Petrus – Aussteiger damals und heute


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Wahrscheinlich erging es vielen von uns am vergangenen Rosenmontag so wie jenem Passanten, der von einem Fernsehsender beim Warten auf den Karnevalszug gefragt wurde: „Was sagen Sie denn zum Papst-Rücktritt?“ Der Mann schüttelte sich vor Lachen und meinte nur: „Sie wollen eine ehrliche Antwort? Dann sag ich Ihnen: Diese Frage ist ein guter Scherz!“

Ja, so haben wohl viele gedacht, als sie die ersten Agenturmeldungen gelesen haben: Rosenmontag und diese Nachricht – das kann nur ein Scherz sein.

Nun wissen wir zwischenzeitlich, dass es alles andere als ein Scherz war und dass das Pontifikat Benedikt XVI. in wenigen Tagen endet. Dieser Papst hat noch einmal Geschichte geschrieben, indem er für sich etwas in Anspruch nimmt, was in dieser Welt eigentlich ganz normal ist. Wenn die Kräfte des Menschen im Alter schwinden, übergibt man die Aufgaben und die Verantwortung in andere, in jüngere Hände. Warum nicht auch in der Kirche? Und da können wir sicher sein, hat dieser Papst noch einmal ein wichtiges Zeichen für all seine Nachfolger auf dem Stuhl Petri gesetzt. 

Ich will mich jetzt hier aber nicht darüber auslassen, was nun Gründe für den Rücktritt des Papstes sind oder wer nun der geeignete Nachfolger wäre. Ich will auch nicht in Spekulationen darüber verfallen, wie der Lebensabend eines Papstes im Ruhestand aussehen wird, was er noch tun darf und was nicht. Es geht mir mit den nachfolgenden Gedanken darum, dass der, der dieses Amt innehat und dem dieses Amt anvertraut wird, sich immer auf den ersten Inhaber, auf Petrus selbst, zurückbesinnen sollte, der auch ein Aussteiger war. Erinnern Sie sich?

Sie hatten mit ihrem Boot das Ufer erreicht, und Petrus setzte sich abseits von seinen Freunden ins Gras. Er schloss die Augen und dachte zurück: Wie eine stürmische Fahrt über einen aufgewühlten See war sein Leben verlaufen, seit er Jesus begegnet war, hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Zweifel – so sein Gefühl. Der Ausstieg aus Familie und Beruf war ein Sprung ins kalte Wasser gewesen – manchmal hatte er das Empfinden, getragen zu sein, manchmal hatte er Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren und einzubrechen, Angst vor der eigenen Courage. Dann spürte er wieder die Hand Jesu, die ihn festhielt und aus seiner Unsicherheit herausführte. Jetzt aber hörte er eine vertraute Stimme:

„Du bist Petrus, der Aussteiger. Du hast dich herausrufen lassen aus den Sicherheiten deines bisherigen Lebens in das Abenteuer einer neuen Freiheit. Du hast ausprobiert, ob der Weg zu mir und mit mir ein gangbarer Weg ist – weg von der Orientierung an Macht und Besitz, hin zum Engagement für die Zu-Kurz-Gekommenen, zum Einsatz für eine menschlichere Welt. Du hast erfahren, dass man auf diesem riskanten Weg nicht untergeht, selbst wenn einem das Wasser bis zum Hals steht.

Du bist Petrus, der Aussteiger, und auf Frauen und Männer wie dich will ich meine Kirche bauen. Auf Menschen, die den Mut haben, auf andere zuzugehen und sie mit ihrer Hoffnung und ihrem immensen Gottvertrauen anzustecken. Auf Menschen, die keine Angst haben, nasse Füße zu bekommen, wenn sie mit der frohen Botschaft unterwegs sind. Auf Menschen, die im Gegenwind von Enttäuschung, Krankheit und Verlust bei mir Trost und Halt finden.

Du bist Petrus, der Aussteiger, und ich wünsche dir viele Nachfolger, die etwas von deiner Risikobereitschaft und deiner Unbekümmertheit in sich tragen. Aussteiger wie du, die sich herausholen lassen aus festgefahrenen Denkmustern und immer wieder erkennen, wie sehr sie selbst noch auf der Suche sind. Aussteiger wie du, denen Unsicherheit und Zweifel nicht fremd sind, und die deshalb ein weites Herz haben für alle, die sich mühsam an mich herantasten und mich auf neuen und manchmal ganz ungewohnten Wegen suchen. Aussteiger wie du, die sich den Wellen der Kritik und der bohrenden Fragen aussetzen und sich auf Gebiete vorwagen, in denen es eben noch keine fertigen Antworten gibt.“

Petrus spürte: Sein Leben würde nie mehr etwas anderes sein als ein Gang über stürmisches Wasser – gefährlich schwankend zwischen Stärke und Angst, aber immer der ausgestreckten Hand Jesu entgegen. Ist das heute aber anders als damals? Ich glaube nicht. Und deshalb wünsche ich mir einen neuen Papst, der diesem „Aussteiger Petrus“ aus der Urkirche gleicht. Einen „Aussteiger“, der nicht seine Aufgabe zuerst darin sieht, eine Weltkirche mit modernem Management zu führen, sondern der – wenn auch nur ansatzweise – das in sich trägt, was der Petrus der Urkirche an Gefühlen und Empfindungen in sich getragen hat, als er damals anfing, Jesus nachzufolgen. Beten wir für einen „Aussteiger“, der ganz in die Welt von uns Menschen „einsteigt“, damit der Glaube den Menschen auch weiterhin Halt vermittelt und die Kirche für viele Heimat bleibt oder wieder neu wird.

Herzlichst Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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