Ein Nasenwasser für Kultur


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Haushaltsentwurf der Regionalregierung sieht drastische Kürzung um knapp 65% des Etats vor

Die kanarische Kulturszene kocht vor Empörung. Grund dafür ist die im Entwurf des Haushaltsplans 2012 der Regionalregierung vorgesehene drastische Kürzung des Etats für das Ressort Kultur und Sport im kommenden Jahr. Im Vergleich zum laufenden Jahr liegt sie bei 65%. Standen dem Ressort dieses Jahr noch 38,2 Millionen Euro zu, so sollen es nächstes Jahr nur noch 13,5 Millionen Euro sein.

Lediglich die Personalkosten bleiben von der Etatkürzung verschont. Selbst Ressortleiter Alberto Delgado musste einräumen, dass dieser Betrag es unmöglich machen wird, die bisherige Kulturpolitik beizubehalten.

Die Kulturszene reagierte auf die Bekanntmachung des Haushaltsentwurfs mit Entrüstung. In einer Pressekonferenz zu diesem Thema erschienen die Vertreter kultureller Einrichtungen und Organisationen schwarz gekleidet und signalisierten damit: Wir tragen Trauer. Sie bezeichneten die Sparmaßnahme der Regierung als Albtraum, der den Kultureinrichtungen auf den Inseln einen tödlichen Schlag versetzen werde. Aus den verschiedenen Kulturbereichen kam fast umgehend nach Bekanntwerden des Haushaltsentwurfs ein Krisenkabinett zusammen, das sich fest entschlossen zeigte, gegen die Pläne der Regierung anzukämpfen. Etwa 150 Personen aus der Kulturszene trafen sich in der Kulturinstitution „Círculo de Bellas Artes“ in Santa Cruz zu einer Krisensitzung. Zeitgleich trafen sich etwa ebenso viele Vertreter der Kulturszene im „Gabinete Literario“ in Las Palmas de Gran Canaria. Vom Unternehmer bis zum Musiker und Schauspieler waren alle Bereiche vertreten, und die gemeinsame Aussage war klar: „Es reicht!“ Zwei Hauptaspekte liegen dabei im Zentrum der Kritik. Zum einen der Angriff auf das inmaterielle Gut der kanarischen Kultur, zum anderen die Zerstörung von mehreren Tausend Arbeitsplätzen, die durch den Wegfall verschiedenster Kulturveranstaltungen zwangsläufig in Gefahr geraten. Rund 16.000 Arbeitsplätze hängen laut Schätzungen der Kunstschaffenden von den Kultureinrichtungen ab.

Die Vertreter der Kulturszene fordern unter anderem, dass die Regierung, anstatt extreme Kürzungen anzuwenden anerkennen sollte, dass „Cultura“ mit 3.768 Unternehmen ein produktiver Wirtschaftsbereich ist. Als Gegenmaßnahme, um dieses „Todesurteil“ noch abzuwenden, verlangen die Vertreter der Kulturszene zunächst einen Termin bei Regierungspräsident Paulino Rivero (CC). Dennoch hegen sie keine großen Hoffnungen, die Regierung umstimmen zu können.

Ricardo del Castillo ist einer der Vorsitzenden des Krisenkabinetts gegen die Kürzungen im Kulturwesen und zu radikalen Methoden bereit, um gegen den kulturfeindlichen Haushaltsentwurf zu protestieren. Sein jüngster Vorschlag lautet, den Etat abzulehnen, in dem die vorgesehenen 13,5 Millionen Euro nicht angenommen werden. „Wir werden beschuldigt, immer um Subventionen zu betteln, nun schlage ich vor, dass sie ihre Subventionen behalten, dass die gesamte Szene sich zusammenschließt und keinen einzigen Euro für 2012 annimmt, damit dieses Geld komplett für soziale Zwecke genutzt werden kann. Doch dann soll auch das Kulturressort geschlossen werden und die dort tätigen Politiker gehen“, sagte er während einer Sitzung. Inwieweit die anderen Vertreter der Branche mit diesem Vorschlag übereinstimmen, bleibt abzuwarten. Vorerst wird eher über öffentliche Proteste in Form von Demonstrationen und die Forderung des Rücktritts des Kulturteams der Regierung, allen voran der Ressortleiterin Inés Rojas, nachgedacht.

Angesichts des schweren Schlags, den der Wegfall vieler Subventionen für die kanarische Kulturszene bedeutet, stellt sich aber auch die Frage, ob nicht ein neues Arbeitsmodell der im Kulturbereich tätigen Unternehmen notwendig wäre, das sich von der subventionierten Kultur distanziert.

Sollte die Kultur ein Bereich sein, der von öffentlichen Geldern abhängt, oder sind es die Unternehmer, die für die Risiken ihrer Projekte haften und die Kosten tragen sollten?

„Alles, was auf den Inseln in Sachen Kultur stattfindet, wird in kleinerem oder größerem Maße durch öffentliche Mittel unterstützt“, gab Alberto Hernández, vom Veranstalter Jeito Producciones im Hinblick auf diese Abhängigkeit zu bedenken. Sein Unternehmen sei zum Zeitpunkt der „Krisenexplosion“ 2008 gegründet worden und habe mit Blick auf die unsichere Zukunft die Entscheidung getroffen, unabhängig zu arbeiten. Dies sei durch kleine Projekte, die der finanziellen Wirklichkeit entsprechen, möglich. Das sei heute nicht einfach und nie einfach gewesen, denn im Bereich Kultur gehe es doch immer darum, Kosten zu decken und jeden Tag aufs Neue zu überleben. Nun müsse man, so Hernández, nach Märkten außerhalb der Inseln Ausschau halten, „denn auf den Kanaren wird es, wenn sich nichts ändert, für Unternehmen wie das unsere keine Arbeit mehr geben“.

Benito Cabrera – Musiker und Mitglied des Krisenkabinetts: „Diese Kürzung ist ein großer Unsinn, denn heute hängt die Kulturpolitik mehr denn je von der kanarischen Regierung ab, weil die Cabildos und Gemeinden keine Mittel haben. Dieser Sektor betrifft weit mehr Personen als diejenigen, die auf der Bühne stehen. Ein ganzes unternehmerisches Netz wird damit zerlegt.“

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