Kontaktanzeigen der besonderen Art


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Wenn ich mit jungen Brautpaaren ins Gespräch über ihre bevorstehende Trauung komme, dann bitte ich sie auch immer, mir ein klein wenig von ihren Anfängen zu erzählen. Nicht um meine Neugier zu befriedigen – was hätte ich schlussendlich auch davon – sondern deshalb, um den beiden an ihrem Festtag dann auch wirklich sehr persönliche Worte auf ihren gemeinsamen Lebensweg mitgeben zu können.

Manche erzählen dabei eher verhalten, manche aber auch ganz ungehemmt und offen von den Anfängen ihrer Beziehung, von den Schwierigkeiten und Problemen ihrer gemeinsamen Liebesgeschichte bis hin zu den Träumen, Zielen und Erwartungen an die gemeinsam vor ihnen liegende Zeit und was sie denn mit dem gegenseitigen Ja-Wort verbinden. Auffallend ist dabei für mich, und Kollegen haben mir das jetzt bei meinem Deutschlandaufenthalt auch bestätigt, dass Beziehungen zunehmen und zum Traualtar führen, die im Internet oder per Kontaktanzeigen begonnen haben. Manche möchten das gar nicht gerne offen sagen – vielleicht weil eine solche Kontaktaufnahme noch immer ein „Gschmäckle“ hat? – aber es ist einfach Fakt. Diese Art der Kontaktaufnahme nimmt zu, und es gibt zwischenzeitlich sogar Untersuchungen, die belegen, dass so eingefädelte Beziehungen oft stabiler und langfristiger von Bestand sind als andere.

„Attraktiver 40-Jähriger, jung geblieben, sportlich, vielseitig interessiert, aufgeschlossen, humorvoll, im Beruf überaus erfolgreich, sucht Dich und freut sich auf eine Antwort und ein erstes Kennenlernen.“ Wenn ich mich in die Lage von Menschen versetze, die auf diese Weise eine/n Partner/in kennenlernen möchten, dann wird mir sofort klar: Hier sind deine Stärken gefragt. Du musst dir überlegen, was du kannst, was dich in den Augen anderer attraktiv macht oder zumindest auf Anhieb so erscheinen lässt. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass Menschen, die über einer solchen Kontaktanzeige brüten, zuerst einmal ihre Stärken prüfen: Was zeichnet mich aus im Vergleich zu anderen Mitbewerbern, zur sogenannten „Konkurrenz“ auf dem Vermittlungsmarkt?

Da fällt mir der Apostel Paulus ein. Der macht es in seinem zweiten Brief an die Christen von Korinth genau andersherum: Er rühmt sich seiner Schwachheit. Im Streit mit anderen Predigern will er bei seinen Zuhörern nicht durch seine Vorzüge hervorstechen, und er will auch keine Punkte einheimsen mit seiner imposanten Art, zu reden. Und weshalb? Weil er weiß, dass die Kontaktanzeige Gottes eben auch anders aussieht. Gott hat sich in Jesus als „Schwacher“ vorgestellt, als einer, der anderen dienen möchte. Deshalb würde es wohl in seiner Anzeige auch nicht heißen: „Anfang 40, attraktiv und vieles andere mehr…“, sondern: „Suche Schwache und keine Starken, suche Sünder und nicht Gerechte.“

Dabei wird mir bewusst: Jesus will, dass wir unseren Blick immer wieder auf unsere Schwächen richten. Welches sind die meinen? Welches die Ihrigen? Wie müsste denn eine Kontaktanzeige lauten, in der Fehler und Schwächen vorkommen dürfen? Ein verrückter Gedanke, aber vielleicht dringend notwendig, um der Kontaktanzeige Gottes in Jesus mal wieder näherzukommen. Also versuche ich es. Eine Kontaktanzeige in Anlehnung an die vorhin bereits erwähnte Anzeige des 40-Jährigen – aber jetzt unter Betonung der Schwächen: „Bin 40 Jahre, verunsichert über meinen zukünftigen Lebensweg. In der Arbeit komme ich über Routine oft nicht hinaus, habe Probleme, mich gegenüber Kollegen und Vorgesetzten zu behaupten. Abends bin ich oft zu müde, noch etwas zu unternehmen, und oft überfallen mich Zukunftsängste. Dann fühle ich mich einsam, überfordert in Beruf und Freizeit und es überkommen mich dann regelrechte Fressattacken. Oft bin ich frustriert, dass ich so wenig Elan habe, an meiner Situation etwas zu ändern. Deshalb suche ich Dich! Ich glaube, Du kannst mein Leben bereichern, und ich würde mich deshalb freuen, von Dir zu lesen und Dich dann auch kennenzulernen.“

Ein ganz anderer Text – und ich bin mir sicher: Wer eine solche Anzeige aufgibt, um eine Partnerin oder einen Partner kennenzulernen, kann sich gleich auf neue Frustrationen beim täglichen Gang zum Briefkasten einstellen. Er bliebe wohl leer. Wer ein solch schlechtes Selbstbildnis hat, wie soll der in den Augen der Menschen von heute einen Platz finden? Der hat doch mit sich selbst genug zu tun…

Wir aber sind mit dieser zweiten Anzeige unserem Date mit Gott schon ein wesentliches Stück nähergekommen. Achten wir einfach mal darauf, wen Jesus oft als Vorbilder für eine Kontaktaufnahme mit Gott darstellt: Kinder! Diese dürfen nämlich Schwächen haben – auch in unseren Augen – ohne dass es an ihrem Selbstbewusstsein kratzt. Das hat übrigens zwei Ursachen. Erstens: Sie haben in ihren Eltern prägende und verlässliche Bezugspersonen vor Augen, die ihnen immer wieder aufhelfen. Und zweitens: Sie werden von ihren Eltern angenommen, so wie sie sind. Und genau das macht Jesus auch mit uns – mit Ihnen und mir. Genau deshalb aber kann Paulus sagen: Meine Schwächen sind kein Mangel, an dem ich verzweifeln müsste; weil Gottes Liebe mir gilt, so wie ich bin. Gott wendet sich nicht von mir ab, weil ich fehlerhaft bin, sondern er steht zu mir. Deshalb aber motiviert mich nicht die Unzufriedenheit meiner Fehler, sondern der Blick auf das, was Gott mit mir vorhat.

Und was wird nun aus unserer Kontaktanzeige? Ich glaube nicht, dass unser Selbstbildnis ausreicht, um uns wahrhaft und umfassend zu beschreiben. Es gehört eben immer auch dazu, was Gott mit uns in unserem Leben vorhat. Deshalb steht jetzt hier auch keine Kontaktanzeige mehr, sondern vielmehr die Einladung: Werde immer mehr der Mensch, der du in den Augen Gottes und der Zuwendung Jesu schon lange bist.

Herzlichst, Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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