ist, bestätigte, lebten die Landarbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen. Alte Matratzen als Schlafstellen oder undichte Dächer, nicht selten kamen die Mahlzeiten aus dem Müllcontainer.

2016 verbrachten die Arbeiter aus Bulgarien zehn Monate in Spanien, erst in Tavernes (Valencia) und später in Cuéllar (Segovia).

Von Montag bis Sonntag arbeiteten sie täglich bis zu zwölf Stunden mit 15-minütiger Pause. Ihr einziges Essen war ein Brötchen vom Vortag. Ausgeruht wurde nur bei regnerischem Wetter. Jeglicher Protestversuch wurde mit Dro­hungen und Schlägen unterbunden, die Ausweise waren den Tagelöhnern abgenommen worden.

Als sie in Bulgarien angeheuert wurden, versprach man ihnen vernünftige Gehälter, die Arbeiter erhielten davon aber nur Bruchteile oder überhaupt keinen Lohn. Angeblich hatten die fünf Angeklagten aber 69.569 Euro für die Erntearbeiten in den Orangenplantagen bekommen.

Gemäß den Angaben der Staatsanwaltschaft fühlten die Tagelöhner sich um ihr Geld betrogen, fanden die Arbeitsbedingungen aber nicht außergewöhlich schlecht, was wohl einiges über die Zustände in ihrem Heimatland erkennen lässt.

Auch die „Arbeitgeber“ hatten nicht das Profil krimineller Täter, in der Tat hält die Polizei sie für Landwirte, deren Familien in Bulgarien Besitzer großer Ländereien sind und die sich in keiner Weise bewusst waren, dass ihre Vorgehensweise in Spanien strafrechtlich verfolgt würde. Es ist für sie unverständlich, dass sie sich seit 2016 in Untersuchungshaft befinden.

Die Staatsanwaltschaft hat 33 Klagen wegen Menschenhandels und 30 Klagen wegen Verletzung der Arbeiterrechte gegen die bulgarischen Landsleute erhoben.

Den vier Männern drohen bis zu 291 Jahre Gefängnis

Der 44-jährige Bulgare Ramis Rahimov Shuhkriev und seine drei Söhne könnten bis zu 291 Jahren Gefängnis verurteilt werden.

Nach der Festnahme von Rahminov und den Söhnen durch die Guardia Civil wurden die Fremdarbeiter mit Hilfe verschiedener nicht-staatlicher Hilfsorganisationen in ihre Heimatprovinz Pleven zurückgebracht. Von dort aus sagen sie in diesen Tagen über Videokonferenz vor Gericht aus.

Nach einem Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2016 ist Pleven die zweitärmste von 277 Regionen Europas. Unterernährung, eine hohe Selbstmordrate, Korruption und fehlendes Vertrauen in Polizei und Politiker sind das Ergebnis dieser Studie. Somit haben die prekären Arbeitsbedingungen die Tagelöhner wohl nicht gewundert.

Für die Ernte jeder Kiste von Zitrusfrüchten sollten, je nach Qualität und gemäß Tarif, zwischen 1,29 und 2,46 Euro gezahlt werden.

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