Geld und gute Worte


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Es soll ja heutzutage noch Menschen geben, die stolz darauf sind, in ihrem Leben noch nie eine Aktie erworben zu haben. Für viele von ihnen gilt: Was mit Wirtschaft und Finanzen zu tun hat, das ist doch nur verdächtig.

Sie sagen, davon verstünden sie nichts und deshalb wollten sie damit auch nichts zu tun haben. Für diese Menschen scheint das Thema „Geld“ wirklich zu den wenigen, noch verbliebenen Tabu-themen unserer Zeit zu gehören.

Dabei frage ich mich: Wieso ist das so? Fachleute haben dieses Phänomen untersucht und nennen gleich mehrere Ursachen dafür. Zum Beispiel: Viele Menschen empfinden es als unangenehm, offen über Geld zu reden. Das Gespräch über Geldmangel löst oft Schamgefühle aus, das Reden über zu viel Geld mache neidisch. Deshalb sei das Thema Geld, so die Untersuchung, eher ein Teil der ganz persönlichen Intimsphäre. Außerdem gelte es als oberflächlich und moralisch mehr als fragwürdig, sich zu intensiv mit dem Thema Geld zu beschäftigen. Wer finanziell clever und erfolgreich ist, gerate nämlich leicht in den Verdacht, andere zu übervorteilen oder andererseits auszunehmen.

Nun könnten ja wir Christen uns auf so manches fromme Wort berufen, um eine eventuelle Unsicherheit im Umgang mit Geld zu rechtfertigen. Hat nicht Jesus selbst gesagt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“. Und sein Rat „seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ – könnte der nicht auch für den Umgang mit den Finanzen gelten? Und wenn uns geraten wird: „Wenn du Almosen gibst, lass es nicht vor dir herposaunen … sondern deine linke Hand soll nicht wissen, was deine rechte tut“, dann werden ja keineswegs diejenigen als moralische Vorbilder hingestellt, die von Wirtschaft und Finanzen keine Ahnung haben. Nein, aus biblischer Sicht ist Geld weder gut noch böse. Entscheidend ist allein, wie ein Mensch über Geld denkt: Ob es zu einem guten Leben hilft. Und gut ist das Leben doch immer dann, wenn man es mit anderen teilen kann. Almosen geben – oder wie wir heute sagen „spenden“ – das kann man aber nur, wenn man auch Geld zum Spenden hat. 

Deshalb finde ich, kann man über den erarbeiteten Wohlstand, sowohl den persönlichen als auch den einer ganzen Nation, schon stolz sein. Die Frage ist nur: Wem soll das alles dienen? Wer soll einen Vorteil davon haben? Wem hilft, wem nützt der ganze Reichtum? Und wofür soll er eingesetzt werden? Ist er wirklich „nur“ ein Symbol für das, was ich in den Augen der Menschen wert bin? Bin ich das, was ich besitze? Dient für mich wirklich nur als Zielvorgabe, was eine Bankenwerbung mal so ausgedrückt hat: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Pferd..?“ Wer gesund bleiben will, muss sich diesen Fragen stellen. Denn wenn mein Selbstwert wirklich nur davon abhängt, was ich besitze, dann werde ich immer in Angst und Sorge leben. Ist der Besitz zu klein, dann fühle ich mich auf Dauer unterlegen; ist er zu groß, habe ich stetig Angst, ihn zu verlieren.

Das haben die Menschen schon in früheren Zeiten gewusst. Erinnern Sie sich an die Sage vom Lebensschicksal des Königs Midas? Dieser wollte über alle Maßen reich sein; niemand sollte mehr Gold besitzen als er. So wünschte er sich, dass alles, was er anfasste, zu Gold wurde. Und siehe: Sein Lebenswunsch wurde ihm gewährt. Alles, was er berührte, wurde zu purem Gold. Doch merke: In all diesem märchenhaftem Reichtum ist er schlichtweg verhungert. An seinem Gold ist er gestorben; denn Gold kann man nicht essen. Als er das merkte, war es schon zu spät. Nicht nur die Gemeinschaft hat er zerstört, sondern letzten Endes sich selbst. Ja, man kann sterben, wenn man alle sich bietenden Möglichkeiten nutzt. Denn Reichtum mag zwar beruhigen, aber er macht nicht satt.

Gegen diese Grund- oder auch Verlustangst, es könnte einmal nicht mehr reichen, setzt Jesus das Vertrauen. Gegen die Sorge, das Leben würde seine Berechenbarkeit verlieren, lädt er uns ein, sich auf ihn einzulassen. Teilen und Anteil geben, das hilft dabei. So ist man offen für Gott und die Menschen und gewinnt darüber die eigene Lebendigkeit zurück. Das zumindest verspricht Jesus jeder/m, die/der es probiert. Wo jemand aus seiner berechnenden Grundhaltung nicht mehr herausfindet, da sagt er: Du kannst dir mehr Freiheit leisten, als du glaubst. Du darfst vertrauen. Lass nicht die Angst deinen Ratgeber sein. Denn Angst und Habgier vernebeln die Sinne. Aber wer vertraut, der kann klar denken.

Um dieses klaren Denkens Willen sollten wir Christen uns in Sachen Geld und Wirtschaft sachkundig machen. Es ist für mich kein Ausweis besonderer Frömmigkeit, wenn man Geld und Wirtschaft verteufelt. Vielmehr sollten wir die richtigen Fragen stellen: Nach welchen Maßstäben bemisst sich der Erfolg einer Geldanlage? Wie ist der Gewinn eines Unternehmens zustande gekommen und wie wird investiert? Ist wirtschaftlicher Erfolg nicht immer eine Gemeinschaftsleistung aller Beteiligten?

Wenn wir uns als Christen diese Fragen stellen, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass Gott von uns will, dass wir achtlos wegwerfen oder nicht nehmen, was uns zusteht auch in Sachen Geld. Denn dann dient dieses ja nicht nur uns, sondern durch unser Teilen auch anderen zum Leben.

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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