Ein Gesetz wendet sich gegen seinen Initiator


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Der von Gran Canaria stammende EU-Abgeordnete Juan Fernando López Aguilar wird verdächtigt, seine Ex-Frau misshandelt zu haben

Der kanarische Starpolitiker Juan Fernando López Aguilar muss sich möglicherweise einem Untersuchungsverfahren wegen häuslicher Gewalt stellen. Das Gesetz, aufgrund dessen von Amts wegen gegen ihn ermittelt wird, hat der heutige EU-Abgeordnete im Jahr 2004 während seiner Zeit als Justizminister in der Regierung Zapatero selbst verabschiedet.

„Si no hay sangre no vamos“ – „Wenn kein Blut fließt, kommen wir nicht“ war noch bis vor zehn Jahren eine durchaus übliche Reaktion von Polizeibeamten, wenn Frauen, die familiärer Gewalt ausgesetzt waren, Schutz suchten. Gewalt gegen Frauen innerhalb einer Ehe oder Beziehung galt den meisten Gesetzeshütern als Kavaliersdelikt und Privatsache. Diesem Missstand bereitete erst im Jahr 2004 das Gesetz gegen familiäre Gewalt (Ley Orgánica 1/2004 de Medidas de Protección Integral contra la Violencia de Género, LIVG) ein Ende und dies erstaunlich wirkungsvoll. Es räumte innerhalb weniger Jahre mit der Ignoranz, die zu diesem Thema in den Behörden herrschte, auf und führte dazu, dass die Opfer häuslicher Gewalt ernst genommen werden und wesentlich öfter als früher Hilfe erhalten.

Die Täter haben seitdem erhebliche Konsequenzen zu befürchten. Wie so oft im Leben schlägt das Pendel nun, nach der extremen Ungerechtigkeit, die den Frauen vonseiten der Institutionen widerfahren war, in die andere Richtung aus, und trifft auch manchen Mann zu Unrecht. Erst das gesellschaftliche Umdenken, das dieses Gesetz zweifelsohne erheblich gefördert hat, wird mit den Härten, welche das Phänomen der familiären Gewalt für beide Geschlechter mit sich bringt, aufräumen können. 

Nun trifft das LIVG ausgerechnet jenen Mann, unter dessen Führung es damals verabschiedet und sogar eine spezialisierte Staatsanwaltschaft für die Verfolgung der Fälle häuslicher Gewalt eingerichtet wurde. Juan Fernando López Aguilar stammt von Gran Canaria und hat es als einer von sehr wenigen kanarischen Politikern auf nationaler und internationaler Ebene in die höchsten Ämter geschafft. Er ist heute EU-Abgeordneter und bekleidete seinerzeit in der sozialistischen Regierung von José Luis Zapatero das Amt des Justizministers (2004-2007). Gegen ihn ist Anfang April ein Verfahren wegen häuslicher Gewalt eingeleitet worden, welches ihn beruflich Kopf und Kragen kosten könnte.

Seine Partei, die sozialistische PSOE, hat schon reagiert und seine Mitgliedschaft vorläufig ausgesetzt. Auch aus der sozialistischen Gruppierung im EU-Parlament wurde er bis zur Klärung der Vorwürfe ausgeschlossen, bleibt jedoch Abgeordneter. 

Das mutmaßliche Opfer ist seine Ex-Ehefrau Natalia de la Nuez. Die im gegenseitigen Einverständnis eingereichte, jedoch hart verhandelte Scheidung von ihr ist seit Kurzem rechtskräftig. Sie lebt weiterhin mit den beiden gemeinsamen Kindern, fünfjährigen Zwillingen, in der ehelichen Wohnung in Las Palmas auf Gran Canaria, aus der er vor sieben Monaten ausgezogen ist. 

Zu der Untersuchung gegen López Aguilar kam es nicht wegen einer Anzeige seiner Ex-Ehefrau sondern aufgrund von Ereignissen, die mit den Vorwürfen familiärer Gewalt augenscheinlich nichts zu tun haben. Wie aus den Gerichtsakten hervorgeht, kam es am 6. und am 28. März dieses Jahres zu Polizeieinsätzen in der Wohnung, beide Male, weil die Küche, mutmaßlich durch Fahrlässigkeit, in Brand geraten war. Bei dem zweiten Einsatz fand die Polizei Natalia de la Nuez zusammen mit ihren Kindern schlafend und „anscheinend in angetrunkenem Zustand“ vor, die Wohnung war voller Rauch. 

Bei der Befragung der Nachbarn berichteten diese „spontan von Vorfällen, die einen Straftatbestand darstellen könnten und deren Geschädigte Natalia de la Nuez und ihre beiden Kinder sind“. 

Bei einer gerichtlichen Befragung berichtete de la Nuez dann auch, seit Jahren psychologischer und physischer Misshandlung ausgesetzt gewesen zu sein, und ihre Schwes­tern stützen diese Aussage. Sie sehe sich jedoch nicht als ein typisches Opfer häuslicher Gewalt und verzichte auf eine Fernhalteverfügung, erklärte sie weiter, beantragte jedoch ein Kommunikationsverbot.  

Eine Bestrafungsaktion der Ex-Frau?

Juan Fernando López Aguilar bestreitet diese Vorwürfe vehement und erklärt, Opfer einer Falschaussage zu sein. Es handle sich um eine im Voraus angekündigte Bestrafungsaktion seiner Ex-Frau. 

Wegen seines Immunitätsstatus als Europaabgeordneter hat die zuständige Richterin den Fall, der von Amts wegen verfolgt werden muss, an den Obersten Gerichtshof verwiesen. Dieser wird nun entscheiden, ob der Fall verhandelt werden soll. Nach den Statuten der PSOE müssen Mandatsträger ihr Amt niederlegen, wenn eine mündliche Gerichtsverhandlung gegen sie eröffnet wird. Ob es dazu kommt, ist noch unklar.  

Juan Fernando López Aguilar hat erklärt, er stehe weiterhin zu dem Gesetz gegen familiäre Gewalt, gegen die falsche Anzeige gegen seine Person werde er sich jedoch verteidigen. 

Das LIVG definiert „geschlechtsspezifische Gewalt“ (violencia de género) als „jene Gewalt, die gegen Frauen durch ihre zusammen- oder getrennt lebenden Ehe- oder Lebenspartner ausgeübt wird, und alle Arten körperlicher oder psychologischer Gewaltausübung umfasst, einschließlich Angriffen auf die sexuelle Selbstbestimmung, Drohungen, Nötigung und Freiheitsberaubung“.

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