Hilfsbereitschaft versus Prunksucht


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Eine religiöse Gemeinschaft und ein Erzbischof rangeln um wertvolle Barock-Gobelins

Der Erzbischof von Madrid ist auf dem besten Wege, sich und sein Kirchenamt ganz und gar unglaubwürdig zu machen. Seit Jahren bemüht er sich mit Nachdruck und unter Einschaltung sämtlicher gerichtlicher Instanzen, der kleinen christlichen Gemeinschaft Santa Rita de Casia dreiundzwanzig wertvolle Gobelins entschädigungslos wegzunehmen, um mit ihnen die Almudena-Kathedrale in der spanischen Hauptstadt zu schmücken.

Madrid – Die Gemeinschaft Santa Rita de Casia wehrt sich beharrlich gegen diesen Eingriff aus der Kirchenhierarchie, nicht nur um ihre Rechte zu wahren, sondern vor allem, weil sie die Einkünfte, die sie aus dem gelegentlichen Verleih der Wandteppiche an Ausstellungen bezieht, für ihre Arbeit zum Schutz misshandelter Frauen unbedingt braucht (um ca. 8.000 Euro pro Kunstwerk). Zu eben diesem Zweck hatte die Stifterin dieses einzigartigen Gobelin-Schatzes, dessen Vorlagen von großen Barock-Künstlern wie Rubens und Karel van Mander dem Jüngeren stammen, die Glaubensgemeinschaft in ihrem Testament so großzügig bedacht. Victoriana Oliva, eine millionenschwere Geschäftsfrau aus dem Madrid des 19. Jahrhunderts, war selbst einst Opfer von Misshandlung gewesen und unterstützt seit 1869 auf diesem Wege bis heute ihre Leidensgenossinnen. Oder besser gesagt, bis dem Erzbischof von Madrid durch eines seiner Schäfchen die Kunde von den Kunstschätzen zugetragen wurde, welche die kleine Glaubensgemeinschaft da für die Hilfe an den Mühseligen und Beladenen verschwendet. Denn seit der Erzbischof per Dekret und zahlreichen Gerichtsverfahren seine Hand nach den Gobelins ausgestreckt hat, können sie, bis der Streit geklärt ist, nicht mehr verliehen werden.

Die Geschichte der Auseinandersetzung mutet wie ein Rückfall in die Feudalherrschaft an. Nachdem sich die Gemeinschaft Santa Rita de Casia der Forderung des Erzbischofs Rouco, die Gobelins auszuhändigen, verweigert hatte, erklärte dieser die Gemeinschaft im Jahr 2004 kurzerhand per Dekret und gegen den Willen der Mitglieder für aufgelöst. Er meinte diese Befugnis zu haben, weil es sich um eine religiöse Gemeinschaft handle. Dies obwohl Santa Rita tatsächlich eine zivilrechtliche Vereinigung ist, so wie es schon im 19. Jahrhundert die spanische Königin Isabella II. verfügt hat.

Der Erzbischof stützt seinen Machtanspruch auf eine Namens- und Satzungsänderung der Gemeinschaft aus dem Jahr 1993, die er selbst damals unter Missachtung der bestehenden Satzung vorgenommen hatte, just nachdem er von der Existenz der wertvollen Wandteppiche erfuhr. Geschrieben, nach der Darstellung des Vorstands von Santa Rita sogar gefälscht, offenbar zu dem einzigen Zweck, die Gobelins in die Hand der Kirche zu bringen und sie in der soeben neu eingeweihten „Almudena“ auszustellen.

Nach einem langen Weg durch die kirchlichen Tribunale in Rom, erklärte man dort das Dekret des Erzbischofs zur Auflösung der Glaubensgemeinschaft für gültig. Ein Zivilgericht in Madrid folgte jedoch dieser Einschätzung nicht und stellte den zivilrechtlichen Status  fest, ein anderes befand, rechtmäßiger Eigentümer sei laut dem eindeutigen testamentarischen Willen der Stifterin die Gemeinschaft Santa Rita. Die entscheidende Stelle des Testaments lautet: „ … ich vermache den Utrechter Samt (gemeint sind die 23 Gobelins) der Kongregation Santa Rita … und sie dürfen nicht veräußert werden …“. 

Die nächsthöhere Instanz wiederum gab dem Erzbischof recht und sprach ihm das Eigentum an den auf einen Wert von zwei bis drei Millionen Euro geschätzten Wandteppichen zu, obwohl dieser, außer seinem eigenen Dekret, kein einziges Dokument vorlegen konnte, das seinen Anspruch untermauert hätte. So geht der Fall nun in der nächsten Instanz zum Obersten Gerichtshof.

Der hartnäckige Widerstand der kleinen Glaubensgemeinschaft ist vor allem dem Durchhaltevermögen seiner Präsidentin Rosa Barranco zu verdanken. Die 43-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin hat für die Gerichtskosten mittlerweile schon 50.000 Euro aus eigener Tasche ausgelegt. Auch mit ihr persönlich wird in diesem brutalen Streit alles andere als zimperlich umgegangen. Schriftlich wurde sie schon als „akut Schizophrene“ bezeichnet, und bei einem Zusammentreffen zog der Erzbischof demonstrativ seine schon ausgestreckte Hand zurück, als er ihr gegenüberstand.

Nun wendet sich Santa Rita mit einer Petition direkt an Papst Franziskus um Hilfe. Auf der Website change.org sind mittlerweile schon 105.000 von 150.000 angestrebten Unterschriften gesammelt worden, die dieses Ersuchen unterstützen.

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