„Los, los, los, diesen Hafen stoppen wir“


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Tausende gingen gegen das umstrittene Hafenprojekt von Granadilla auf die Straße

„Vamos, vamos, vamos – este puerto lo paramos“ – mit diesem Schlachtruf zogen am 14. März tausende Gegner des umstrittenen Hafenprojektes von Granadilla durch die Straßen von Santa Cruz de Tenerife. Besser konnte der Zeitpunkt für eine erneute Großdemonstration gegen den Hafenbau nicht ausgewählt sein: Tage zuvor hatte der Oberste Gerichtshof der Kanaren seine einstweilige Verfügung, mit der die Anordnung der kanarischen Regierung annulliert wurde, die Seegraswiesen vor Granadillas Küste aus dem Artenschutzkatalog zu entfernen, bis auf Weiteres bestätigt.

Zu dem Protest aufgerufen hatten renommierte Professoren der Universität La Laguna, allen voran Wolfredo Wildpret, emeritierter Professor der Biologie und Träger der Ehrendoktorwürde internationaler Universitäten.  

Lauter als Teneriffas Bevölkerung am 14. März die Stimme gegen den Hafen von Granadilla erhoben hat, kann kein Volk rufen. Den Politikern, die zum Großteil durch Abwesenheit glänzten, müssen die Ohren geklungen haben, spätes­tens am Abend dieses Samstags, als sie sich in den Nachrichten die Berichte über diese Volks-Aktion angeschaut haben. Besonders der kanarische Regierungschef Paulino Rivero und der kanarische Umweltminister Domingo Berriel dürften sich recht unwohl in ihrer Haut gefühlt haben, denn ihr Rücktritt wurde immer wieder lautstark gefordert.

Statt des Hafens, an dem sich einige wenige bereichern wollen, sollten lieber Schulen und Krankenhäuser gebaut werden, für die angeblich kein Geld da ist, so skandierte die Menge in Sprechchören und in Liedern. Die Rede war von „Zement-Piraten“, die sich auf Kosten der Allgemeinheit und der Umwelt ohne Rücksicht auf Verluste bereichern, und davon, dass die Insel in ebendiesem Zement erstickt.

Es war – trotz des ernsthaften Anliegens – eine frohe Menschenmenge, die da lautstark ihre Forderungen kundtat. Die Schätzungen der Teilnehmerzahlen reichen von 50.000 (laut Organisation) bis hinunter zu von offizieller Seite genannten 15.000, der natürlich daran gelegen ist, die Ausmaße herunterzuspielen. Tat­sächlich waren mindestens 30.000 auf den Beinen.

„Ese puerto lo paramos“

Es wurde gelacht, getanzt, gesungen – und immer wieder erscholl der kollektive Ruf: „Vamos, vamos, vamos – ese puerto lo paramos!“ (Los, los, los, diesen Hafen stoppen wir!“) Die Stimmung war fast übermütig zu nennen: Man hatte sich zur Demonstration eingefunden, um seinem Unmut Luft zu machen und den Politikern auf die Füße zu treten, bevor es zu spät ist. Und diese Einheit des Anliegens in der unübersehbar großen Menge, die Freude darüber, dass so viele Menschen sich die Zeit genommen haben, gegen diesen Hafen zu protestieren, war überall in dem fahnenschwenkenden Zug spürbar. Da war kein Hauch von Aggressivität oder Agitation; den Menschen ging es um die Sache, und die haben sie mit Freude vertreten. So positiv gestimmt sammelte sich die Menge vor dem Regierungsgebäude, wo schon die Sturmtrupps der Polizei warteten, doch sie kamen nicht zum Einsatz.

Bejubelt wurde Wolfredo Wildpret, emeritierter Professor der Biologie und Träger der Ehrendoktorwürde internationaler Universitäten, der sich schon immer gegen das Hafenprojekt ausgesprochen und zu dieser Demonstration aufgerufen hatte.

Seine Rede dauerte doppelt so lang wie vorgesehen, weil er immer wieder von heftigem Beifall unterbrochen wurde.

Er sprach im Namen seiner Universitätskollegen, die sich mit ihm auf dem Podium versammelt hatten, wies darauf hin, dass bereits seit mehr als zehn Jahren der Kampf gegen dieses Hafenprojekt läuft, das ein derzeit völlig intaktes Ökosystem zerstören und zum Aussterben von 52 geschützten Arten führen wird. Das würde einen schweren Verlust für die Artenvielfalt der Kanaren bedeuten: „Die Biodiversität ist eine natürliche Ressource der Allgemeinheit. Sie ist nicht Eigentum eines einzelnen, sondern gehört allen Lebewesen dieser Welt. Der Verlust der Biodiversität ist ein Verlust für alle. Ein Verlust, der uns alle betrifft.“

Und: „Die Seegraswiesen stellen eine wahre Oase für das Leben im Meer dar. Deshalb sind sie auf kanarischer, spanischer und europäischer Ebene unter den Artenschutz gestellt.“ Bekanntlich soll dieses Seegras auf Betreiben der kanarischen Regierung aus dem Artenschutzkatalog herausgenommen werden, um den Hafenbau zu ermöglichen. Der Oberste kanarische Gerichtshof hat sich inzwischen diesbezüglich auf die Seite der Umweltschützer und Hafengegner gestellt und die Anordnung der kanarischen Regierung bezüglich der Seegraswiesen bis auf Weiteres annulliert. Auch Wildprets Forderung, dies zu verhindern, wurde auf der Demonstration mit zustimmenden Rufen aus allen Kehlen und heftigem Applaus begrüßt.

„Wir haben der kanarischen und der spanischen Regierung sowie der EU Gutachten vorgelegt. Die kanarische Regierung stellt sich taub gegen sämtliche juristischen, wissenschaftlichen und technischen Argumente und trifft Entscheidungen, die unsere Biodiversität gefährden – und das zugunsten eines zweifelhaften wirtschaftlichen Aufschwungs, der uns mit dem Bau eines Industriehafens versprochen wird, für den Wirtschaftsgutachten vorliegen, in denen keinesfalls die Rede von wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten ist, ebensowenig von einer Verbesserung der Lebensqualität, ja nicht einmal im Hinblick auf die Schaffung einer nennenswerten Zahl von Arbeitsplätzen.“

Absoluter Irrsinn

Die Abschlussrede hielt der Vertreter von Asamblea por Tenerife. Er wies noch einmal darauf hin, dass es ein Irrsinn ist, Unsummen in einen Hafenbau zu investieren, den keiner braucht und der sich laut Wirtschaftsgutachten auch nie rentieren wird, während für Schulen, Krankenhäuser und sonstige soziale Einrichtungen angeblich das Geld fehlt. Au­ßerdem, so betonte er, ist Granadilla aufgrund der dortigen Meeresverhältnisse, die dort an zahlreichen Tagen im Jahr ein Anlaufen des Hafens unmöglich machen, für einen Indus­triehafen völlig ungeeignet. „Lassen wir uns keinen Sand von den Geldsäcken in die Augen streuen, die sich an diesem Hafenprojekt weiter bereichern wollen. Denen gehören Zeitungen, Radio- und Fernsehsender, und sie manipulieren Tatsachen zu ihren eigenen Guns­ten. Seit fünf Jahren“, sagte er, „sind wir immer wieder auf die Straße gegangen, um gegen diesen Hafen zu protestieren. Und wir werden nicht aufgeben.“

Dies war übrigens ein weiterer an die Politiker gerichteter Ruf, den die Demonstranten auf ihrem Zug durch die Stadt immer wieder skandierten: „Wenn ihr uns heute nicht hört, kommen wir wieder!“

Argumente gegen den Hafen von Granadilla

• Entgegen den ursprünglichen Aussagen der Politiker konnte der Hafen von Santa Cruz sehr wohl vergrößert werden; derzeit wird seine Kapazität verdoppelt.

• Nach Aussagen der Regierung wir der Industriehafen von Granadilla allenfalls 50 Arbeitsplätze schaffen.

• In der derzeitigen Krisenzeit sinkt das Umschlagvolumen im Hafen von Santa Cruz.

• Der Bau des Indsutriehafens in Granadilla wird bedeutende Ökosysteme zerstören.

• Durch den Bau wird der Küste irreparabel Sand entzogen, der sich derzeit natürlich an den südlichen Stränden sammelt.

• Bislang fielen die Seegraswiesen vom Gesetzgeber aufgrund ihrer ökologischen Bedeutung unter den Artenschutz.

• Die kanarische Regierung nimmt das Seegras nun aus dem Artenschutzkatalog, nur um den Hafen bauen zu können – gegen die eigenen Gutachten.

• Derzeit prüft die Staatsanwaltschaft die Legalität dieser Streichung aus dem Artenschutzkatalog.

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