Leere Dörfer durch den Alterungsprozess


Die Kirche Nuestra Señora do Viso in Lobeira. Foto: THOMAS HOLBACH (CC BY-SA 4.0)

Ourense, Spaniens „gealterte“ Provinz

Ourense – Lobeira hat 807 Einwohner. Schon seit vielen Jahren ist die Dorfschule geschlossen, denn seit Langem gibt es keine Kinder mehr im Ort. Die ehemalige Schule aber liegt nicht brach, sie wurde, an die soziale Realität des Ortes angepasst, zum Altenheim umfunktioniert.

Obdulia Pereira ist die Eigentümerin des einzigen Lebensmittelgeschäfts und mit ihren 59 Jahren die jüngste Bewohnerin des Dorfes. „Eine Zukunft haben wir hier nicht“, meint sie nicht zu Unrecht. Die Provinz Ourense hat schon heute das Altersprofil, welches die EU für diese Region erst für das Jahr 2.050 vorsieht.

Das Verschwinden zahlreicher Dörfer ist in Ourense schon heute Realität, denn ohne Arbeitsmöglichkeit ziehen die Menschen in andere Gebiete. Es gibt keine generationale Nachfolge mehr. „Eine Situation, die viele andere europäische Dörfer ebenso betrifft“, so Alberto Vaquero, Dozent für angewandte Wirtschaftswissenschaft der Universität Vigo.

Auch Eider Gardiazábal, sozialistischer EU-Abgeordneter, erkennt eine klare Beziehung zwischen Altern und Entvölkerung.

Die Provinz Ourense hat 309.293 Einwohner und den höchsten Alterungsindex nicht nur von Spanien, sondern auch von Europa. Womit die Zukunft des Gebietes nicht gerade hoffnungsvoll aussieht. Auf zehn Beschäftigte kommen sieben Rentner.

José Manuel Baltar ist der Kreistagsvorsitzende. Er sieht in der derzeitigen Situation eine Gelegenheit, eine bessere Zukunft für die Region zu schaffen. „Die demografische Situation in Ourense, Galicien, Spanien und in 80 Prozent der europäischen Gebiete ist eine Herausforderung und gleichzeitig eine Gelegenheit für die Politik.“ Er setzt auf den Bau von Hochgeschwindigkeits-Zuglinien, die Promotion von Thermalurlaub, Erhöhung von Kindergeld und auch auf aktives Altern zur Reaktivierung der Provinz. Für ihn ist Ourense heute ein Labor, in dem Sozialpolitik für die Zukunft Europas geprobt wird.

Mit derartigem Optimismus sehen die Bewohner der ländlichen Gebiete ihre Zukunft jedoch nicht. Denn viele Dörfer haben nur noch einen einzigen Bewohner.

Mario Franco ist Generalsekretär der Gewerkschaft UGT (Unión General de Trabajadores). Auch er kann den Optimismus der Politiker nicht teilen. „Hier leben mehr Rentner als arbeitende Bevölkerung, bald werden unsere Dörfer menschenleer sein. Unsere Schulen werden zu Leichenhallen umfunktioniert.“ Von den 269.000 Einwohnern stehen 129.000 im Arbeitsverhältnis, von den 140.000 Personen, die keiner Tätigkeit nachgehen, sind 90.000 Rentner. Hinzu kommt, dass die meisten Arbeitnehmer im Dienstleistungssektor tätig sind, der, wie allgemein bekannt ist, größtenteils befristete Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Löhnen bietet. Hinzu kommt, dass es für die traditionell landwirtschaftliche Region diesbezüglich keine Projekte gibt.

A Veiga ist eine der Gemeinden mit ganz geringer Bevölkerungsdichte, ein Bewohner pro 3,1 Quadratkilometer. Juan Anta, Bürgermeister des Ortes, hat verschiedene Initiativen ins Leben gerufen, welche die Abwanderung der Bewohner stoppen soll. Mietbeihilfen, ein Imkereiprojekt und der Bau einer Sternwarte konnten den Fortzug der Bewohner aber nur ein wenig entschleunigen.

Nur ganz wenige kehren zurück. Meist nur, um ihre alten Familienmitglieder zu pflegen.

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