Nachbarschaftsstreit mit Marokko

Seit Anfang Juni befindet sich Brahim Ghali wieder in Algerien in einem Militärkrankenhaus. Dort besuchten ihn der algerische Präsident, Abdelmayid Tebune (l.) und der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Said Chengriha. Foto: EFE/Presidencia de la República de Argelia

Seit Anfang Juni befindet sich Brahim Ghali wieder in Algerien in einem Militärkrankenhaus. Dort besuchten ihn der algerische Präsident, Abdelmayid Tebune (l.) und der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Said Chengriha. Foto: EFE/Presidencia de la República de Argelia

Der Grund für die Krise ist die Haltung Spaniens zur Westsahara

Madrid – Im Konflikt zwischen Spanien und Marokko um die mehr als 9.000 Migranten, die Mitte Mai teilweise schwimmend die spanische Exklave Ceuta erreichten, wird der Ton immer schärfer. Für die spanische Regierung ist es inzwischen klar, dass es sich um eine gezielte Maßnahme gehandelt hat. Die marokkanische Regierung hatte den Migrantenansturm nicht verhindert oder gar gefördert, um ihr Missfallen darüber zum Ausdruck zu bringen, dass der Führer der Frente Polisario, der Westsahara-Unabhängigkeitsbewegung, in ein spanisches Krankenhaus aufgenommen wurde. Brahim Ghali war Mitte April aus dem algerischen Exil unter falschem Namen nach Logroño gebracht worden, um dort wegen einer schweren Covid-19-Erkrankung behandelt zu werden. Die Regierung in Rabat hält Ghali, der seit mehreren Jahrzehnten die Unabhängigkeit der von Marokko annektierten Westsahara fordert, für einen Terroristen und fühlt sich von ihrem Nachbarn hintergangen. Rabat kündigte beim spanischen Botschafter Konsequenzen an, die dann auch Wirklichkeit wurden. Weder die marokkanische Polizei noch die Küstenwache hinderten die Menschen daran, in Richtung Ceuta aufzubrechen.
Jetzt hat der marokkanische Außenminister Stellung bezogen und erklärt, dass die Krise in den diplomatischen Beziehungen nicht nur auf Brahim Ghali zurückzuführen sei, sondern, dass es um die feindselige Haltung Spaniens in der Unabhängigkeitsfrage der Westsahara gehe. Marokko hatte im Vorfeld die Auslieferung Ghalis gefordert. Der ist jedoch zwischenzeitlich abgereist, nachdem er vor einem spanischen Gericht ausgesagt hatte.

Hinkender Vergleich mit dem Katalonien-Konflikt

Die Regierung Marokkos setzt die Situation der Westsahara mit den Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien gleich. „Man kann Unabhängigkeitsbestrebungen nicht im eigenen Land bekämpfen und beim Nachbarn fördern“, argumentiert ihr Außenminister, worauf Präsident Pedro Sánchez mit einer ungewohnt harten Ansage reagierte: „Es ist absolut inakzeptabel, dass eine Regierung zugibt, sie habe die Migration, also den Ansturm von Menschen auf die Grenzen Spaniens mit über 10.000 Einwanderern in weniger als 48 Stunden, genutzt, um Meinungsverschiedenheiten, Unterschiede und Diskrepanzen in der Außenpolitik deutlich zu machen.“
Noch immer befinden sich gemäß Polizeiangaben etwa Tausend Marokkaner in provisorischen, teilweise unzumutbaren Unterkünften in Ceuta, nachdem Spanien zunächst einen großen Teil der „Eindringlinge“ nach Marokko zurückbefördern konnte. Doch die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Regierungen belasten die Kooperation bei der Rückführung.
Weiterhin ist auch ungeklärt, was mit den etwa 850 Minderjährigen geschehen soll, die nach Angaben des Rotes Kreuzes zwischen dem 17. und 19. Mai nach Ceuta gekommen sind. Gemäß einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, dürfen Minderjährige nicht abgeschoben werden. Die konservative Opposition lehnt den Plan der Regierung entschieden ab, die Jugendlichen auf das spanische Festland zu bringen. Sie warnt davor, dass marokkanischen Familien darin eine Chance sehen, ihre Kinder nach Spanien zu schicken.

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