Passkontrolle


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Gemütlich, behäbig und bequem, so fühlt sich der Advent an – zumindest wollen uns das die Werbestrategen immer wieder aufs Neue weismachen. Gemütlich im trauten Heim oder hier in den Tagen des Urlaubs; die Füße bequem auf dem Sofa bzw. das Liegen am Strand in der Sonne, das Wandern in den Bergen, ja so lässt sich der Advent doch genießen.

Und komme mir jetzt bitte niemand, der genau diese vorfeiertägliche Besinnung stören möchte. So bequem und nichtssagend besinnen wir uns sehr gerne und bereiten die Feiertage, den pflichtgemäßen Geschenkaustausch und damit verbunden die häufig größte Gedankenlosigkeit des Jahres vor.

Soweit Ironie, kritische Anmerkung oder auch süffisant übertriebenes Aufzeigen einer Situation, die alljährlich wiederkehrt und der wir uns immer wieder neu stellen müssen. Aber – je mehr ich darüber nachdenke: Ist das alljährliche Adventsgetue wirklich soweit von dem entfernt, was ich da so skurril beschrieben habe? Diese Zeit sollte ja alles andere als gemütlich und bequem sein. Denn die Tage des Advents laden uns ein, uns mal einer wirklich ehrlichen Selbsterkenntnis zu unterziehen: Wer bist du eigentlich? Dabei geht es uns nicht wesentlich anders oder besser als dem „Rufer in der Wüste“, Johannes dem Täufer. Er wird gefragt: Bist du der, der kommen soll? Und weil Johannes sich in den Tagen seines Wüs­tenaufenthaltes intensiv mit seiner Person auseinandergesetzt hat, konnte er dann auch ganz klar und eindeutig bekennen: Nein, ich bin es nicht. Johannes kannte sich selbst, er war identisch mit seinem Lebensauftrag und deshalb stand dieser, seiner eindeutigen Aussage auch nichts im Wege. Er hatte keinerlei Zweifel darüber, dass er „nur“ Wegbereiter war und er hatte es deshalb am Ende seiner Tätigkeit nicht nötig, wie ein gefeierter Schauspieler mehr aus sich zu machen, als er war. Nein, er stand zu seiner ‘vor-läufigen’ Existenz.

Genau in dieser Haltung liegt nun aber die Hauptaufgabe des Advents verborgen, die Ihnen und mir gestellt ist: Wer bin ich? Wer bin ich vor mir selber, vor den anderen Menschen – wer bin ich schluss­endlich vor Gott? In meinen Augen eben keine gemütliche Aufgabe, die „man“ mal so schnell auf dem Sofa schlummernd oder in der Sonne liegend lösen könnte. Denn echte, ehrliche Selbstbestimmung, die kann ja mitunter sehr schmerzen und weh tun. In der Tat ist es doch im wahrsten Sinne des Wortes oft ‚ent-larvend’, wenn ich aufhöre, mir selbst etwas vorzuspielen. In der Regel weiß ich doch, wer und was ich bin und wo ich eben trotz größter Anstrengungen eben immer und immer wieder neu versage. Das aber kann ich dann auch spielend vor anderen verbergen.

Aber vor mir selber? Dabei habe ich es doch gar nicht nötig, mir selbst in irgendeiner Weise etwas vorzumachen. Ich bin von Gott gewollt; ich bin von ihm mit diesem, meinem Leben begabt und von ihm in diese Welt und in diese Zeit gerufen. Weil ich weiß, dass Gott zu mir steht und mein Leben bejaht, kann und darf ich sogar soweit gehen und ohne jegliche Selbstüberheblichkeit sagen: Wenn ich nicht da wäre, dann würde ein wesentlicher Mensch fehlen. So wie ich bin, bin ich als dieser Menschen und in dieser Zeit von Gott gewollt. Eine Erkenntnis, die uns durchaus die Sprache verschlagen kann, wenn wir sie einmal ganz bewusst nachdenklich für uns aussprechen und gleichsam auf der Zunge zergehen lassen. Ich bin zu meiner Zeit ‚not-wendig’, damit Gott seinen für uns Menschen unergründlichen Plan auch durch mich verwirklichen kann. Verwirklichen zugunsten all der Menschen, die er mir anvertraut hat. Ich bin von Gott gewollt und in diese Zeit gesandt – so wie vor 2000 Jahren Johannes der Täufer gesandt war, oder wie Jahre später ein Paulus, der so viele Gemeinden gründete oder auch ein Franziskus, der die Armutsbewegung ins Leben rief oder ein Roger Schutz, der mit Taizé so vielen Menschen einen neuen oder auch anderen Zugang zum Glauben geschenkt hat und es bis heute tut. 

Advent – Zeit der Freude. Ich weiß, Freude ist ein Allerweltswort, aber es hat für jede und jeden von uns doch eine ähnliche Bedeutung. Und diese Freude verspüre ich, weil es unglaublich ist, was Gott mit uns vor hat: So wie er seinen Sohn in eine ganz bestimmte Zeit, in ein ganz bestimmtes Land, in eine ganz bestimmte Religion hinein gesandt hat, so sendet er heute uns – Sie und mich – gerade dorthin, wo wir leben und als Menschen wirksam werden können. Das zu erkennen, diese Selbstbestimmung unserer eigenen Person, das ist die Aufgabe der Adventszeit, damit wir nachher wieder verstehen lernen, was es heißt: In der Person des Menschen Jesus aus Nazareth, da ist Gott einer von uns geworden. In diesem Sinne Ihnen allen eine erkenntnisreiche Selbstentdeckung oder auch ureigene Passkontrolle in diesen adventlichen Tagen.

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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