„Mutter Cayuco“ zu Besuch auf den Kanarischen Inseln


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Yaye Bayam setzt sich für senegalesische Frauen ein, die ihre Söhne und Männer verloren haben, seit ihr einziger Sohn im Cayuco ums Leben kam

Mindestens 1.100 Senegalesen kamen im vergangenen Jahr bei dem Versuch, die kanarische Küste zu erreichen ums Leben, schätzt die spanische Kommission für Flüchtlingshilfe, doch die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Dies gab die Vizepräsidentin des Hilfsausschusses bekannt, als sie in Las Palmas de Gran Canaria Yaye Bayam begrüßte und vorstellte.

Im Volksmund ist Yaye Bayam als „Mutter Cayuco“ bekannt. Wie sie dazu kam, einen Hilfsverband für Witwen und Mütter zu gründen, denen durch den Tod ihrer Männer und Söhne die Lebensgrundlage entzogen wurde, erklärt die tapfere 48-Jährige so: „Alioune Mar, mein einziger Sohn, starb während der Überfahrt im Cayuco vom Senegal auf die Kanarischen Inseln am 25. März 2006. Zusammen mit ihm ertranken 83 weitere Männer der 20 km südlich unserer Hauptstadt gelegenen Ortschaft Thiaroye sur Mer. Ich konnte nur noch weinen und weinen. Doch eines Tages entschied ich, dass ich nun genug geweint hatte. Einen Monat nach der Tragödie beschloss ich, einen Verband zu gründen, um anderen Müttern und Ehefrauen in meiner Lage Trost zu spenden und ihnen neue Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen.“

Yaye Bayam besuchte die Kanarischen Inseln im Rahmen einer Spanienrundreise, deren Zweck die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Problematik der illegalen Immigration und ihrer Opfer ist. Gleichzeitig hofft Yaye Bayam auf finanzielle Unterstützung von Spanien aus für ihre Organisation und die wirtschaftliche Entwicklung ihres Landes. Die Regierung von Castilla-La Mancha hat ihr bereits 60.000 Euro für den Bau einer Kindertagesstätte zugesagt. Ihr Verband gewährt den in der Heimat alleine zurückgebliebenen Frauen, die im Schnitt neun Kinder zu versorgen und den Ernäherer der Familie verloren haben, Mikrokredite. Yaye Bayam setzt sich außerdem für die Förderung der lokalen Wirtschaft ein, um Arbeitsplätze für die jungen Menschen in ihrem Land zu schaffen, damit diese sich nicht mehr gezwungen sehen auszuwandern.

„Im Senegal gibt es sehr viel Armut“, berichtet Mutter Cayuco. „Sengal ist ein junges Land, das zu seiner Entwicklung Arbeitsmöglichkeiten für die jungen Menschen schaffen muss, damit diese nicht mehr in die Flüchtlingsboote steigen müssen.“ Yaye Bayam möchte mit ihrem Verband die Finanzierung von Material für die Fischfänger erreichen, Möglichkeiten für das Tiefgefrieren von Fisch schaffen, eine Färberei für die Frauen gründen und eine Fabrik für die Herstellung von Fruchtsäften. Auf diese Weise soll ein Markt geschaffen werden, wo die junge Bevölkerung beschäftigt werden kann.

„Sie sagen unseren Kindern, dass sie sie nach Europa bringen, ihnen Aufenthaltsgenehmigungen verschaffen und Arbeit“

Derzeit zählt ihr Hilfsverband 550 Mitglieder. Nicht nur Mütter vermisster Kinder und Witwen, auch diejenigen, die die Reise gewagt, das Ziel erreicht und in ihre Heimat zurückgeschickt worden sind, finden bei ihr Beistand. Denn diese Menschen haben meist alles verloren. Sie haben ihr gesamtes Hab und Gut verkauft, um die Überfahrt im Cayuco zu finanzieren. Wenn sie in die Heimat zurückkehren stehen sie am Anfang einer scheinbar hoffnungslosen Zukunft.

Um der massiven Abwanderung in der Heimat entgegenzuwirken, möchte Yaye Bayam nach ihrer Rückkehr aus Spanien eine Aufklärungskampagne starten. „Ich werde zuhause berichten, wie es den Landsleuten in Spanien ergeht. Ich werde z. B. erzählen wie im Ortsteil Lavapiés in Madrid bis zu zwanzig Personen in einer kleinen Wohnung unter nicht besondes hygienischen Bedingungen untergebracht sind. Im Senegal erfährt man solche Dinge nicht.“ Die Schlepperbanden oder Mafiosi, die in Afrika für die Cayuco-Überfahrten nach Europa werben, tischen den verzweifelten jungen Männern Lügen auf, um sie zu der Reise zu überreden. „Sie sagen unseren Kindern, dass sie sie nach Europa bringen, ihnen Aufenthaltsgenehmigungen verschaffen und Arbeit“, berichtet Madre Cayuco.

„Das erste Cayuco

erreichte die Kanaren durch Zufall“

Für den Ansturm der Cayucos aus dem Senegal auf die Kanaren im Verlauf des Jahres 2006 hat Yaye Bayam eine einfache Erklärung: „Das erste Cayuco erreichte die Kanaren durch Zufall“. Angeblich verschwand im Dezember 2005 ein Fischerboot – ein Cayuco – während eines Sturmes. Nach einiger Zeit erreichte dieses Boot die Kanarischen Inseln, von wo aus die Fischer ihre Familien in der Heimat benachrichtigten. Dies lieferte den Beweis dafür, dass es möglich war, die Kanaren mit einem Fischerboot zu erreichen, und Tausende junger Männer beschlossen, ihre Heimat zu verlassen, um in einem Fischerboot Kurs auf eine bessere Zukunft zu nehmen.

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