Gott und das Internet


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Haben Sie schon mal versucht, Gott im Internet ausfindig zu machen? Wer es versucht, der muss sich oft an ganz verschiedenen anderen Verbindungen wie „Gottschalk“ oder „St. Gotthard“ vorbeisurfen. Erst dann kann er endlich feststellen, dass „Gott“ auf weit mehr als 170.000 deutschen Webseiten auftaucht.

Doch vielleicht denken Sie jetzt: Wer wird denn schon im Internet nach Gott suchen? Sicherlich: Seit WikiLeaks sucht man vielleicht noch nach einem Mehr an Informationen über bestimmte Personen, Vorgänge der Politik oder was auch immer. Aber Gott im Internet? Zwischen all den schönsten Bildern eines Michelangelo und den brutalsten Auswüchsen der Gewalt, zwischen Liebesschwüren und widerlichsten Formen des Sex? 

Und trotzdem bin ich der Überzeugung: Gott lässt sich im Internet finden! Natürlich weiß ich dabei auch, dass die traurigste Mail, die mich erreicht, nie von einer Träne berührt sein kann oder nie von einem Lachen geküsst. Aber steht das World-Wide-Web nicht auch für die Sehnsucht des Menschen nach Kommunikation, nach Verbindung im wahrsten Sinne des Wortes und damit zugleich für seine große Angst vor der Einsamkeit und Verlassenheit? Steht das weltweite Netz nicht auch für unser aller Suche nach Dingen und Menschen, die uns bleiben und die uns wenigstens das Gefühl der Geborgenheit schenken können? 

Der Surfer durch das Internet ist letztlich einsam. Er ist es sogar noch im Chatroom, wenn er vorgeblich mit anderen kommuniziert. Aber er bleibt auf der Suche. Und dort, wo er fündig geworden wäre, da stellt es ihn eben nicht auf Dauer zufrieden. Genau diese unerfüllte Suche ist für mich aber wie eine Chiffre für Gott. Alles, was der Mensch erfunden hat – das konnte er nur finden, weil Gott es zuvor versteckt hatte: Das Feuer, das Rad, den Motor, den PC. Und all diese Dinge haben ihre positiven Seiten. Dazu gehört auch das Internet. Denn überall, wo etwas Kreatives, etwas Positives in Erscheinung und damit auch in unser Leben tritt, muss Gott in der Nähe sein. Alles hat mit ihm zu tun. Also: Wenn wir nur sehen wollen, dann können wir Gott auch im Internet entdecken.

Geht nicht jede Erfindung vom Hirn des Menschen aus? Und dieses Hirn ist nicht nur in der Lage, alles Mögliche in die Welt zu setzen, es ist auch in der Lage, auf die Idee zu kommen, dass Gott, dass ein Funke von seiner Unendlichkeit in uns existiert und in allem, womit wir in Berührung kommen. Natürlich sind wir auch in der Lage, diesen Gott zu leugnen. Aber egal ob so oder so: Wir kommen ohne diesen Begriff „Gott“ nicht aus. Selbst wer Gott leugnet, hat noch mit ihm zu tun. 

Dabei will ich die Gefahren des Internet in keinster Weise leugnen. Aber hat man uns früher nicht auch vor dem elektrischen Strom gewarnt oder vor der Eisenbahn? Freilich weiß ich, dass ein Kuss durch das Telefon nicht ebenso lustvoll erfahren wird, wie der Kuss, den wir dem geliebten Menschen auf die Lippen drücken können. Und natürlich spüre ich, dass mich eine virtuelle Umarmung nicht so anmacht wie ein leibhaftiges Festhalten. Aber doch haben Telefon und Internet viel dazu beigetragen, dass Menschen sich näherkommen und einander nahe sein können. 

Warum sollen wir uns nicht darauf einlassen, dass in den Leitungen von Telefon und Internet die Schwingungen Gottes spürbar sind? Dass er an allem Anteil nimmt, was uns bewegt, antreibt und umtreibt? Gott ist doch immer da, wo Leben und wo Bewegung ist. Und deswegen habe ich keinerlei Schwierigkeiten, ihm im Internet zu begegnen. Wer Gott nur als etwas Festes, Unbewegliches, Ewiges im schlechtesten Sinne des Wortes sehen kann – als einen Gott ohne Phantasie und Überraschungen, der beweist doch nur, dass er sein eigenes Herz nicht kennt. Unser Herz aber ist doch voll von Wünschen und Sehnsüchten, von Plänen und Hoffnungen, Erwartungen und Glücksgefühlen – selbst nach größten Enttäuschungen. Überall dort ist unser Gott verborgen, von dem es heißt: er hat ein Herz für die Menschen. 

Wer im dritten Jahrtausend dem Menschen begegnen will, wird es zunehmend auf dem Marktplatz des Internet tun. Hier werden die schönsten und die schlechtesten Gedanken und Gefühle der Menschen auf den Bildschirm kommen. Hier erfahren wir alles, was in unseren Herzen brodelt und was unsere Sehnsucht treibt. Der Mensch dieses Jahrtausends ist ein Mensch des Internet – gar keine Frage. Aber noch lange bevor wir alle Möglichkeiten ergründet und ausgenützt haben, um zu Neuem voranzuschreiten, ist Gott schon immer vor uns da. Das beruhigt mich und das ist eine Verheißung, mit der ich gut leben kann.

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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