Neue Rechtslage ab 17. August durch EU-ErbVO von Jan Löber und Dr. Alexander Steinmetz


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Deutsche Erbschaften in Spanien

Die Erben und Vermächtnisnehmer von EU-Angehörigen, die seit dem 17. August 2015 verstorben, unterliegen der neuen EU-ErbVO 650/12. Allerdings gilt dies nicht für Großbritannien, Dänemark und Irland.

Die neue EU-ErbVO stellt einen Paradigmenwechsel dar, weil sie das bisherige Prinzip der Maßgeblichkeit des Heimatrechts des Erblassers aufhebt und stattdessen den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers als Kriterium zur Bestimmung des Erbrechts heranzieht (Domizilsprinzip). 

Die wichtigsten Neuerungen der EU-ErbVO sind folgende: 

1. Das anwendbare Recht ändert sich

Maßgebliches Erbrecht für Deutsche und Spanier ist grundsätzlich nicht mehr das Heimatrecht des Erblassers (Staatsangehörigkeitsprinzip), sondern das Erbrecht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsstaates (Domizilsprinzip). So gilt beispielsweise für deutsche Staatsangehörige mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien das spanische Erbrecht. Umgekehrt gilt für Spanier mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland das deutsche Erbrecht. 

2. Option für Heimatrecht zulässig

Der Erblasser kann jedoch im Rahmen und in der Form eines Testaments oder Erbvertrages bestimmen, dass sein Heimatrecht (d.h. das Recht seiner Staatsangehörigkeit) für seine Rechtsnachfolge maßgeblich ist. 

3. Das Europäische Nachlasszeugnis

Neu eingeführt durch die EU-ErbVO wurde das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ). Es ist vergleichbar mit dem deutschen Erbschein, der reine Inlandssachverhalte regelt. Demgegenüber dient das europäische Nachlasszeugnis der erleichterten Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle. Es führt nicht nur die Erben auf, sondern in gleicher Weise auch Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter. Es dient dem Nachweis der Rechte dieses Personenkreises. Das ENZ genießt auch wie der Erbschein des deutschen Rechts weitgehend Gutglaubensschutz. Allerdings hat das ENZ nur eine Gültigkeitsdauer von 6 Monaten, wobei jedoch eine Fristverlängerung möglich ist. 

Weiterhin enthält das ENZ das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht (Art. 68 der VO).

Das ENZ entfaltet seine Wirkungen in allen Mitgliedsstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. 

4. Unterschiedliche Rechtsfolgen, je nach anwendbarem Erbrecht

Die europäische ErbVO schafft die nationalen Erbrechte nicht ab; sie bestimmt jedoch aufgrund ihrer Kriterien, welches nationale Recht auf den jeweiligen Erbfall anzuwenden ist. Die nationalen Erbrechte beispielsweise Deutschlands und Spaniens weichen in sehr vielen Punkten voneinander ab und kommen häufig zu außerordentlich unterschiedlichen Ergebnissen. Die unterschiedlichen Ergebnisse können dem Leser am besten vor Augen geführt werden durch die nachstehenden Beispiele, die einmal einen Erbfall betreffen, bei dem der Erblasser vor dem 17. August 2015 verstorben ist und die anderen, in denen der Todestag des Erblassers nach dem 17. August 2015 liegt:

5. Jetzt wird es ernst, wie die Beispiele zeigen:

Beispiel A.

Der deutsche Staatsangehörige Frank Lehmann verstirbt am 10. August 2015 in Spanien. Er hat kein Testament errichtet. Er ist in gesetzlichem Güterstand nach deutschem Recht verheiratet mit Marianne Lehmann. 

Aus der Ehe sind 2 Kinder hervorgegangen. 

Die Eheleute Lehmann hatten im Jahr 2013 ihren Mietvertrag in Berlin gekündigt und daraufhin ein Apartment an der Costa del Sol erworben. 

Frank Lehmann ist am 10. August 2015 in Spanien, an der Costa del Sol, verstorben. 

Wie ist die Rechtslage?

Da die EU-ErbVO erst ab 15. August 2015 gilt, richtet sich die Rechtslage nach altem Recht. Das anwendbare Recht ist in diesem Fall noch das deutsche Erbrecht der Staatsangehörigkeit des Herrn Lehmann. Da Herr Lehmann kein Testament errichtet hat, gilt die gesetzliche Erbfolge. Danach ist die Witwe des Erblassers Miterbin zu ½ und die Kinder je zu ¼. (§§ 1924, 1931, 1371 BGB)

Abgeändertes Beispiel B:

Herr Lehmann verstirbt am 20. August 2015 in Spanien. 

Welches Recht ist anwendbar und was sind die Rechtsfolgen?

Da der Todestag des Erblassers nach dem 17. August 2015 liegt, ist für den Nachlass des verstorbenen Frank Lehmann im Hinblick auf seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien spanisches Recht maßgeblich (Domizilsprinzip). Es liegt auch keine testamentarische Verfügung des Erblassers vor, dass er für das deutsche Heimatrecht als anwendbares Erbrecht optiert hat. Deshalb verbleibt es bei der Anwendbarkeit spanischen Rechts. 

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des spanischen Erbrechts sind die beiden Kinder gesetzliche Miterben zu je ½ (Art. 807.1 CC). Die Witwe des Erblassers hat an einem Drittel des Nachlasses ein  sogenanntes Nießbrauchrecht (usufructo). 

Unklar aus aktueller Sicht ist, ob sich der Erbteil der Ehefrau aufgrund des deutschen Ehegüterrechts (§ 1371 BGB) um ¼ erhöht. Dieser Fall zeigt in aller Deutlichkeit die extremen Unterschiede, die zwischen dem deutschen und dem spanischen Erbrecht bestehen. 

C. Weitere Abänderung des Beispiels:

Das gleiche Beispiel wie 5.B mit folgender Abänderung: 

Der Erblasser hat in einem privatschriftlichen  Testament aus dem Jahre 2014 verfügt, dass seine Ehefrau Alleinerbin ist. Das Testament enthält keine Option für das deutsche Heimatrecht. 

Wie ist die Rechtslage? 

Es ist wie im vorigen Beispielsfall 5.B spanisches Recht anwendbar, da der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in Spanien lag. Nach Art. 807.1 CC sind seine beiden Kinder Noterben. Sind die Noterben vorhanden, darf der Erblasser nur unter Beachtung der gesetzlichen Rechte der Noterben letztwillig über sein Vermögen verfügen. Nach spanischem Recht (Art. 808 I Código Civil) haben die beiden Kinder des Erblassers ein gesetzliches Noterbrecht in Höhe von 2/3 des Nachlassvermögens. Das bedeutet, dass die Erbeinsetzung der Ehefrau nach spanischem Recht bedingt unwirksam ist, da der Erblasser nur über 1/3 seines Vermögens (sog. Libre disposición Art. 808 III Código Civil) im Hinblick auf die beiden Kinder als Noterben verfügen darf.

 

Das bedeutet in unserem Beispielsfall konkret, dass nach spanischem Recht ein jeder der Hinterbliebenen, also die beiden Kinder und die Witwe, Miterben zu je 1/3 sind. 

6. Überprüfung bereits errichteter Testamente

Die Beispiele haben mit aller Deutlichkeit die neue Rechtslage ab dem 17. August 2015 aufgezeigt. Wer diese Folgen für seine Erben ausschließen will, weil für ihn nur eine Rechtsnachfolge nach deutschem Recht stattfinden soll, sollte handeln. 

Jeder Erblasser hat die Möglichkeit, durch eine letztwillige Verfügung, also durch ein Testament oder im Rahmen eines Erbvertrages von dem neuen Domizilsprinzip im Erbrecht abzuweichen. Jeder Erblasser kann nach der neuen EU-ErbVO testamentarisch eine Option für sein Heimatrecht treffen. Ein Deutscher für das deutsche Erbrecht, ein Spanier für sein spanisches Erbrecht. 

Wer aus Gründen der neuen EU-ErbVO für das deutsche Heimatrecht optiert, sollte es nicht bei der reinen Option belassen. Er sollte bei dieser Gelegenheit seine Erben und deren Erbquoten bestimmen oder ein bereits errichtetes Testament auf seine Aktualität überprüfen und an die Erfordernisse der EU-ErbVO anpassen. In ein Testament kann man auch im Rahmen von Vermächtnissen einzelne Gegenstände bestimmten Personen zuwenden. Sinn von Testamenten ist es auch, künftige Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden. Dies erfolgt häufig in der Form der Bestellung eines Testamentsvollstreckers. Ein Testament kann sowohl privatschriftlich als auch in notarieller Form errichtet werden. 

Ein privatschriftliches Testament muss von A – Z handschriftlich geschrieben und unterschrieben sein und Ort und Zeit seiner Errichtung aufführen. 

Wer mit der Materie nicht oder nur wenig vertraut ist, sollte einen sachkundigen Berater hinzuziehen. Nur sollte er angesichts der neuen Rechtssituation in jedem Falle ohne Verzug handeln und damit für seine eigene Erbsituation Vorsorge für die Zukunft treffen. Denn wenn dem Erblasser etwas passiert, sollte er bereits in testamentarischer Form bestimmt haben, was mit seinem Vermögen im Falle seines Todes passiert. 

Frankfurt, im August 2015

 

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