Eine neue Zeit bricht an


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Die Tage des Advents sind Tage der Vorbereitung – aber nicht nur der Äußeren. Es geht nicht in erster Linie darum, äußerlich (einkaufen, putzen, schmücken…) formvoll­endet auf dieses Fest zuzugehen, sondern innerlich gestärkt. Deshalb ist die Adventszeit ja auch eine Fastenzeit, nur wird das von den Wenigsten unter uns so gesehen.

Vielleicht kann ein Satz aus einem arabischen Gebet, der leider noch keinen Zugang in unseren Gebetsschatz gefunden hat, deutlich machen: „Gelobt sei Er, der die Zustände ändert!“ Denn wer diese Worte wirklich ehrlichen Herzens nachsprechen kann, der hat erfasst, was Advent eigentlich für jede und jeden von uns sein will: Die Zeit, die uns verändern will, die uns einlädt umzukehren, wo wir falsche Wege gehen.

Johannes der Täufer steht für diese Veränderung. Er ist sozusagen das Vorspiel auf das, was Gott mit uns vorhat. In der Wüste predigt er den suchenden Menschen die Gerechtigkeit als Zeichen der neuen Zeit. Es geht um einen gerechten Lohn, um ein gerechtes Teilen, um ein gerechtes Miteinander. Das ist die Basis für das Neue, das kommen wird. Dieses Neue hat einen Namen. Was der Täufer z.B. noch im Bild der Taufe mit Feuer und dem Hl. Geist umschreibt, das heißt für uns nichts anderes als Jesus Chris­tus.

Johannes geht es um eine ganz natürliche Gerechtigkeit. So sagt er: „Wer zwei Mäntel hat, der gebe dem einen, der keinen hat.“ Jesus dagegen predigt die größere Gerechtigkeit. Diese gibt mehr als das Übliche, das Gewöhnliche. Sie läuft sozusagen dem gerechten Handeln voraus, indem sie unaufgefordert und ungebeten danach fragt, was der andere nötig hat. In der pointierten Redeweise Jesu heißt das dann: „Wenn einer dir das Hemd wegnehmen will, dann lass ihm auch noch den Mantel.“ Im Buddhismus finden wir für diese größere Gerechtigkeit noch ein anderes Wort. Ein Wort, das in meinen Augen einfühlsamer klingt: „Achtsamkeit!“ Was Johannes noch mit zum Teil sehr deftigen Worten von den Menschen fordert, damit ihre Umkehr möglich ist, bekommt dagegen bei Jesus eine ganz neue Qualität: Er preist die Menschen selig und glücklich, die seinem neuen Weg folgen können. Und bevor er einem Menschen diesen Weg zumutet, geht er zu ihm auf Augenhöhe.

Das ist Jesu Stärke. Und auf diese Stärke weist Johannes bereits hin, wenn er sagt: „Der, der nach mir kommt, ist stärker als ich.“ Dabei besteht seine Stärke nicht in Macht, Herrlichkeit oder Gewalt. Nein, seine Worte haben einen unwiderstehlichen Klang, seine Zeichen und Taten heilende und heiligende Kraft.

Nun erfasst der Advent unserer Zeit wie in einem Focus die Zeichen der neuen Zeit, in der auch wir mit neuer Herausforderung stehen. Und es muss uns allen bewusst sein, dass daran unsere eigene und die Glaubwürdigkeit des ganzen Christentums gemessen wird. So geht es für uns darum, sich einzumischen, wenn heutzutage das nicht geachtet wird, was Gott geschaffen hat. Es geht um eine neue Achtsamkeit gegenüber allem, was ist und was lebt. Ferner gilt es sich einzumischen, wo Gerechtigkeit und Barmherzigkeit bedroht sind oder auch verletzt werden; also für die größere Gerechtigkeit einzutreten, die dem Menschen schon im Voraus zuerkennt, was er zum Leben braucht. Und es gilt sich dort einzumischen, wo der Friede durch Gewalt, Terror, Hunger und Krieg bedroht ist und den Mächten des Todes so aktiven Widerstand entgegenzusetzen.

Das alles ist aber nur die eine, die Außenseite der neuen Zeit. Diese Zeit verlangt aber auch eine Erneuerung dessen, was in uns Menschen ist. Auch hier muss es heißen: „Gelobt sei Er, der die Zustände ändert.“ Genau das will nämlich der Advent in uns erreichen. Und so heißt adventlich zu leben eben auch, sich zurücknehmen zu können aus dem Getriebe und den Verrücktheiten dieser Welt, und sich einzuüben in das, was Jesus an Leib und Seele gestärkt hat: Das Gebet und die Meditation. Adventlich leben kann aber auch heißen, all das loszulassen, was uns binden und fesseln möchte, was uns ins unbedingte „Haben- oder Genießen-Müssen“ verstrickt. Und adventlich leben heißt nicht zuletzt, das Leben anzunehmen und es zu lieben, aber zugleich den Schmerz, das Leid, die Trauer, den Tod nicht zu verdrängen, sondern als Teil des Lebens anzunehmen. 

Leonardo Boff, der brasilianische Befreiungstheologe, hat für all die Gedanken das schöne Begriffspaar verwendet: „Zärtlichkeit und Kraft“. In Zärtlichkeit und Kraft, in Kontemplation und Engagement, in Achtsamkeit und Gelassenheit sollten wir uns auf das Neue einlassen, das Jesus bringt. Dann werden wir nicht nur in der Adventszeit in uns und um uns wahre Wunder erleben.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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