Gleichwertige Geschöpfe


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Wann ist ein Mensch glücklich und wann ist er es nicht? Der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard weiß diesbezüglich folgende Antwort: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“, so sein Erklärungsversuch.

Und in der Tat, wenn ich den Alltag von uns Menschen so betrachte, dann hat er recht. Wie meinte unlängst ein älterer Herr: „Im Grunde könnte ich ja ganz zufrieden sein. Ich bin gut versorgt, und wenn ich meine Tabletten nehme, dann komme ich auch mit meiner Erkrankung ganz gut zurecht. Aber immer wenn ich dann meinen Nachbarn sehe, wie der noch rumspringt und fit ist, was der noch so alles tagtäglich angeht und meistert, da bin ich dann schon ein wenig verbittert.“ Wie sagte Kierkegaard? „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit .“ Oder um es in den Worten des bekannten Dirigenten Kurt Böhm zu sagen: „Glück ist ein Maßanzug. Unglücklich sind alle, die den Maßanzug eines anderen tragen möchten.“

Nun ist allerdings – wer mag dem widersprechen – unser ganzes Leben vom Vergleichen und auch Sich-Vergleichen bestimmt. Wenn wir z.B. etwas kaufen wollen, dann vergleichen wir wie selbstverständlich die Preise. Und natürlich vergleichen wir auch die Qualität einer Ware oder die Urlaubsangebote im Reisekatalog. Nur – und da fängt eben das Dilemma dann spätestens an – oft vergleichen wir nicht nur etwas, also eine Sache, sondern wir vergleichen uns selbst: Ich mit meiner Person, so wie ich nun mal bin – ich vergleiche mich mit den anderen, und häufig genug fällt dann das Vergleichen zu meinen Ungunsten aus. Die anderen schneiden besser ab, weil sie gewandter und attraktiver sind, weil sie sich in vielen Belangen fähiger und ideenreicher geben. So glaube ich es zumindest oder so ist mein subjektiver Eindruck, gleichgültig ob das nun in der Realität tatsächlich so ist oder auch nicht. Tja und dann? Dann fängt sie an, meine Unzufriedenheit. Was bisher eigentlich ganz gut für mich war, das ist auf einmal nicht mehr gut genug. „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks – unglücklich sind alle, die den Maßanzug eines anderen tragen möchten.“

Das Wort Jesu: „Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Schwestern und Brüder“ – dieses Wort Jesu ist eigentlich die beste Antwort auf die Urgefahr von uns Menschen, sich durch falsche Vergleiche das Leben immer und immer wieder schwer zu machen. Oder die bekannte Frage aus dem alttestamentlichen Buch Maleachi: „Und wir, haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns alle gleich geschaffen?“ Das heißt doch nichts anderes als: Wir sind alle gleich wert und gleich wichtig – wenigs­tens vor Gott, und darauf allein kommt es doch an – oder nicht? Ob Chefarzt oder Hilfsarbeiter, ob Bankdirektor oder Putzhilfe, ob Millionär oder Hartz-IV-Empfänger. Sicherlich: Da mag es einen Unterschied, sogar einen eklatanten Unterschied auf dem Konto bei der Bank geben, aber eben nicht im Ansehen und in der Wertschätzung durch Gott. Ob jemand in guten Beziehungen lebt oder allein dasteht, ob jemand den Alltag mit Bravour meistert oder voller Probleme steckt – da mag es sicherlich einen Unterschied im Lebensgefühl geben, aber nicht im Ansehen und auch nicht in der Wertschätzung durch Gott. Es gibt einen Lebensbereich, da ist dieses dumme Vergleichen einfach fehl am Platz: Die anderen sind besser als ich! – und das ist der Bereich meiner Gottesbeziehung.

Merken Sie, welch befreiende Alternative der Glaube in einer Welt darstellt, die in Oben und Unten eingeteilt ist, in Erfolgreich und Gescheitert, in Leistungsfähig und Leistungsschwach? Gegen-über Gott stehe ich nicht unter diesen oft rein äußeren Zwängen. Vor ihm darf ich so sein, wie ich bin, mit meinem guten Willen aber auch mit meinen Schwächen. Und der andere oder die andere, sie dürfen es auch. Das aber ändert doch die Sicht ganz gewaltig; sowohl auf das eigene Leben als auch auf das der anderen. Die anderen sind nämlich nicht mehr nur augenscheinliche und offen zu bekämpfende Konkurrenten; nein, sie werden für mich vielmehr zu Schwestern und Brüdern. Und weshalb? Weil wir eben alle – und zwar ohne Ausnahme – gleichwertige Geschöpfe des einen Vaters sind.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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