Ostern – Pudding und Pelikan


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Ich hoffe, Sie halten mich jetzt nicht für blasphemisch oder gar verrückt ob dieses Titels, den ich meinem Beitrag zu Ostern gegeben habe. Aber es ist noch gar nicht so lange her, da las ich eine mehr als nachdenkliche Geschichte, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

„Ein Mensch beschäftigte sich mit dem Leben nach dem Leben. Auf seiner Suche kam er zu einem bekannten spirituellen Meister, den er befragte: „Was ist nach dem Tod?“ – „Nichts!“ lautete die kurze Antwort. „Gibt es die jenseitige Welt.“ – „Nichts!“ lautete die Antwort. „Gibt es also kein Leben nach dem Tod?“ – Und wieder bekam er vom Guru die Antwort: „Nichts.“ Bitter enttäuscht reiste der Suchende ab. Die Schüler bestürmten ihren Meister: „Wie konntet ihr den Menschen so trostlos weggehen lassen? Immer nur Nichts! Nichts! Nichts!? – Was antwortest du uns, deinen Schülern, auf seine Fragen?“ – „Nichts“, antwortete der Meister: „Esst euren Pudding.“

Zunächst ist man einfach nur erstaunt, ob dieser kurzen Geschichte. Und gleichzeitig merke ich, wie sich da alles in mir zu wehren beginnt. Schließlich feiern wir in diesen Tagen miteinander das Osterfest, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Millionen von Christen sich in die Ostergottesdienste aufmachen wegen eines Nichts. Das wäre ja absurd! Aber wenn wir ehrlich sind, dann bleibt doch schlussendlich schon die Frage bestehen: Haben wir wirklich die Antwort auf die Fragen aller Fragen gefunden? Ist am Ende wirklich mehr als das Nichts? Der spirituelle Lehrer in der Geschichte sagt, dass es letzte Antworten, letzte Gewissheiten nicht gibt. Deswegen ist für ihn nur eines wichtig, zu leben. Denn der Tod macht keinen Sinn. „Etwas Besseres als den Tod findest du überall“, das wussten schon die vier Bremer Stadtmusikanten, als sie sich auf und davon machten.

„Esst euren Pudding“, das ist die überraschende und zunächst auch befremdliche Antwort auf die Lebensfrage. Tut das, was jetzt richtig und wichtig ist, und wäre es das Verzehren einer Nachspeise. Lebt und fragt nicht lange. Aber lebt aus der vollen Konsequenz, die das Leben uns abverlangt, so als wäre heute unser letzter Tag. Und wenn er es denn wirklich wäre, warum dann nicht in aller Ruhe seinen Pudding essen? Ist das so abwegig?

Der Tod macht ohne Leben keinen Sinn, keine Frage. Andererseits macht der Lebensweg Jesu ohne Auferstehung nur wenig Sinn. Wir haben für die Osterkerze dieses Jahres das uralte Symbol des Pelikans gewählt. Dieser Vogel, so besagt es eine alte Fabel, zeichnet sich durch eine besonders große Liebe zu seinen Jungen aus. Seine Sorge geht sogar so weit, dass die Eltern in Zeiten des Hungers und der Not ihre eigene Seite öffnen, um ihre Jungen zu nähren und sie so vor dem Hungertod zu bewahren. Gerade deshalb wurde der Pelikan schon früh als ein Symbol für die Erlöserliebe Christi genommen. Denn der Auferstandene zeigt ja den verängstigten Jüngern auch seine Seite. Sie weist ihn als denselben aus, den sie erlebt haben – auch am Kreuz, wo er qualvoll den Tod erlitten hat. Er, dessen Sendung es war und ist, die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen, den Ausgestoßenen Hoffnung und Rückkehr zu ermöglichen und denen zum Leben zu verhelfen, die ihr Leben als nicht lebenswert erachten wollen – er zeigt den Jüngern in dieser Geste, wie er selber einen Neuanfang erlebt. Und dieser Neuanfang gilt allen Menschen – denn „durch seine Wunden sind wir geheilt“ schreibt schon der Prophet Jesaja. 

Hat nicht Jesus in seiner Todesstunde als letztes Wort gesagt: Vater, in deine Hände lege ich mein Leben? Letzte Worte haben in unserem Leben eine besondere Bedeutung; oft verraten sie schon etwas aus der kommenden Welt; so als wäre dem, der es spricht, schon ein erster Blick vergönnt. Wer sein Leben aber in die Hände des lebendigen Gottes legen kann, die- oder derjenige hat das Leben. Davon bin ich überzeugt. Und diese Überzeugung lässt uns – und da komme ich auf den Anfang zurück – den „Pudding“ oder etwas anderes essen, wenn dafür die Zeit ist.

Aus den Worten des spirituellen Meisters spricht deshalb eine große Gelassenheit. Sie ist jenen Menschen eigen, die mit beiden Beinen in dieser Welt stehen und doch bereits fest im Kommenden verankert sind. Zu dieser Gelassenheit hatte Jesus gefunden, als er sagte: Vater, in deine Hände lege ich mein Leben. Dieser gelassene Blick mindert den Osterjubel keineswegs. Vielmehr ist er die Basis für das Halleluja, das wir zu Ostern singen können. Sonst wäre unsere Freude über das neue Leben aufgesetzt, ohne Grund und Sicherheit. Ostern öffnet uns ein Fenster in die kommende Welt.

Jesus hat das neue Leben nicht durch das Kreuz verdient. Gott hat es geschenkt, wie er uns das neue Leben schenken wird. Einfach so. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn die Religionen sich verrückt machen, um das ewige Leben durch Tricks zu gewinnen oder über Leistungen zu erreichen. Dann wäre es nichts als Menschenwerk – und wie ein solches Machwerk aussehen würde, wage ich gar nicht zu beschreiben.

Die Auferstehung, das neue Leben ist Gottes Geschenk. Wenn es für das schlichte Wort „Iss deinen Pudding“ noch einen Beweis braucht, liefere ich ihn durch ein Evangelium, das wir in der Osterzeit lesen: Jesus geht nicht auf die drängenden Fragen ein, die seine Jüngerinnen und Jünger in Kopf und Herz bewegten. Er isst einfach mit ihnen. Statt sich ihrem Warum zu stellen, den Fragen nach Tod und Leben, teilt er das Brot und den Fisch. In diesem Augenblick gibt es nichts Wichtigeres. Das Leben lebt.

Herzlichst, Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und 

Residentenseelsorger

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