Gedanken anlässlich eines Jubiläums


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

In diesen Tagen feiern wir hier auf Teneriffa den 40. Gründungstag der Deutschsprachigen Katholischen Gemeinde. Wenn man ein solches Jubiläum feiern darf, dann richtet sich der Blick nicht nur zurück zu den Anfängen, sondern es sollten auch die Fragen erlaubt sein: Was ist uns denn heute wichtig? Wie wollen wir Kirche gestalten und unseren Glauben leben? Bis hin zu der Frage: Kann sich Kirche heute überhaupt noch den Luxus leis­ten, eine Touristengemeinde zu unterhalten? Diese Überlegungen möchte ich in den folgenden Zeilen gerne öffentlich machen:

Viele Menschen, mit denen ich hier ins Gespräch komme, tun sich schwer mit den Veränderungen in der Kirche, die sie vielfach derzeit zu Hause erfahren. Da werden Pfarreien zusammengelegt und sie müssen sich den Pfarrer und die hauptamtlichen Dienste mit anderen Kirchengemeinden teilen. Es gibt Einschränkungen bei der Zahl der sonntäglichen Messfeiern und man versucht sich an andere Liturgieformen zu gewöhnen. Kirchen – einst oft liebevoll gepflegt und mit viel Spendengeldern der Gemeindemitglieder saniert und restauriert – werden der Profanierung zugeführt, weil die Geldmittel zur Unterhaltung genauso fehlen, wie das pastorale Personal oder auch die Menschen, die das Gebäude mit Leben füllen. Viele ortsspezifische Traditionen fallen weg, weil dafür im größeren Verbund oder in der Seelsorgeeinheit kein Platz und kein Raum mehr ist. So verändert sich Kirche vor Ort und für viele ist es nicht leicht dabei zuzusehen, wie Altes vergeht, vor allem dann nicht, wenn es einem lieb und mehr als vertraut ist.

Nun hat sich unsere Kirche durch all die Jahrhunderte hindurch immer wieder verändert. Und das ist und das war auch gut so. Schließlich muss sie den Menschen und der Gesellschaft ja immer wieder neu Antworten geben auf das, was sie bewegt und was ihnen sprichwörtlich „unter den Nägeln brennt“. Dass sie dabei oft selbst einen Wandlungsprozess durchläuft oder auch durchlaufen muss, bleibt nicht aus. Allerdings sollten wir in der derzeitigen Situation nicht in Resignation verfallen, sondern eher die Chance zum Aufbruch entdecken! Die frohe Botschaft Jesu enthält doch etwas fundamental Neues, was die Menschen damals einerseits verunsichert, aber auch bewegt und mitgerissen hat. Und weshalb kann das heute nicht auch so sein? Warum sollten wir nicht lernen, wieder eine missionarische, eine anziehende und einladende Kirche zu werden? Eine Kirche, die ihren Glauben „zeitgerecht“, aber nicht „zeitangepasst“ lebt?

Und genau da wird für mich jetzt auch ersichtlich und klar, dass bei allen Sparmaßnahmen und Strukturveränderungen, die Kirche auf bestimmte Kategorien der Seelsorge nicht verzichten darf – z.B. auch nicht auf die Residenten- und Urlauberseelsorge. Wir wissen doch: Glaube kommt nicht von selbst, sondern er wächst in Gemeinschaft. Vielfach können Menschen aber an ihrem angestammten Ort an dieser kirchlichen Gemeinschaft gar nicht mehr teilhaben, weil es berufliche oder andere Umstände vielfach nicht zulassen. Für solche Menschen wird aber oftmals der Urlaub zu dem Ort, an dem sie nicht nur entspannen und zu neuen körperlichen Kräften kommen, sondern an dem sie auch die Zeit und die Muße haben, über fundamentale und existentielle Fragen ihres Lebens und auch ihres Glaubens nachzudenken. Dass dann die Kirche vor Ort ist und sich als Ansprechpartner ins Spiel bringt, ist von ungeheurer Wichtigkeit. Denn so besteht nicht nur die Chance, Menschen auf ihrem sehr persönlichen Lebens- und Glaubensweg zu begleiten, sondern ihnen vielleicht auch ein anderes Bild von Kirche zu vermitteln, wie sie es von zu Hause her kennen und mit dem sich viele oftmals sehr schwer tun. Dass Seelsorge etwas mit Beziehung und Beziehungsarbeit zu tun hat, das wird vielen erst in solchen Situationen bewusst.

Oder modern ausgedrückt: Kirche – auch und gerade am Urlaubsort – ist wie ein „Call-Center“, bei dem Menschen eine „Hotline“ schalten können zu den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, aber auch zu all denen, die sich da als Gemeinschaft der Christen „outen“ und zusammenfinden. Wer Hilfe braucht, wer ein Gespräch nötig hat oder einfach, wer Gemeinschaft mit anderen erleben und erfahren will, der soll sich hier gut aufgehoben wissen. Als Urlaubsgemeinde von Teneriffa möchten wir eine verlässliche Haus- und auch Telefonnummer für viele sein, die einen Neuanfang machen möchten, die sich verlassen fühlen, die gleichgesinnte Menschen suchen. Und dabei geht es nicht um ein abgefertigt werden im Sekundentakt oder ein Ausharren in der Warteschleife wie, sondern hier geht es um ein verstanden, angenommen und gehalten werden – im Sinne von Aufmerksamkeit, Zuwendung und Liebe, die Gott jedem von uns schenkt.    

Kirche in der Veränderung, im Aufbruch – der pastorale Raum „Urlaub“ kann zeigen, wozu Kirche heute fähig ist und er kann Impulse setzen, für „Kirche-Sein“ zu Hause.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder www.wochenblatt.es

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