Leben, wo die Windmühlen sich drehen


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Zukunftsweisend: Das bioklimatische Dorf des ITER

Von den Häusern ist teilweise nicht viel mehr als das Dach zu sehen. Der Rest liegt unter dem Bodenniveau. Sie sehen schon recht außergewöhnlich aus. Das eine oder andere sogar ein bisschen wie das Haus von Luke Skywalkers Onkel im „Krieg der Sterne”. Von innen ist die Raumaufteilung dann meist fast enttäuschend normal, wo doch eigentlich irgendwelche futuristischen Designs zu erwarten gewesen wären.

Doch dies ist real und kein Science Fiktion-Film, in dem Bühnenbildner in ihren Phantasien schwelgen. So findet das Futuristische denn auch eher hinter den Kulissen statt. Zum Beispiel durch ausgeklügelte Belüftungsschächte, durch die die Luft zirkuliert, was hier im heißen und windigen Süden ganz ohne Aircondition ein angenehmes Wohnklima erzeugt.

Die Rede ist von dem bioklimatischen Dorf, das auf Teneriffa entstanden ist. 1995 hatte das technologische Institut für erneuerbare Energien ITER zum architektonischen Wettbewerb aufgerufen. Entworfen werden sollten Häuser, die sich durch besonders geringen Energieverbrauch auszeichnen. Besonders hoch bewertet wurden hier drei Faktoren: Energiesparsamkeit, Ästhetik und moderate Baukosten. Von den 220 eingereichten Projekten wurden schließlich 25 preisgekrönt und für den Bau ausgewählt. Davon wurden die ersten sechs Anfang 2004 fertiggestellt. Die 19 weiteren „Bio-Häuser” entstehen seither Zug um Zug. Inzwischen sind fast alle Parzellen der Öko-Urbanisation bebaut.

Der Bau des Dorfes hat seine Zeit gebraucht, denn es handelt sich um wahre Pionierarbeit. Tatsächlich hatte es zunächst den Anschein, als sei das Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn es schien unmöglich, eine Baufirma zu finden, die das Wagnis einzugehen bereit war, völlig neue Wege zu gehen. Die allermeisten zuckten die Achseln und befanden es sei unmöglich, für diese neuartigen Bauweisen einen Kostenvoranschlag zu erstellen. Denn die meisten der prämiierten Projekte sahen größtenteils recyceltes und umweltfreundliches Baumaterial vor. Doch diese Hürde konnte überwunden werden. Nun sind die Häuser zu einem großen Teil bis auf Kleinigkeiten fertig. Andere sind halbfertig, bei einem sind gerade die Fundamente gelegt, und ein weiteres ist soeben auf der Parzelle markiert.

„Wir hoffen sehr, die meisten Häuser im Laufe eines Jahres bezugsfertig zu haben”, so ITER-Pressesprecher José Ignacio Fernández. Denn das ist ja der eigentliche Sinn und Zweck des Dorfes. Es soll bewohnt werden und so Aufschluss erteilen über die reale Energieeinsparung gegenüber dem konventionellen Wohnen. Optimistischen Voraussagen zufolge könnte die sogar bei bis zu 60% liegen. Der Energieverbrauch eines Privathaushaltes kann folgendermaßen aufgeschlüsselt werden: etwa 30% für Heizung bzw. Aircondition, 30% für Warmwasser, 11% in der Küche, 10% für Beleuchtung und 20% für Elektrogeräte. Mit der bioklimatischen Bauweise der Häuser können die Kosten für Heizung und Warmwasser nahezu komplett eingespart werden, was den Stromverbrauch um zwei Drittel senkt. Das letzte Drittel kann durch Sonnen- und Windenergie auch noch größtenteils ins Umweltfreundliche gedreht werden. Ursprünglich war geplant, die Häuser komplett autonom in der Energieversorgung zu halten. Wie weit das tatsächlich möglich sein wird, das kann die künftige Bewohnung dann zeigen.

In jedem Fall ist ersichtlich, dass die verwendeten Baumaterialien stellenweise auch schon arg gelitten haben. „Auch das ist eine interessante Komponente des Dorfes”, nickt José Ignacio Fernández wiederum eifrig. “Hier werden wichtige Erfahrungen darüber gesammelt, welche Baustoffe tatsächlich so gut wie unverwüstlich sind und welche sich als sehr pflegeintensiv erweisen.”

Das bioklimatische Dorf soll natürlich auch als Anschauungsobjekt für Architekten dienen. Denn die setzen sich zu einem Großteil noch lange nicht genug mit der effektiven Nutzung von Sonne, Schatten, Licht- und Windverhältnissen sowie den Möglichkeiten der alternativen Energiegewinnung im kleinen Rahmen eines Familienhaushalts auseinander. Ebenso mangelt es nach wie vor vielfach an ausreichender Isolierung. Aufgrund der Lage des Dorfes im wüstenähnlichen Klima des Inselsüdens erhofft man sich hier vor allem Erkenntnisse und Technologien, die richtungsweisend für die Entwicklung von Ländern beispielsweise in Afrika sein können.

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