Marokko beschuldigt spanische Medien des Rassismus


© EFE

Die Berichterstattung über den Westsahara-Konflikt sei hasserfüllt und manipuliert

Nach dem Tod von König Hassan II. 1999 war ein Hauch von Freiheit in Marokko zu spüren. Erstmals war es selbst der Presse möglich, von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Doch dieser Hoffnungsschimmer hat sich nach der Eskalation des Westsahara-Konfliktes aufgelöst.

Rabat – Das bekommen derzeit die ausländischen Medienvertreter und ganz besonders die spanischen Korrespondenten zu spüren.

Obwohl bis vor wenigen Monaten selbst die marokkanischen Medien in ihrer Berichterstattung über die Westsahara-Frage einen kritischen Blickwinkel erkennen ließen, hat sich dies spätestens seit der gewaltsamen Zerstörung des Wüstencamps der sahrauischen Protestbewegung bei El Aaiún am 8. November gänzlich gewandelt. Die marokkanische Regierung hat ihre Medien nun angewiesen, im Sinne der „nationalen Einheit“ zu berichten und diese zu verteidigen. Gleichzeitig wurden die spanischen Medien von Rabat aus beschuldigt, in ihrer Berichterstattung über den Konflikt Rassismus zum Ausdruck gebracht zu haben. Auch sei die Wahrheit über die jüngsten Ereignisse in El Aaiún vertuscht worden.

Kommunikationsminister Khaki Naciri erklärte in diesem Zusammenhang, einige spanische Medien hätten sich dazu verleiten lassen, „rassistisch und hasserfüllt“ zu berichten. In einer Pressekonferenz nannte der Minister auch mehrere Medien beim Namen, darunter die Zeitung El País.

„Von genau diesen Medien sind wir schon lange gewohnt, dass sie, vor allem was die Westsahara betrifft, voreingenommen und bar jeglicher Ethik berichten. Es besteht schon seit langem kein Zweifel daran, dass es sich dabei nicht mehr um reine berufliche Fehler handeln kann“, so Naciri wörtlich. Fast täglich würden systematisch Fehlberichte und manipulierte Meldungen in den spanische Medien erscheinen.

In diesem Zusammenhang erwähnte der Minister auch, dass die spanische Presseagentur EFE im Zusammenhang mit einem Artikel, der von Leichen in den Straßen von El Aaiún sprach, das Foto palästinensischer Kinder brachte, die 2006 bei Bombenanschlägen im Gaza-Streifen ums Leben kamen. Dabei ließ Naciri jedoch völlig unerwähnt, dass EFE dies bereits öffentlich richtiggestellt und Zeitungen wie El País wegen der Veröffentlichung dieses Fotos Selbstkritik geübt hatten.

Weiter beanstandete der Minister, dass ein spanischer Korrespondent der Zeitung ABC Marokko als Diktatur bezeichnet habe und ein Reporter-Team des Radiosenders Cadena SER „verdeckt“ in Marokko arbeite. „Wir sehen uns einem Aufruf zu Hass und Gewalt gegenüber. Auch wird die Meinung der spanischen Öffentlichkeit sträflich manipuliert, um sie gegen Marokko aufzubringen“, schloss Naciri.

Zahlreiche spanische Medienvertreter wurden in den letzten Wochen kurz nach ihrer Ankunft in Marokko in Gewahrsam genommen und nach wenigen Tagen meist ohne jegliche Erklärung wieder ausgewiesen.

Auch Oppositionsführer Mariano Rajoy sah sich der Kritik aus Rabat ausgesetzt. So verurteilte die marokkanische Regierung scharf, dass der Chef der konservativen PP Regierungspräsident José Luis Rodríguez Zapatero beschuldigt habe, im Westsahara-Konflikt seine Pflichten vernachlässigt zu haben und es – so Rajoy – unmöglich sei, „die Dinge noch schlechter zu machen“. Gemeint war damit das beharrliche Schweigen der spanischen Regierung im Zusammenhang mit dem Westsahara-Konflikt.

Diese Beschuldigungen, so Marokkos Premier Abás El Fas, seien nicht nur „erstaunlich und falsch“, sondern stellen seiner Auffassung nach auch einen Angriff auf die territoriale Integrität Marokkos dar. Rajoys Worte würden lediglich den Beziehungen der marokkanischen Regierungspartei PI und der Partido Popular schaden. Es sei regelrecht skandalös, dass ein hoher spanischer Politiker sich auf die Seite der manipulierten Berichterstattung einiger spanischer Medien stelle.

Die spanische Regierung, die bislang kaum öffentlich Reaktionen zeigte, sandte daraufhin immerhin ein Protestschreiben nach Rabat, mit dem sie ihren Unmut über die Kritik an den spanischen Medien und an Oppositionschef Mariano Rajoy zum Ausdruck brachte.

Am 17. November feierten die katalanische Sahara-Aktivistin Isabel Terraza und ihr mexikanischer Kollege Antonio Velázquez ihre sichere Ankunft auf dem Flughafen von Gran Canaria. Nach den Ausschreitungen in El Aaiún hatten sie mit dem spanischen Außenministerium über ihre Rückkehr verhandelt. Sie hätten sich nicht mehr sicher gefühlt und seien von der marokkanischen Polizei verfolgt worden, gaben sie an. Isabel Terraza und Antonio Velázquez bezeichneten das Vorgehen der marokkanischen Behörden bei und nach der Auflösung der Protest-Zeltstadt nahe El Aaiún, mit der rund 20.000 Sahrauis wochenlang für bessere Lebensbedingungen demonstriert hatten, als „Völkermord“. Es sei sehr hart gewesen, Zeuge dieses Genozids zu werden, erklärten sie noch am Flughafen der Presse gegenüber. Sie selbst hätten sich mehrere Tage in einem Haus verstecken müssen.

Die marokkanische Regierung wurde nach den Vorfällen in El Aaiún wegen Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit angegriffen. Spanische Journalisten, denen die Einreise verweigert wurde, und andere, die des Landes verwiesen wurden, bedauerten, dass dadurch niemand wisse, wie es wirklich in den Straßen von El Aaiún aussehe. Die bekannte Journalistin und Nachrichtensprecherin Angels Barceló, die kurz nach der Einreise nach Marokko mit ihrem Kollegen Nicolás Castellano ebenfalls ausgewiesen wurde, sagte: „Die marokkanische Regierung missachtet einen Grundpfeiler des Rechtsstaates, das Recht auf Information, und die spanische Regierung ist nicht schlagkräftig genug.“

Polisario droht mit neuem Krieg

Unterdessen hat die sahrauische Befreiungsfront Polisario mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes gedroht. „Wir haben Waffen, Männer und den Willen“, erklärte der Polisario-Sprecher in Spanien, Bucharaya Beyin. Die internationale Gemeinschaft müsse ein Lösung herbeiführen, andernfalls werde die Befreiungsfront den bewaffneten Kampf wieder aufnehmen und es werde keinen Frieden geben. Die Polisario wolle nicht die Kriegstrommel rühren, sondern klarstellen, dass das Recht auf Selbsbestimmung die einzige Möglichkeit für eine friedliche Lösung des Konflikts darstellt. Die „ethnische Säuberung“, die Marokko seit der Auflösung des sahrauischen Wüstencamps betreibe, werde die Polisario schließlich zwingen, erneut die Waffen zu ergreifen, erklärte Bucharaya Beyin.

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