Ein Artikel von Dr. Armin Reichmann
Eine der meist gestellten Fragen an einen Anwalt oder Steuerberater geht sicherlich nach den Steuern, die bei einem Immobilienverkauf zu entrichten sind. Ich weiß aus Erfahrung, dass man mit der Nennung der 21% (bei Verkauf durch eine natürliche Person) keine Freude auslöst.
Dies ist aber vergleichsweise harmlos, wenn man diese Gewinnsteuer mit der Steuer vergleicht, die im Erbschaftsfall anfallen. Ob es daran liegt, dass man bei einem Hauskauf natürlich kaum an den Moment denken mag, an dem man selbst als Eigentümer verstirbt? Oder auch, dass die Erbschaftssteuer ja nicht den Erblasser, sondern vielmehr andere (die Erben) betrifft? Wie auch immer, diese Steuer ist weitaus gravierender, ja ruinöser als alle anderen erdenklichen Steuern. Denn auch das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied: Wer zu Lebzeiten verkauft, zahlt Steuern auf den Gewinn, aber ein Erbe zahlt Steuern auf den Gesamtwert. Und noch etwas ist anders: Im Erbfall liegt nämlich nicht der Kaufpreis eines Käufers auf dem Tisch, von dem man einen Teil an das Finanzamt abzweigen muss. Entweder die Erben haben genügend Vermögen, um die Steuer aus eigener Tasche bezahlen zu können oder sie sind gezwungen, das gerade soeben erst ererbte Haus zu verkaufen, um die Steuern bezahlen zu können, Letzteres kein Einzelfall übrigens.
Die spanische Erbschaftssteuer ist in der Tat ein großes Ärgernis, potenziert noch dadurch, dass Spanien und Deutschland bei ihren Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (in Kraft seit 01.01.2013) die Erbschaftssteuer völlig außen vor gelassen haben. Der Erbe wird also im Wortsinne tatsächlich „doppelt besteuert“.
Beispiel Balearen
Da das offenbar noch nicht reicht, sind alle Nicht-Residenten darüber hinaus Opfer der spanischen Regionalpolitik. Der erfolgreiche Versuch der spanischen Autonomen Gemeinschaften, Comunidades Autónomas, CA (vergleichbar mit den deutschen Bundesländern), in eigener Verantwortung (und Macht) Steuern selbst festlegen und kassieren zu können, erstreckte sich naturgemäß nur auf die Bürger des eigenen Landes. Für die Balearen gilt, dass diese von ihrer eigenen Landesregierung bevorzugt behandelt werden: Sie zahlen nur 1% Erbschaftssteuer und (zwischen Familienangehörigen) 7% Schenkungssteuer. Hiezu müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: der Erblasser muss in Spanien unbeschränkt steuerpflichtig sein und muss die letzten fünf Jahre vor seinem Tod überwiegend auf den Balearen gewohnt haben; zudem müssen die Erben in Spanien (nicht notwendigerweise auf den Balearen) unbeschränkt steuerpflichtig sein. (Ley 22/2006 de 19 de diciembre de reforma del impuesto sobre sucesiones y donaciones).
Wer aber diese Voraussetzungen nicht erfüllt und auf den Balearen „nur“ Vermögen und im Ausland seinen Hauptwohnsitz hat, hat davon nichts und bleibt in der steuerlichen Zuständigkeit des Zentralstaates. Diese rechtsstaatlich sicherlich bedenkliche Lösung führt bis heute dazu, dass der Zentralstaat Spanien bei Ausländern die volle staatliche Erbschaftssteuer abfordern darf.
Nachstehend eine überschlägige Berechnung der Erbschaftssteuern für Nicht-Residente auf den Balearen, dies anhand der bis heute geltenden Rechtsgrundlage für die staatliche Erbschaftssteuer für Nicht Residente, Gesetz 29/87 de 18 de diciembre Impuesto sobre Sucesiones y donaciones; LISD.
Die Berechnung der spanischen Erbschaftssteuer vollzieht sich in vier Schritten:
1. Bestimmung der Erbmasse
Der Gesamtwert der Erbmasse ist zu bestimmen: Eine Immobilie ist mit dem höchsten der drei Werte: Katasterwert, ursprünglicher Kaufpreis oder Marktwert anzusetzen, hinzugerechnet wird eine Pauschale von 3% für Inventar. Schulden und Belastungen können abgezogen werden, ebenso wie die Beerdigungskosten des Erblassers. Der resultierende Endbetrag stellt die Bemessungsgrundlage dar.
2. Anrechnung des Freibetrags
Die Freibeträge für die Erben sind außerordentlich gering und belaufen sich bei Ehegatten, Kindern, Eltern und Großeltern auf jeweils 15.956,87 €. Bei minderjährigen Kindern erhöht sich der Freibetrag für jedes Jahr unter dem Lebensalter 21 um 3.990,72 € (bis maximal 47.858,59 €.)
3. Bestimmung des Steuersatzes
Die entsprechende Tabelle beginnt mit einem Steuersatz von 7,65% (bis 7.993,46 €) und endet bei einem Steuersatz von 34% (ab 797.555,08 €).
4. Berücksichtigung von Vorvermögen
Die Erbschaftssteuer kann sich je nach Verwandtheitsgrad des Erben zum Erblasser und der Höhe dessen Vorvermögens erhöhen. Diese gesetzliche Regelung ist im Falle von nahen Verwandten und einem Vorvermögen unterhalb von 402.687,11 € unproblematisch. Hier lautet der Multiplikator 1,00. Liegt das Vorvermögen darüber (bis 2.007.380,43 €) käme ein Multiplikator von 1,05 zur Anwendung.
Erhebliche Auswirkungen gibt es aber dann, wenn eine Person Erbe wird, die mit dem Erblasser nicht verwandt ist. Dann kommt es grundsätzlich zu einer Verdopplung der Erbschaftssteuer. (Multiplikator mindestens 2,0).
Liegt das Vorvermögen über 2.007.380,43 € kommt ein Multiplikator von sogar 2,10 zur Anwendung.
Nachstehend zwei Berechnungsbeispiele:
1. Erbmasse 500.000 € (Erbe ist Ehefrau):
a) Abzüglich Freibetrag (s.o. 2.): von 15.956,87 € ergibt 484.043,13 €. b) Berechnung Steuersatz (s.o. 3.) Bis 398.777,54 € 80.655,08 €, Restbetrag (85.265,59 €) bei Steuersatz von genau 29,75% 25.366,51 €. 80.655,08 + 25.366,51 € = 106.021,59 €. c) Anwendung Multiplikator Vorvermögen (s.o. 4.) Bei einem Vorvermögen von bis zu 402.687,11 € kommt keine Erhöhung zur Anwendung. ERGEBNIS: Die Witwe muss in Spanien bei einer Erbmasse von 500.000 € eine Erbschaftssteuer von 106.021,59 € zahlen. Das entspricht einem Steuersatz von 21,20 %.
2. Erbmasse 1.000.000 € (Erbe ist Lebensgefährtin)
a) Abzüglich Freibetrag (s.o. 2.): Es gibt keinen Freibetrag.
b) Berechnung Steuersatz (s.o. 3.) Bis 797.555,08 € 199.291,40 €, Restbetrag (202.445 €) bei Steuersatz 43 % 68.831,30 € 199.291,40 € + 68.831,30 € = 268.122,70 €
c) Anwendung Multiplikator Vorvermögen (s.o. 4.) Bei einem Vorvermögen von bis zu 402.687,11 € kommt ein Multiplikator von 2,0 zur Anwendung. Damit verdoppelt sich der Betrag von 268.122,70 € auf 536.245,40 €.
ERGEBNIS: Die Lebensgefährtin muss in Spanien bei einer Erbmasse von 1.000.000 € eine Erbschaftssteuer von 536.245,40 € bezahlen. Das entspricht einem Steuersatz von 53,62 %. Die Erbschaftssteuererklärung muss auf dem Formular (modelo) 650 abgegeben werden. Die Frist beträgt sechs Monate und beginnt mit dem Todestag; sie kann auf Antrag um weitere sechs Monate (allerdings unter Zinszahlung) verlängert werden.
Auch für die Erbschaftssteuer gilt die grundsätzliche Verjährungsfrist im spanischen Steuerrecht von vier Jahren, diese wiederum beginnt mit dem letzten Tag der Frist, an dem die Erklärung abzugeben gewesen wäre, letztlich beläuft sie sich also auf vier Jahre und sechs Monate nach dem Todeszeitpunkt.
Was Sterbefälle im Ausland angeht wurde 2003 ein neuer 2. Absatz in Artikel 25 LISD eingefügt, mit dem Text: „Im Falle von Urkunden, die vor ausländischen Beamten errichtet wurden, beginnt die Verjährungsfrist an dem Zeitpunkt, zu dem die Urkunde der spanischen Verwaltung vorgelegt wird, es sei denn, dass ein internationales Abkommen oder Übereinkommen, das von Spanien unterzeichnet wurde, ein anderes Datum für den Beginn dieser Frist festlegt.“
Der Wortlaut ist zwar alles andere als klar und eindeutig, aber von der früheren Praxis, bei im Ausland verstorbenen Personen einfach die Verjährungsfrist abzuwarten, kann nur abgeraten werden.
Kann man dieser Erbschaftssteuerfalle entkommen? Hier gibt es leider keine pauschalen und allgemeingültigen Antworten: Einrichtung einer Finanzierung mit dinglicher Absicherung auf der Immobilie, Vorwegnahme des Erbfalls durch Übertragung an die Kinder unter Einräumung eines Nießbrauchs sind nur Ideen, die nicht auf jeden Einzelfall passen. Oder soll man die Immobilie gleich auf eine Gesellschaft übertragen? Aber auch das ist keineswegs eine ideale Lösung, denn auch die Gründung und Unterhaltung einer Gesellschaft kostet Geld, auf der anderen Seite zahlen Gesellschaften weder Einkommenssteuer noch Vermögenssteuer; hier ist also eine sorgfältige Vergleichsrechnung zwingend.
Andere hoffen vielleicht auf eine Änderung der Gesetzgebung zur Erbschaftssteuer. Denn hier gibt es derzeit noch die oben beschriebene eklatante Fehlbehandlung zwischen den Residenten der einzelnen Comunidades Autonomas und den Nicht-Residenten.
Spanien wurde von der EU verurteilt, seine Gesetzgebung entsprechend zu ändern, hier läuft das Berufungsverfahren vom 7. März 2012 (Az C- 127/12). Insoweit wird von vielen Beratern viel Euphorie verbreitet, aber man sollte nicht zu früh ein selbst gewünschtes Ergebnis bejubeln; immerhin geht es hier nicht um den Antrag auf Abschaffung der Erbschaftssteuer, sondern vielmehr um eine „Abschaffung von Unterschieden“, die in der Logik eines geldknappen Staates ja auch in der umgekehrten Lösung bestehen kann, nämlich die Erbschaftssteuer auch für Residenten zu erhöhen.
Dr. Armin Reichmann
Rechtsanwalt / Aboga1do
Frankfurt am Main /
Palma de Mallorca
reichmann@dr-reichmann.com
Tel. 971 91 50 40
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