Neues Leben für ein „entvölkertes“ Dorf

Das mittelalterliche Kloster Santa María de Sobrado ist eine der Sehenswürdigkeiten des beschaulichen Ortes.

Das mittelalterliche Kloster Santa María de Sobrado ist eine der Sehenswürdigkeiten des beschaulichen Ortes.

Flüchtlinge finden in einem abgelegenen Ort ein neues Zuhause

A Coruña – Sobrado dos Monxes liegt in der Nähe von A Coruña. Der kleine Ort ist eine der letzten Stationen auf dem Jakobsweg. In ihrem aus dem 10. Jahrhundert stammenden Kloster verkaufen die Mönche Milchgebäck an die Pilger, die in der Kloster-Herberge auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela übernachten.

Wie vielerorts in Spaniens ländlichen Gebieten ist auch Sobrado dos Monxes von Abwanderung betroffen. Die jungen Menschen ziehen in die Städte, um dort ihre Zukunft zu sichern. Der Ort zählte heute nur noch 1.700 Einwohner. Vor Kurzem aber sind neue Nachbarn dazugekommen. Zhore Kohi und Patkin Nazifullah sind, nach einer sieben Monate dauernden Flucht aus Afghanistan, in Sobrado „gestrandet“. Zhore ist eine bekannte Anwältin für Menschenrechte. Viele Jahre lang kämpfte sie vor Gericht für die Gleichberechtigung afghanischer Frauen. Mit dem Einzug der Taliban in Kabul musste sie um ihr Leben fürchten. Über ein von Frauen gebildetes, internationales Hilfsnetz konnte sie mit ihrem Mann aus ihrem Heimatland fliehen und kam am Ende ihrer Flucht in dem kleinen galicischen Dorf an.

Als sie noch ein Kind war, emigrierte ein Nachbar nach Spanien und erzählte bei seinen Besuchen in der Heimat über seine ruhige Existenz in einem sonnigen Land. So hatte sie auch keine Zweifel daran, dass das Endziel ihrer Flucht Spanien sein würde.

Ángeles Sánchez ist in Sobrado dos Monxes geboren. Vor 20 Jahren gründete sie einen Verband für Frauen aus ländlichen Gebieten. Auch wenn sie nur über bescheidene Englischkenntnisse verfügt, trifft sie sich regelmäßig mit dem Paar zum Kaffee. Ángeles kennt das Leben ihrer neu gewonnenen Freunde: niedriges Einkommen, kein Strom, keine Heizung und überfüllte Notunterkünfte, monatelange Flucht aus der Heimat nach der dramatischen Besetzung des Kabuler Flughafens durch die Taliban.

Belén Vallina war viele Jahre bei UNO und OECD tätig und ist Mitbegründerin von Eunova, einer Agentur für Innovation und Entwicklung im ländlichen Bereich. Sie war das Bindeglied zwischen Afghanistan und Spanien, als im August letzten Jahres unzählige Menschen vor den Taliban flohen. Sie erfuhr von der Anwältin und ihrem Ehemann, als diese Pakistan erreicht hatten, ihre Situation aber weiterhin prekär war, da sie keinen festen Wohnsitz nachweisen konnten.

Der Frauenverband von Ángeles setzte sich mit dem Regierungsrat von Sobrado dos Monxes in Verbindung, suchte eine Unterkunft, organisierte Spanischkurse und schrieb Kohi an der Universität von Santiago de Compostela ein. Dort sollte sie den in Afghanistan begonnenen Master beenden. Patkin Najibullah, ihren Ehemann, meldeten sie in einem Programm für Jungunternehmer an. Nach mehreren Einladungsschreiben hießen sie das Ehepaar in ihrem Dorf willkommen.

Lisardo Santos ist der Bürgermeister von Sobrado dos Monxes. Für ihn ist die Ankunft von Zhore Kohi und Patkin Nazifullah die Gelegenheit, dem Ort neues Leben zu geben. Mit wenig Aufwand könnten leerstehende Gebäude instand gesetzt werden, weitere Flüchtlingsfamilien fänden ein neues Zuhause. Aber die bürokratischen Hürden sind hoch.

Nun haben Kohi, Vallina und Sánchez einen Verband gegründet, der weiteren aus Afghanistan und der Ukraine geflüchteten Menschen ein neues Zuhause bieten möchte. Die drei Frauen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Flüchtlingsfamilien eine neue Zukunft zu geben. Die Gründung der Hilfsorganisation „Impulso y Territorio“ soll afghanische Vertriebene auf ihrem Weg in ein freies Leben unterstützen.

Zhore Kohi ist die Präsidentin des Verbandes. Ihre jahrelange Tätigkeit als Anwältin und die auf ihrer Flucht erlangten Kenntnisse über den enormen Verwaltungsaufwand, der die Asylanten erwartet, wenn sie in Europa ein neues Leben beginnen möchten, machen sie zu der idealen Kandidatin.

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