FestibAAm mit Filmpremiere


© León W. Schönau

Deutsch-kanarische Korrespondenz aus Berlin

Berlin zieht auch im grauen und nasskalten November alle an, die Kultur im weitesten Sinne lieben. Neben fast tausend Veranstaltungen pro Tag und Abend in der Metropole werben derzeit rund zehn Festivals aller Art um die Aufmerksamkeit der Kulturfans. Darunter das FestibAAm, mit der auffälligen Schreibweise der beiden „A“.

Berlin – Dahinter verbirgt sich das Iberoafroamerikanische Kulturfestival, vor acht Jahren in Köln geboren, dann sich bis nach Bonn und Frankfurt/M ausdehnend, dann expandiert und expandiert… und nun endlich mit einem fulminanten spanischen Filmangebot vom 2.11. bis 4.11. im Melting-Point „Kult-Kino Babylon“ in Berlins Mitte gelandet. Nicolás De la Barreda Molina und sein Team haben es geschafft, mit den zwei bekanntesten kanarischen Regietalenten, Dunia Ayaso und Félix Sabroso, zugleich ein Filmpaket ihrer nicht nur in Spanien bewunderten und geschätzten Filme mit nach Berlin zu bringen, das sich sehen lassen konnte.

Das begann schon mit der Deutschland-Premiere von „La isla interior“ (Die innere Insel), jenem Spielfilm von 2009, inzwischen mehrfach preisgekrönt, der als der große Metaphernfilm für die psychologisch-sensible Darstellung des in sich gekehrten Lebens einer ganzen Familie steht. Herkunft und Zukunft, Erziehung und Entziehung, himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, verstehend und verstörend… all das umfasst die einen in den Bann ziehende Geschichte der Geschwister Gracia, Martín und Coral und ihrer Eltern, in der auseinander strebende und zugleich sich gegenseitig anziehende Interessen und Motive aller Mitspieler das eigentliche Faszinosum ausmachen. Geraldine Chaplin in diesem Film (wieder) in einer authentischen Altersrolle als Mutter, dazu die äußerst glaubwürdig agierenden Antonio de Torre, Candela Peña, Alberto San Juan und Christina Marcos. Begeisterter Applaus von Publikum an beiden Vorführabenden!

Ein zweiter ebenfalls Aufsehen erregender Film des gleichen kanarischen Mann-Frau-Regietandems, „Los años desnudos“ (Die nackten Jahre) (2008), entwirft ein intimes zeitgeschichtliches Bild aus den Vorgängen um die Befreiung der Sexualität von Puritanismus, Verschweigen, Muff und Verkrampfung in der sogenannten postfrankistischen Zeit Spaniens („Transition“, 1978-1983). Lina, Sandra und Eva, drei attraktive Frauen arbeiten  in eben dieser  Zeit nur noch für sogenannte „Classificado-S“-Filmproduktionen Spaniens, die ersten Erotikfilme, die damals überhaupt gedreht wurden. Sie verkörpern zugleich das Aufwachen Spaniens aus einer langen Lethargie, erleben dabei aber auch alle Facetten der Unterdrückung, Niederlagen, des flüchtigen Erfolges und der Gefahr, am Ende als liegengebliebenes, kaputtes Spielzeug zu landen.

Alle Filme liefen mit temporeichen, gut gesetzten englischen Untertiteln, die dem gesprochenen Spanisch durchaus adäquat waren und immer noch Zeit ließen, etwas fürs eigene spanische Sprachverstehen zu tun.

Für Fans der Regiearbeiten der beiden kanarischen directores (die übrigens von sich selbst behaupteten „unser Leben ist reines Theater“) gab es noch weitere, sonst in Berlin nicht zu sehende Leckerbissen, wie „El grito en el cielo“ (Shout out), „Descongélate“ (Chill out), „Perdona bonita pero Lucas me quería a mí“ (Sorry, Liebling aber Lucas liebte mich). Insgesamt also ein neues tragfähiges festivalito für die überfüllte Festivalstadt, das genügend Berliner Cineasten in seinen Bann schlug und das wir auch deswegen gern für das nächste Jahr hier wieder erwarten.

Weitere Infos im Internet  unter: www.festibaam.eu

León W. Schönau

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