Karneval – was man wissen sollte


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Immer wieder werde ich in dieser sogenannten 5. Jahreszeit gefragt: Wie hat sich denn der Karneval oder die Fasnacht herausgebildet? Dazu muss man sagen, dass es zwei Theorien gibt – eine heidnische und eine christliche.

Die heidnische Theorie besagt, dass es sich beim Karneval sowohl um die Vertreibung des Winters, als auch um Fruchtbarkeitskulte handelt. So folgten die Nationalsozialisten der Theorie von der Winteraustreibung und ordneten an, dass das Wort „Fastnacht“ ohne t geschrieben werden sollte. Es hieße dann „Fasnacht“ und ließe sich vom Wortstamm „faseln“ ableiten, was so viel heißt wie: Dummes Zeug daherreden oder über andere reden.

Die Theorie und Praxis der Wintervertreibung ist im deutschsprachigen Raum im ganz hohen Norden und im tiefen Süden zu Hause. So wird in Nordfriesland im Rahmen des Karnevals immer ein Freudenfest gefeiert, bei dem mehrere Meter hohe Holzstöße angezündet werden. Dann heißt es: Die Biike brennt, und die Menschen tanzen ausgelassen. In grauer Vorzeit wollten die Friesen anscheinend so die Götter gnädig stimmen. Im schwäbisch-alemannischen Bereich, also der Gegend zwischen Kaiserstuhl, Neckar und Bodensee, kennt man in vielen Gegenden auch diese Fasnets-Feuer. Dabei werden glühende Räder von den Bergen ins Tal gerollt. Zeichen und Aufforderung an die Erde, doch wieder fruchtbar zu werden und die Menschen mit allem Notwendigen zu versorgen.

Die christliche Theorie leitet nun die Fastnacht von der Nacht vor dem Beginn der Fastenzeit ab. Jesus hat ja, wie wir vom Evangelisten Matthäus wissen, vierzig Tage und vierzig Nächte in der Wüste gefastet. Der Sonntag, mit dem einst das Fasten begann, wurde Invocavit (Anruf, anrufen) genannt. Ab dem Jahr 1091 wurde dieser Beginn der Fastenzeit auf den Aschermittwoch vorverlegt. Im Kirchenlatein hieß die Fastenzeit „Carnislevamen“, wobei „Carnis“ das Fleisch meint (siehe auch carne) und „Levamen“ so viel wie Erleichterung. Es ging also einfach darum Ballast abzuwerfen, den Körper zu reinigen.

Man kann der Kirche also einen mehr als „guten Riecher“ unterstellen, denn wenn heutzutage Ärzte ein Heilfasten anordnen, dann empfehlen sie es interessanterweise genau zu der Zeit, in der die frühe Kirche die Fastenzeit verordnet hat. Das Wort Karneval kommt auf dem Umweg des Italienischen von diesem Carnislevamen. Italienisch heißt es „Carnevale“, was übersetzt bedeutet „Fleisch, lebe wohl“. Und da wir Menschen ja geneigt sind, bevor es ans Fasten geht, so richtig über die Stränge zu hauen, gab es eben vor der fleischlosen Zeit ab Aschermittwoch den „fetten Donnerstag“, auch als „Altweiberfasnacht“ bekannt.

 Die Geistlichkeit nahm an den Narreteien ausgiebig Anteil und trieb es bis ins 12. Jahrhundert ganz besonders toll. So wurde in vielen Gegenden ein Narrenbischof gewählt, der wie eine Almkuh geschmückt in die Kirche geleitet wurde und auf einem Bischofsstuhl Platz nahm. Dann begann ein verkehrtes Hochamt, die „Eselsmesse“, die das Publikum in Scharen anzog. Die Priester nahmen mit geschwärzten Gesichtern daran teil und zögerten nicht damit, den Messwein in größeren Mengen in sich hineinzuschütten. Und die Klöster standen da in nichts nach. Da war es nämlich üblich, dass der jüngst eingetretene Novize zum Abt wurde und der eigentliche Abt den Kreuzgang fegen musste.

In Frankreich, wo der Karneval nun weniger bekannt ist, geschahen solche Amüsements auf den Tag der „Unschuldigen Kinder“ zwischen Weihnachten und Neujahr. Auch die Bauern machten mit, wie es Darstellungen in den Fenstern der Westseite von Notre Dame belegen. In der Zeit konnte man ja draußen auf den Äckern auch nichts tun, und so griffen die Frauen zum Strickzeug, und die Männer banden aus Reisig Besen. Dass man bei diesen eintönigen Beschäftigungen auf Blödsinn kam, ist doch total normal. Und dass dann der Erzbischof von Paris dazu verdonnert wurde, vor den Augen aller anderen die Kathedrale auszufegen, das fand man im Mittelalter auch normal.

Am konsequentesten wäre es jetzt, über all das hier Gesagte durchaus zu lachen. Denn das Lachen lindert allergische Beschwerden, wie japanische Forscher herausfanden. Und in unserem alten Europa hat jemand errechnet, dass eine Minute lauthals Lachen für die Gesundheit so herzerfrischend und aufbauend ist wie 45 Minuten Entspannungstraining. Lachen wir also all jene aus, die uns weismachen wollen, Karneval sei ein vorchristliches Frühlingsfest und halten wir fest, dass es aus dem Kirchenjahr heraus gewachsen ist. Schade finde ich nur, dass viele zwar „Altweiberfasnacht“ feiern, aber nicht mehr den Aschermittwoch. Das ist für mich wie Ostern zu feiern und dabei den Karfreitag nicht zu beachten. Aber das steht jetzt wieder auf einem anderen Blatt.

Herzlichst, Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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