Gefragt ist echte Gemeinschaft


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Was haben die Menschen eigentlich gemacht, als es noch kein Telefon, kein Radio, kein Fernsehen, kein Kino und keine Computer gab? Als das Internet noch nicht vorhanden war und auch keine Handys allüberall bimmelten oder die seltsamsten Musiktöne von sich gaben? So mancher Jugendliche fragt sich das heutzutage allen Ernstes.

Es ist ja auch kaum zu glauben, dass es vor rund drei Generationen all diese Medien noch nicht gab, die heute unseren Alltag – sowohl im privaten wie im geschäftlichen Bereich – so sehr prägen. Stattdessen traf man sich in Vereinen und las eifrig die vielfältigsten Zeitungen und Magazine. Aber heutzutage, da erfahren wir durch die Medien doch in einem Jahr wesentlich mehr von der Welt und den Menschen, als unsere Vorfahren früher in einem ganzen Leben.

Aber was ist das eigentlich für eine Erfahrung? Es ist eine Medienerfahrung, sprich eine vermittelte und keine unmittelbare, keine persönliche Erfahrung. Erschütternde Erlebnisse wie Kriege, Krankheiten und auch der Tod gehen uns, wenn uns die Medien damit konfrontieren, doch weit weniger unter die Haut, als wenn wir sie direkt und am eigenen Leib erfahren müssen. Viele Menschen spüren das Problem: Bei aller Notwendigkeit und auch Unentbehrlichkeit (wer von uns möchte sich wirklich wieder Jahre und Jahrzehnte zurückversetzen lassen) der modernen Medien – wer sein Leben zu stark davon bestimmen lässt, der lebt es eben aus zweiter Hand und nicht mehr unmittelbar. Er vereinsamt vor dem Bildschirm des Fernsehgerätes, des Laptops oder des PC’s. Denn die Begegnung von Mensch zu Mensch bleibt auf der Strecke. Auch wenn das Internet eine willkommene Kontakt-, Partner- oder auch Singlebörse ist: Für viele spielen heutzutage auch die Familie, der Freundeskreis, das Kollegenteam, die Gruppe oder der Verein eine wichtige Rolle. Nicht Medienkontakte allein sind gefragt, sondern eben immer auch noch die Begegnung von Mensch zu Mensch, von Angesicht zu Angesicht. Es wird also nicht nur Kommunikation gesucht, sondern auch Communio, Gemeinschaft mit anderen.

Communio ist auch das Stichwort der Kirchen und unseres christlichen Glaubens. Auch bei Jesus zieht sich diese Communio wie ein roter Faden durch seine ganze Botschaft. Zunächst macht er seine Freun­dinnen und Freunde mit seiner einzigartigen und unauflöslichen Gemeinschaft mit dem Vater vertraut. Vom Vater ist er ausgegangen, den Willen des Vaters hat er verkündet und auch erfüllt – zum Vater kehrte er auch wieder zurück. Nicht ohne uns vorher deutlich zu machen, wie wir diesen Weg zum Vater finden können. Damit hat er aber in seinem Freundeskreis eine neue Form von Gemeinschaft begründet, die eben alles übersteigt, was Menschen bisher an Kommunikation untereinander zu Stande gebracht haben. Das Neue Testament macht mit mehreren Bildern diese Gemeinschaft mit Jesus Christus und untereinander deutlich und anschaulich: Wir sind die Glieder an seinem Leib und er ist das Haupt;  er ist der Weinstock und wir sind die Reben an ihm; wir sind die Herde, und er ist der gute Hirte.

Leben in dieser Communio bedeutet: Einer trage des anderen Last; jede/r ist der/die Diener(in) des/der anderen. Da wir alle einen gemeinsamen Vater haben, sind wir untereinander Schwestern und Brüder. Aber sind wir es wirklich? Wo wird denn heute in der Kirche diese vom Evangelium vorgegebene Communio deutlich und sichtbar? Ist sie nicht eine weithin noch ungelöste Aufgabe? Lassen sie nicht auch Christen heute voneinander trennen durch Nationalismus, Rassismus und Abneigung gegenüber allem, was fremd erscheint oder eine andere Meinung vertritt?

Welcher Weg uns von Jesus diesbezüglich gewiesen ist, kann uns vielleicht das kleine Gleichnis von den zwei Eisblö­cken verdeutlichen: Das Verhältnis zwischen ihnen war sehr kühl. Der eine dachte: Wenn der andere nicht mal auftaut, taue auch ich nicht auf! So taute eben keiner von beiden auf und sie blieben in sich vereist. Eines Tages sah einer von den Eisblöcken, dass die Sonne schien und er zu schmelzen begann. Auch der andere Eisblock machte an sich die gleiche Beobachtung. Da flossen sie aufeinander zu und begegneten sich. Zwar spürten sie immer noch die Kälte, aber nicht mehr die Einsamkeit. Sie fanden, dass sie einander nötig hatten und zusammenbleiben müssten. Kinder kamen, ließen ihre Schiffchen auf dem fließenden Wasser fahren und freuten sich. Diese Freude spiegelte sich in ihnen wie die Sonne im Wasser.

Ich wünsche Ihnen und mir die Erfahrung – und das nicht nur im Urlaub -, dass die Sonne der Liebe Gottes auch bei uns das Getrennte wegschmelzen und echte Gemeinschaft wachsen lassen möge.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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