Kein Sinn für Kunst?


Die Installation befindet sich direkt vor dem Museum für zeitgenössische Kunst. Foto: jason de caires taylor

Das Cabildo von Lanzarote will die Installation des britischen Künstlers Jason deCaires Taylor vor dem Museum MIAC entfernen

Lanzarote – „The Rising Tide“, die überdimensionalen Reiter­skulpturen des britischen Künstlers Jason deCaires Taylor, die seit September 2016 zu Füßen des Museums für zeitgenössische Kunst „Museo Internacional de Arte Contemporáneo“, kurz MIAC, in Arrecife im Wasser stehen, sollen weggeschafft werden. Die Entscheidung hat Dolores Corujo (PSOE), seit Juni dieses Jahres Cabildo-Präsidentin von Lanzarote, getroffen und dem Künstler bereits mitgeteilt. Der Schöpfer der Skulpturen reagierte darauf mit Überraschung und Bestürzung.
Laut einer ersten Begründung aus dem Cabildo soll das aus vier Skulpturen bestehende Kunstwerk entfernt werden, „weil es dem Image und Vermächtnis von César Manrique schade“. Später rechtfertigte Cabildo-Präsidentin Dolores Corujo ihre Entscheidung auch damit, dass es sich bei den Skulpturen nur um „Kopien“ handele, die der Künstler auf Lanzarote aus den Gießformen seiner für das Londoner „Totally Thames Festival 2015“ geschaffenen Reitergruppe angefertigt habe. Außerdem sei die Genehmigung für die Installation im Hafen von Arrecife abgelaufen, argumentierte sie weiter. Daher sei es nun an der Zeit, die Skulpturen zu entfernen, deren Wert sie auf auf „höchstens 200.000 Euro“ schätze, da es sich um „reine Kopien“ handele. Die Insel müsse auf Exklusivität setzen und den Anspruch haben, kopiert zu werden, anstatt selbst zu kopieren, merkte sie weiter an.
Wie die Zeitung Canarias7 berichtete, sollen die riesigen Betonskulpturen zunächst in ein Lager des Cabildos gebracht werden. Was danach mit ihnen geschehen soll, sei unklar.
Der Künstler, mit dem Canarias7 sprach, zeigte sich regelrecht entrüstet über die Argumentation, sein Werk schade dem Image Manriques. „Als ich das hörte, überkam mich große Traurigkeit und Unverständnis, denn schließlich ist das MIAC ein Museum für zeitgenössische Kunst mit einer Sammlung von Werken unterschiedlichster Künstler“, erklärte er der Zeitung gegenüber. Außerdem, so unterstrich deCaires Taylor, der sich durch die Schaffung zahlreicher Unterwasserkunstwerke weltweit einen Namen gemacht hat, vermittle dieses Kunstwerk eine Botschaft für den Klimaschutz. Der britische Künstler beschreibt seine Skulpturengruppe „The Rising Tide“ (Die steigende Flut) als „einen Schrei, um den Klimawandel aufzuhalten.“ Sie stehe symbolisch für die vier apokalyptischen Reiter, und die männlichen Reiter stellen die Spekulation dar, die die Umwelt zerstört.

Die Installation befindet sich direkt vor dem Museum für zeitgenössische Kunst. Foto: jason de caires taylor

Falls die Inselverwaltung sein Kunstwerk wirklich entfernen wolle, dann solle sie es nach Großbritannien schicken. Dort und in anderen Ecken der Welt gäbe es Museen, die sich dafür interessierten, erklärte deCaires Taylor.
Auf facebook nahm er zu den Absichten des Cabildos wie folgt Stellung: „Die wahre Kraft der Kunst liegt in ihrer Fähigkeit, die Macht zu entlarven, die Wahrheit durch ästhetische Fakten aufzuzeigen, anstatt durch Spekulationen über opportunistische Interessen. Die Kunst lüftet den Schleier und zeigt, was so oft hinter Offensichtlichkeiten verborgen wird. Die Verlegung des Werks „Rising Tide“ – dessen Installation vor dem MIAC auf zehn Jahre angelegt war – von der Bucht von Arrecife in ein Lager in einer Industriehalle, ist ein Frontalangriff auf die Fähigkeit von Kunst und Kultur, die Gegenwart zu deuten (…) Ich kann nur hinzufügen, dass die Politik, die so eine Entscheidung trifft, einen Irrtum begeht: Alles deutet darauf hin, dass ihre einzige Vision in der Zerstörung dessen besteht, was ihre Vorgänger umgesetzt haben.“

Jason deCaires Taylor

Jason deCaires Taylor (*1974 in Dover) wuchs in Europa und Asien auf, wo er schon als Kind in Malaysia die Schönheit von Korallenriffen entdeckte.
Nach seinem Kunststudium in London und einer Ausbildung als Tauchlehrer widmete er sich zunächst der Unterwasserfotografie. 2006 schuf er vor der Karibikinsel Grenada seinen ersten Unterwasserskulpturenpark. Fünf Jahre später wurde an der Küste von Cancún in Mexiko das von ihm mit 400 lebensgroßen menschlichen Skulpturen gestaltete MUSA (Museo Subacuático de Arte) eröffnet. 2014 wurde in Gewässern der Bahamas die bislang größte Skulptur von Jason deCaires Taylor im Meer versenkt; „Ocean Atlas“ ist fünf Meter hoch und wiegt über 60 Tonnen.
Im Januar 2016 wurde im Süden der Kanareninsel Lanzarote das erste Unterwassermuseum Europas eröffnet. Das von Jason deCaires Taylor gestaltete „Museo Atlántico“ erstreckt sich in der Bucht Las Coloradas über eine Fläche von 2.500 Quadratmetern und bietet für Taucher und Schnorchler ein attraktives Ausflugsziel. Zehn Installationen hat der Künstler dafür geschaffen. Die Elemente sind aus pH-neutralem Beton gefertigt, an dem Korallen und andere Meeresbewohner wachsen und so das Kunstwerk weitergestalten können.

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