Ein bezauberndes Fest


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Oft habe ich mich schon gefragt: Wie kann ich denn Menschen, die mit diesem Fest wenig anfangen können, am besten erklären, was wir Christen an Pfingsten denn nun feiern?

 Natürlich kann ich versuchen, die Pneumatologie – die Lehre vom Heiligen Geist – in klugen und vielsagenden Worten zu entfalten. Ich könnte auch die Katechismussätze wiederholen, mit denen viele von uns im Religionsunterricht diese dritte göttliche Person kennengelernt haben. Aber ich kann auch etwas ganz anderes machen. Ich kann einen – wenn auch nur in unseren Vorstellungen beheimateten – Zauberer einladen, der nicht nur mit Worten, sondern mit verblüffenden Kunststücken zeigt, was Pfingsten bedeutet. 

Stellen wir uns also diesen Zauberkünstler mal in Gedanken vor. Wir sehen ihn, wie er mit einer dicken Glasscheibe auftritt, an welche er sowohl vorne wie auch hinten klopft, um deren Festigkeit und Undurchlässigkeit zu demonstrieren. Dann nimmt er ein rotes Tuch und zieht dieses langsam durch die scheinbar undurchdringliche Scheibe. 

Gesehen haben Sie diese Zauberei sicherlich schon einmal. Und mir wird klar: Hier sagt der Zauberer uns allen ganz ohne Worte – das ist Pfingsten! Denn Pfingsten heißt doch nichts anderes als: Sich überraschen lassen; sich von Gott überraschen lassen. Denn es heißt doch, dass sein Geist weht, wo er will. Und die Bibel ist voll von Geschichten, in denen Menschen von diesem Geist ergriffen und begeistert werden, allen Widerständen und Hindernissen zum Trotz.

Das rote Tuch, welches auf so wunderbare Weise das Hindernis der Glasscheibe durchdringt – es ist ein zauberhaftes Bild für den Geist Gottes, der jede und jeden von uns überraschen kann. Der einen Zugang auch zu den Menschen findet, die sich wehren und abschotten – ganz so, wie auch viele Propheten sich ihrem göttlichen Auftrag nicht stellen wollen. Dieses rote Tuch, das spielend den Durchbruch schafft, das schafft in mir auch die Erinnerung an die Feuerzungen des Pfingstwunders, bei dem die traurigen und in sich verschlossenen Jüngerinnen und Jünger eine ganz neue Begeisterung spüren. Ja, Pfingsten heißt: Sich von Gott überraschen lassen. Und wenn er dann einmal einen Zugang zu uns gefunden hat, dann hat das Konsequenzen, wie ein zweites Zauberbeispiel zeigt:

Wie oft haben wir schon Assistentinnen von Zauberern gesehen, die ihre Hände in eine eiserne Fessel stecken, die durch Vorhängeschlösser gesichert ist. Ein Entkommen scheint unmöglich. Doch plötzlich streift der Zauberer mit einer einzigen Handbewegung die Fessel ab, welche dann krachend zu Boden fällt. 

Auch das ist Pfingsten. Denn Pfingsten heißt auch: Als befreite Menschen leben können. Viele haben Jesus als Entfesselungskünstler erlebt, als Befreier von Belastungen und Benachteiligungen, von Ängsten und Krankheiten, von Schuld und kleinlichen Geboten. Die blitzartig gesprengten Fesseln sind ein bezauberndes Bild für das befreiende Wirken des Geistes Gottes, der auch in Jesus selbst am Werk war. Der Apostel Paulus lässt keine Gelegenheit aus, von dieser neu geschenkten Freiheit zu reden. Er ist, so könnte man sagen, der erste Befreiungstheologe, von denen heute so viel die Rede ist. Den Galatern schreibt er: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von Neuem das Joch der Knechtschaft auflegen … Ihr seid zur Freiheit berufen.“ Und den Römern versichert er: „Jetzt sind wir frei geworden von dem Gesetz, an das wir gebunden waren, … wir dienen in der neuen Wirklichkeit des Geistes, nicht mehr in den alten des Buchstabens.“ Ja, Pfingsten heißt: Als entfesselte, als befreite Menschen leben können. Und wer das versucht, der wird mit Erstaunen feststellen, welche ungeahnten Kräfte das freisetzt. Und da möchte ich jetzt noch ein drittes Mal den Zauberer bemühen: 

Der zeigt uns einen kleinen Löffel, den er einer anderen Person in die Hand legt und dessen andere Hand darüber legt. Eine Zeit lang bleibt so der Löffel zwischen den fest geschlossenen Händen für uns alle unsichtbar. Als der Zauberer sie aber wieder öffnet, ist der Löffel verbogen. 

Ist das Pfingsten? Und ob! Denn Pfingsten heißt doch auch: Zupacken und die Welt verändern. Ein Glaube ohne Werke, ohne engagiertes Handeln im Sinne Jesu ist nutzlos und wie tot. Wenn wir aber anpacken, wenn wir eingreifen, dann können wir auch Erstarrtes und Verhärtetes in Bewegung bringen. Dann können sich – im wahrsten Sinne des Wortes – unter unserer Hand das Leben und auch ein Teil dieser Welt verwandeln. Der Löffel, der sich verbiegt, wenn wir zupacken, das ist ein zauberhaftes Bild für die Kraft des Geistes Gottes, der in jeder und jedem von uns wirkt und dafür sorgt, dass eben nicht alles immer beim Alten bleibt, sondern wir motiviert werden und dann im Sinne Jesu handeln. Ja, Pfingsten heißt eben auch: Zupacken und diese Welt verändern. 

Haben Sie ein wenig gespürt, welch bezauberndes Fest Pfingsten ist? Haben Sie durch diese Zeilen ein klein wenig erfahren, wie zauberhaft Pfingsten für jede und jeden – ja, wie verzaubernd es für diese Welt, unsere Gemeinden und unsere Kirche sein kann? Ich wünsche Ihnen aus ganzem Herzen, dass Sie sich an Pfingsten von Gott überraschen lassen; dass Sie als befreite Menschen leben und dass Sie dann zupacken und diese Welt allüberall dort, wo Sie es können, auch verändern. Und wenn Sie mal wieder einen Zauberer oder Magier sehen – dann nehmen Sie dies auch zum Anlass, daran zu denken, was Pfingsten uns allen sein will!!

Herzlichst, Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und 

Residentenseelsorger

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