Journalistische Verfolgungsjagd


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El Día bezichtigte den kanarischen Präsidenten Paulino Rivero unterschwellig der Steuerhinterziehung – gestützt auf eine gefälschte Urkunde

Ein Medienskandal bewegt derzeit die kanarischen Gemüter. El Día, die meistgelesene Tageszeitung der Provinz Santa Cruz de Tenerife, veröffentlichte ein gefälschtes Dokument und bezichtigte den kanarischen Regierungspräsidenten Paulino Rivero unterschwellig der Steuerhinterziehung.

Seitdem befassen sich die spanische Generalstaatsanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft und das Gericht von Santa Cruz mit dem Fall, der weiterhin den kanarischen Blätterwald zum Rauschen bringt.

Berichterstattung oder Rufmord?

José Rodríguez Ramírez, Direktor und Herausgeber der Zeitung El Día, ist bekannt für seine täglichen Leitartikel, in denen er entweder die Unabhängigkeit der „unterdrückten Kolonie Kanarische Inseln“ verlangt, die Aberkennung des „Gran“ (Groß) der Insel Gran Canaria fordert, gegen Ausländer oder Homosexuelle hetzt oder einzelne Personen auf üble Weise beleidigt. Insbesondere seitdem dem hauseigenen „Radio El Día“ die Sendelizenz nicht erneuert wurde, hetzt Ramírez gegen den kanarischen Regierungspräsidenten Paulino Rivero.

Eigentlicher Auslöser des Skandals war jedoch die Veröffentlichung einer notariellen Vollmacht in El Día am 19. Juni, nach der Ángela Mena und María Caridad Rivero Baute, Ehefrau und Schwester von Paulino Rivero, und eine weitere Frau aus La Laguna Eigentümerinnen des mexikanischen Unternehmens Mountain’s River and Co. Limited seien, welches am 7. August 1997 mit einem Startkapital von 350 Millionen Pesos bzw. 20 Millionen Euro gegründet worden sei. Diese Firma soll sich mit dem Import und Export von Autozubehör sowie der Leitung von Hard- und Software herstellenden Fabriken in Puebla beschäftigt haben. Das fragliche Dokument, ausgestellt am 22. August,

bevollmächtigt Hildebrand Smith Carrasco aus Gibraltar zur Vertretung des Unternehmens. Laut El Día sei dieses Dokument auch von dem Portal Kanarileaks und der Zeitung ABC veröffentlicht worden und man könne diese Nachricht nicht der kanarischen Bevölkerung verheimlichen. Die Zeitung forderte das kanarische Parlament auf, noch vor der Wahl des Präsidenten die vermeintlichen Tatsachen zu untersuchen, um nicht zu riskieren, dass ein Rechtsverfahren gegen das wichtigste Exekutivorgan die nächste Legislaturperiode gefährde.

Den Bogen überspannt?

Noch am selben Tag erklärte Paulino Rivero öffentlich, der Bericht von El Día sei falsch und basiere auf der Fälschung einer öffentlichen Urkunde, die niemals existiert habe. Rivero legte ein vom spanischen Generalkonsulat in Mexiko – vermeintlicher Aussteller der notariellen Vollmacht – verfasstes Dokument vor, welches die Nicht-Existenz bestätigte.

Am 20. Juni druckte El Día die öffentliche Mitteilung Riveros ab, hielt aber trotzdem beharrlich an den erhobenen Vorwürfen fest. Zwei Tage später erklärte die Zeitung, die in Mexiko eingeschalteten Anwälte befänden sich auf der Suche nach der notariellen Vollmacht, die existiert hätte oder sogar immer noch existiere. Im gegenüber dem Regierungspräsidenten üblichen abwertenden Ton schrieb der Zeitungsdirektor: „Er und seine Verwandten werden verdächtigt. Auch wenn sie für unschuldig erklärt werden, Rivero wird trotzdem ein Despot, ein unfähiger Politiker und falscher Demokrat bleiben… .“

Ebenfalls am 22. Juni schickte Rosa E. Martínez, Generaldirektorin der juristischen Abteilung der kanarischen Regierung, ein Schreiben an Generalstaatsanwalt Cándido Conde-Pumpido mit der Bitte, alle zur Aufklärung nötigen Untersuchungen in die Wege zu leiten. In dem Dokument führten die kanarischen Rechtsexperten an, die Information sei „absolut falsch“ und basiere auf einer gefälschten öffentlichen Urkunde. El Día habe die falsche Information veröffentlicht, um die erneute Ernennung Paulino Riveros zum kanarischen Regierungspräsidenten zu verhindern.

Im Gegenzug reichte José Rodríguez Ramírez für El Día am 23. Juni bei der Staatsanwaltschaft von Santa Cruz ein Ersuchen zur Ermittlungseinleitung gegen die Angehörigen Riveros ein, welches am nächsten Tag in der Zeitung abgedruckt wurde. Weiterhin wurde an der Authentizität der Vollmacht festgehalten und Rivero unterschwellig ein Steuerdelikt unterstellt.

Am 27. Juni wurde beim Gericht von Santa Cruz Klage gegen El Día erhoben wegen unterlassener Veröffentlichung  einer Richtigstellung, welche die drei verdächtigten Personen von der Zeitung gefordert hatten.

Schlagende Beweise

Am 30. Juni legte Paulino Rivero den Medien in Santa Cruz verschiedene offizielle Bestätigungen der spanischen Polizei, des spanischen Generalkonsulats in Mexiko und des mexikanischen Handelsregisters vor. Aus der polizeilichen Bestätigung geht hervor, dass seiner Schwester niemals ein Reisepass ausgestellt worden ist. Die andere Frau hat erst 2003 einen erhalten. Folglich haben beide kaum 1997 nach Mexiko reisen, ein Unternehmen gründen und vom spanischen Konsulat eine Vollmacht zur Rechtsübertragung ausstellen lassen können. Dem Dokument des spanischen Generalkonsulats zufolge wurde die von El Día veröffentlichte Vollmacht niemals ausgestellt. Aus der Bestätigung des mexikanischen Handelsregisters geht hervor, dass die Firma Mountain’s River and Co. Limited nicht existiert.

Sichtweisen

El Día veröffentlichte am 1. Juli zumindest zum Teil die Äußerungen Riveros, nach denen der kanarische Präsident jegliche Vorwürfe gegen seine Familie und sich abstritt und alles als große Lüge bezeichnete.

Eine andere kanarische Tageszeitung vervollständigte die Aussagen Riveros und gab an, der kanarische Präsident habe angeprangert, seit zwei Monaten Gegenstand einer Beleidigungskampagne zu sein, die darauf abziele, sein neues Mandat zu verhindern. Außerdem habe er El Día gewarnt, er werde niemals aufgrund von „Erpressung“ oder „Nötigung“ den Ausgang des öffentlichen Vergabeverfahrens der Radiofrequenzen ändern.

Rivero habe bestätigt, juristische Schritte gegen die  Portale San Borondón, Canariasdigital und Kanarileaks eingeleitet zu haben, da diese falsche Informationen ohne weitere Überprüfung verbreitet hätten.

El Día habe er vorgeworfen, von der Unechtheit der notariellen Vollmacht gewusst und diese trotzdem veröffentlicht sowie verhindert zu haben, dass die Bezichtigten von ihrem verfassungsmäßigen Recht zur Richtigstellung Gebrauch machen konnten.

Die polizeilichen Ermittlungen seien in Gange, sodass mit einer baldigen Aufdeckung der Fälscher zu rechnen sei.

Selbst José Manuel Soria, Präsident der kanarischen Partido Popular und politischer Erzkonkurrent Riveros, schlug sich im Gespräch mit dieser Tageszeitung auf dessen Seite und verteidigte den Präsidenten.

Abgeschmettert

Am 1. Juli lehnte die Staatsanwaltschaft der Provinz Santa Cruz de Tenerife das von José Rodríguez Ramírez eingereichte Ersuchen zur Aufnahme von Ermittlungen gegen die Verwandten Riveros ab. Gegenüber der anderen Tageszeitung ließen Insider verlauten, der Antragsteller habe keine Beweise für seine ohnehin unzureichend konkretisierten Vorwürfe vorgelegt.

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