Immigration im Blickpunkt – das Drama wird zum Alltag


© CajaCanarias

Während in Santa Cruz die Kulturreihe „Enciende Africa“ begann, trafen unaufhörlich Flüchtlingsboote in den kanarischen Häfen ein

Während in Santa Cruz im Rahmen der Kulturreihe „Enciende Africa“ der CajaCanarias in der ersten Gesprächsrunde der Frage „Warum wandern die Afrikaner aus?“ auf den Grund gegangen wurde, traf im Hafen von Arguineguín im Süden Gran Canarias das sechste Flüchtlingsboot der Woche ein. Fast wirkt die Initiative der kanarischen Sparkasse schizophren.

Doch vielleicht gibt gerade die tägliche Realität, die sich in dieser Kulturreihe über den schwar-zen Kontinent und seine Probleme widerspiegelt, der Thematik das notwendige Gewicht.

Nahezu zeitgleich mit der Eröffnung einer Ausstellung des Fotoreporters Juan Medina, die unter dem Titel „El Muro del Atlántico“ mit Bildern von toten Bootsflüchtlingen die dramatischste Seite der illegalen Immigration zeigt, kam auf Teneriffa ein Cayuco mit 56 Personen an, darunter zwei Tote.

Das Drama wird zum Alltag, und dass diese Nachricht in den Medien teilweise nur noch am Rande erwähnt wird, sollte zu denken geben. Auf den Kanarischen Inseln hat man sich an die erschütternden Nachrichten und die tägliche Tragödie der illegalen Zuwanderung „gewöhnt“.

In den ersten zwei Monaten dieses Jahres erreichten 1.162 Bootsflüchtlinge aus Afrika die kanarische Küste. Im selben Zeitraum 2007 waren es 1.139 und 2006 sogar 1.790. Der Strom der Flüchtlingsboote aus Afrika reißt trotz Rückführungsabkommen und Frontex-Kontrollen nicht ab.

Das mauretanische Fischerboot, das gegen 4.30 Uhr früh am 5. März in Los Cristianos eintraf, hatte sein Ziel dank der Orientierung am Leuchtturm des Hafens erreicht. Einen Radar zur Aufspürung von Flüchtlingsbooten gibt es auf Teneriffa (noch) nicht, und so wurde das kleine Boot erst nach seiner Ankunft bemerkt.

Die 56 Männer aus verschiedenen afrikanischen Staa­ten hatten ihre Reise ins Ungewisse in Nouadhibou (Mauretanien) begonnen. Etwa drei Tage war das Boot angeblich unterwegs gewesen. Zwei Mitreisende überlebten die strapaziöse Überfahrt nicht. Die Rettungskräfte bemühten sich im Hafen  von Los Cristianos vergeblich um eine Wiederbelebung mit Herzmassage. Die übrigen Flüchtlinge waren in sehr schlechter Verfassung, stark unterkühlt und geschwächt. 

„Enciende Africa“

Ignacio Ramone, spanischer Journalist und Direktor der Zeitung „Le Monde diplomatique“, der kanarische Journalist und Schriftsteller José Naranjo sowie der Professor für spanische Literatur und Sprache im Senegal, Amadou Ndoye, waren die Gäste der ersten Debatte der Reihe „Enciende Afrika“ der CajaCanarias in Santa Cruz. Vor zahlreichem Publikum sprachen sie über die Unkenntnis, die in Europa über den afrikanischen Kontinent und die Beweggründe der vielen Tausend Flüchtlinge herrscht. Thema der Debatte war die Frage „Afrika, continente a la deriva?“ auf Deutsch etwa „Afrika, Kontinent ohne Zukunft?“.

Igancio Ramone sprach die drei „historischen Katastrophen“ des afrikanischen Kontinents an – Sklaverei, Kolonialisierung und die Unabhängigkeitsprozesse ab den 60er Jahren.

Amadou Ndoye unterstrich, dass Afrika ein mehrsprachiger Kontinent mit vielen Universitätsabgängern ist, was vermutlich unterschätzt wird. Das große Drama Afrikas ist seiner Ansicht nach, dass der Reichtum im Lande ausländischen Machthabern gehört. „Paradoxerweise wird unser Unglück durch unseren Reichtum verursacht“, stellte er fest. Auch sei es kein Zufall, dass die schlimmsten kriegerischen Konflikte immer in Gebieten mit einem großen Reichtum an Rohstoffen und Ressourcen stattfinden.

Auch die Ausbeutung durch Europa sprach Ndoye an. Eine Lösung für die Probleme Afrikas sieht er in der Eigenverwaltung seiner wirtschaftlichen Produktion. Als Beispiel führte er die Fischereiabkommen mit der Europäischen Union an, durch die europäische Fisch- trawler entlang der senegalesischen Küste unterwegs sind, während die lokalen Fischer immer weiter hinaus fahren müssen.

José Naranjo erinnerte sich im Rahmen der Gesprächsrunde an seine Zeit als Journalist in Afrika und an seine Berichte über auf den Kanaren ankommende Flüchtlingsboote. Er war es, der auf die ungeheuer große Zahl von Menschen, vor allem junge, hinwies, die den verzweifelten Versuch, ihr Leben und das ihrer Familie zu verbessern, mit dem Tod im Atlantik bezahlt haben.

Die Debatte endete mit drei Feststellungen über den Kontinent Afrika: Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen aller afrikanischer Staaten und die Erfordernis, dass andere Staaten aufhören, den Kontinent und seine Ressourcen auszubeuten.

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