Sahrauische Kinder konnten in diesem Sommer nicht zu ihren Gastfamilien auf die Kanarischen Inseln fliegen
Kanarische Inseln – Das Ferienprogramm „Vacaciones en Paz“ ist für die Kinder in den Flüchtlingslagern in Algerien das Highlight des Jahres. Seit 40 Jahren dürfen Sieben- bis Dreizehnjährige an diesem Programm teilnehmen, das ihnen zwischen Juli und August einen Aufenthalt in Spanien ermöglicht. Auf den Kanarischen Inseln wird „Vacaciones en Paz“ (Ferien in Frieden) vom kanarischen Verband der Freunde des Sahrauischen Volkes, kurz ACAPS, koordiniert. Im vergangenen Jahr verbrachten 147 Kinder im Rahmen dieses Programms den Sommer bei kanarischen Gastfamilien.
In diesem Jahr verhinderte die durch das Coronavirus ausgelöste Gesundheitskrise die Reise der Kinder auf die Kanarischen Inseln, und sie mussten den Sommer unter der unbarmherzigen Wüstensonne verbringen, die das Thermometer in diesem Gebiet Algeriens nicht selten auf 45 bis 50 Grad Celsius klettern lässt. Doch ein eilig aufgestelltes alternatives Ferienprogramm im Flüchtlingslager konnte etwas über die Enttäuschung hinwegtrösten und sorgte für Abwechslung.
Als nach der Erklärung des Alarmzustands im März rasch klar war, dass die Reisen der sahrauischen Kinder in diesem Sommer ausfallen würden, beschäftigte sich ACAPS mit der Aufstellung eines Ferienprogramms in den Flüchtlingslagern. „Das Geld, das wir für die Flüge der Kinder vorgesehen hatten, haben wir in dieses alternative Programm investiert“, berichtet der Präsident von ACAPS, Alberto Negrín. Dadurch konnten die Kinder in den Lagern von Tindouf an vielen Aktivitäten teilnehmen. Auf einer großen Leinwand wurden abends Filme gezeigt, tagsüber fanden Spiel- und Sportwettkämpfe statt, es wurden aufblasbare Hüpfburgen aufgestellt, und in Aufstellpools gab es sogar Planschspaß. Die Kinder wurden in Workshops auch über Corona-Präventionsmaßnahmen aufgeklärt. Zum Abschluss des Ferienprogramms wurden Ausflüge in die sogenannte Freie Zone der Westsahara angeboten, damit die Kinder ihre Heimat besser kennenlernen konnten.
Was dieses Jahr allerdings durch den Ausfall der Reisen auf der Strecke blieb, sind die Gesundheitschecks der Kinder. Zum Aufenthalt der Ferienkinder bei ihren kanarischen Gastfamilien gehört nämlich auch stets ein Besuch beim Arzt bzw. Zahnarzt oder Optiker, um die mangelnde Gesundheitsversorgung in den Flüchtlingslagern auszugleichen. Auch die Versorgung mit einer vitaminreichen Ernährung, die den Kindern während ihrer Ferien auf den Kanaren durch viel frisches Obst und Gemüse während ihres Aufenthaltes zugutekommt, konnte dieses Jahr nicht ersetzt werden.
Für 2021 hegt Alberto Negrín wenig Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Ferienprogramms auf den Kanaren. Trotzdem werde der Verband mit dem Beginn des Schuljahres die Arbeit aufnehmen und alle Möglichkeiten prüfen. Für eine Wiederaufnahme des Sommerreiseprogramms müsse jedoch auf alle Fälle gewährleistet werden, dass die Gesundheitslage stabil und risikofrei ist. Es könne nicht risikiert werden, dass die Kinder das Virus in die Flüchtlingslager einschleppen, die diese Krise bislang mehr oder wenig gut mit nur wenigen Fällen überstanden haben, erklärte Alberto Negrín. „Hoffentlich bleibt das auch so.“
Der vergessene Konflikt
Das Territorium der Westsahara wurde 1975 nach dem Abzug der ehemaligen Kolonialmacht Spanien von Marokko beansprucht und größtenteils annektiert. Die bereits zu spanischen Kolonialzeiten entstandene Befreiungsfront der Saharauis, „Frente Polisario“, kämpft seither für einen unabhängigen Staat. Der bewaffnete Konflikt, der Tausende Saharauis zur Flucht nach Algerien zwang, wurde 1991 mit einem Waffenstillstandsabkommen beendet. Die von den Vereinten Nationen geforderte Durchführung eines Referendums über den endgültigen völkerrechtlichen Status des Gebietes Westsahara kam bis heute nicht zustande.
Heute leben immer noch über 180.000 Saharauis in den Flüchtlingslagern nahe der Stadt Tindouf in der Algerischen Sahara. Sie sind beinahe vollständig von Hilfslieferungen abhängig.
Die Flüchtlingscamps wurden nach Städten der Westsahara wie El Aaiún, Auserd, Smara und Dajla benannt. Einige Bewohner leben seit über 30 Jahren dort. Die Jüngsten sind die dritte Generation der Flüchtlinge, die noch nie ihre Heimat gesehen haben.