Klassenzimmer unter Segeln auf den Kanaren

Das Segelschiff Thor Heyerdahl ist für die Schülerinnen und Schüler der zehnten gymnasialen Oberstufe mehrere Monate lang Zuhause und Schule zugleich. Gelernt wird, je nach Wetterlage an Deck oder in der Messe. Fotos: KUS-Projekt

Das Segelschiff Thor Heyerdahl ist für die Schülerinnen und Schüler der zehnten gymnasialen Oberstufe mehrere Monate lang Zuhause und Schule zugleich. Gelernt wird, je nach Wetterlage an Deck oder in der Messe. Fotos: KUS-Projekt

Trotz Corona können auch dieses Jahr 34 Jugendliche mehrere Monate auf See lernen und die (Insel)Welt erkunden

Kanarische Inseln – Klassenzimmer unter Segeln, kurz KUS, nennt sich das Projekt der Universität Erlangen-Nürnberg mit dem Institut für Erziehungswissenschaft und dem Institut für Lern-Innovation, das seit vielen Jahren Jugendlichen die Möglichkeit bietet, Lernen als Abenteuer zu erleben. Auf dem Traditionssegler „Thor Heyerdahl“ als schwimmende Jugendausbildungsstätte sind sie ein halbes Jahr auf See unterwegs, arbeiten im Schiffsbetrieb mit, erhalten Unterricht auf See und begeben sich auf die Spuren der Entdecker Christoph Kolumbus und Alexander von Humboldt.


Ende November traf die Thor Heyerdahl wie jedes Jahr auf den Kanaren ein. Obwohl die Organisation und Planung der diesjährigen Reise coronabedingt äußerst anspruchsvoll war, wie Projektleiterin Dr. Ruth Merk im Gespräch mit dem Wochenblatt berichtete, konnte die Thor Heyerdahl am 18. Oktober in Kiel die Reise beginnen. An Bord sind, wie in anderen Jahren, 34 Schülerinnen und Schüler der zehnten gymnasialen Oberstufe im Alter zwischen 14 und 16 Jahren.


„Es war sozusagen wie eine Reise ins Ungewisse“, erzählt Dr. Ruth Merk weiter, „auch für die Jugendlichen, denn der Probetörn fiel aus, und das Auswahlverfahren lief ausschließlich digital ab. So gab es im Vorfeld keine Gelegenheit sich persönlich, sprich Face-to-Face kennenzulernen. Doch alle Jugendlichen, die ausgewählt wurden, sind bei der Stange geblieben und jetzt mit an Bord.“

Das Segelschiff Thor Heyerdahl ist für die Schülerinnen und Schüler der zehnten gymnasialen Oberstufe mehrere Monate lang Zuhause und Schule zugleich. Gelernt wird, je nach Wetterlage an Deck oder in der Messe. Fotos: KUS-Projekt
Das Segelschiff Thor Heyerdahl ist für die Schülerinnen und Schüler der zehnten gymnasialen Oberstufe mehrere Monate lang Zuhause und Schule zugleich. Gelernt wird, je nach Wetterlage an Deck oder in der Messe. Fotos: KUS-Projekt

Die Bezeichnung „Reise ins Ungewisse“ trifft auch deshalb zu, weil es bei der Planung zunächst unklar war, ob die Reise überhaupt stattfinden kann, und wenn ja, welche Reiseroute infrage kommt. So war die Vorbereitung der Reise unter Berücksichtigung aller besonderen Maßnahmen eine große Herausforderung. Auch eine Stammcrew zu finden, die bereit ist, sich auf diese „Reise ins Ungewisse“ einzulassen, war nicht leicht, „denn es war tatsächlich bis Mitte August unklar, ob wir überhaupt losfahren können“, erinnert sich Dr. Ruth Merk weiter.


Entsprechend der durch die Pandemie bedingten Einschränkungen wurde nicht nur das Programm verändert, das sich dieses Jahr nun auf naturbezogene Räume konzentriert. Auch die Reiseroute ist eine andere als bisher. Die Atlantiküberquerung entfällt, denn die Nähe zum europäischen Festland schien wegen der medizinischen Versorgung im Notfall die beste Option. Und so stehen in diesem besonderen Jahr 2020 anstatt der Karibik einmal drei Archipele auf der Reiseroute: Die Jugendlichen werden die Kanaren, die Kapverden und die Azoren kennenlernen und erforschen. Dabei werden sie sich jeweils über mehrere Wochen in Gruppen aufgeteilt auf den Inseln aufhalten und viel über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Inselgruppen lernen.


Auf den Kanarischen Inseln haben die Jugendlichen fast vier Wochen auf La Palma, La Gomera und Teneriffa verbracht. Wegen der Corona-Beschränkungen waren Landausflüge nur in kleinen Gruppen möglich, und so wurden die Schülerinnen und Schüler auf verschiedene Projektgruppen aufgeteilt. Auf La Palma lag der Schwerpunkt auf dem Wandern, aber auch die inselspezifischen Besonderheiten wurden erkundet, die Caldera de Taburiente, eine Gofio-Mühle, Salinen und Vulkankegel besucht. Die La Gomera-Projektgruppen arbeiteten mit NGOs zusammen, die sich mit ozeanografischer Forschung oder mit endemischen und invasiven Arten befassen. Einige Jugendliche wurden auch in ein Projekt eingebunden, das traditionelle Landwirtschaft betreibt. Ein sehr buntes Programm. Am 7. Dezember kamen nach den verschiedenen Stationen der Kanaren-Reise schließlich alle wieder auf Teneriffa zusammen, wo sie sich vor der Weiterreise auf die Kapverden in der Nähe von Puerto de la Cruz in Selbstisolation begaben. So gab es Zeit, um die gesammelten Erlebnisse und Eindrücke aufzuarbeiten und den schulischen Unterricht durchzuführen.


Dass der Aufenthalt auf Teneriffa von der Bianca Vetter Foundation maßgeblich finanziell unterstützt wurde, stellte für das diesjährige KUS-Projekt eine Erleichterung dar, denn allein für die Einreise auf die Kanaren, sprich nach Spanien, fielen erhebliche Zusatzkosten an. Trotz fünf Wochen auf See ohne Symptome und zweifacher negativer Testung vor der Abreise in Kiel mussten sämtliche Jugendlichen und Crewmitglieder sich bei der Ankunft auf La Palma erneut einem PCR-Test unterziehen, der pro Person 150 Euro kostete, was insgesamt 7.500 Euro ausmachte. Dass Corona diese Reise sehr stark geprägt hat, steht außer Frage. Doch nach dem enormen organisatorischen Aufwand ist der Lohn die Zeit auf See, „überhaupt unterwegs zu sein, ist ein großes Privileg“, stellt die Projektleiterin fest.


Am 15. Dezember gingen alle wieder gesund an Bord, und zwischen dem 17. und dem 18. Dezember wird die Thor Heyerdahl in Santa Cruz de Tenerife auslaufen und Kurs auf die Kapverden nehmen. Weihnachten wird dieses Jahr auf See gefeiert, und so sind die Schülerinnen und Schüler schon eifrig dabei, Geschenke für einzelne Crewmitglieder zu basteln. Den Jahreswechsel wird die Besatzung der Thor Heyerdahl dann schon auf den Kapverden feiern, worauf ein mehrwöchiger Aufenthalt auf verschiedenen Inseln dieses Archipels folgt. Anfang Februar werden sie dann über die Azoren zurück nach Kiel segeln. Auch auf den Azoren ist ein Aufenthalt von drei bis vier Wochen eingeplant.

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