Pfarrschreiben beschuldigt Gewaltopfer der „Provokation“


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„Der Mann verliert nicht aus Macht, sondern aus Schwäche die Nerven“

Ein von einem pensionierten Lehrstuhlinhaber für Theologie in dem jüngsten Pfarrbrief des Bistums Valencias veröffentlichter Artikel über häusliche Gewalt hat sowohl innerhalb als auch außerhalb der katholischen Kirche für heftigen Protest gesorgt.

Valencia – In dem Schreiben, das auf der zweiten Seite des Gemeindebriefes „Aleluya“ erscheint, gibt Gonzalo Gironés den Frauen, die Opfer von Misshandlungen durch ihre Partner wurden, eine Mitschuld. Sie hätten den Täter so lange provoziert, bis dieser sich einfach nicht mehr kontrollieren konnte, so die Erläuterungen Gironés’.

Wörtlich heißt es unter anderem: „Niemand hat sich je darüber ausgelassen, was die Opfer vorher getan haben, sicherlich haben sie die Täter vorher mehr als einmal mit Worten provoziert. (Der Mann verliert normalerweise nicht die Nerven aus Macht, sondern aus Schwäche: Er hält es einfach nicht mehr aus und reagiert, wobei er mit seiner Kraft die Provokateurin erdrückt).

Anschließend weist der Verfasser darauf hin, dass im vergangenen Jahr zwar tatsächlich 63 Frauen durch Gewalttaten ihrer Partner zu Tode kamen, gleichzeitig aber auch 85.000 Abtreibungen vorgenommen wurden. „Auf jede getötete Frau kommen somit 1.350 Kinder, die auf Wunsch der Mutter getötet wurden. Das ist schlimmer“, so die Logik des Geistlichen.

Den Medien gegenüber meinte Gironés angesichts der Welle der Entrüstung, die sein Schreiben selbst bei treuen Kirchenmitgliedern auslöste, er habe nicht die Gewalttaten von Männern gegen Frauen gerechtfertigt. „Was ich meine ist, dass die Handlungen der Frauen die Schuld der Männer abschwächen können. Es handelt sich also höchstens um einen mildernden Umstand und nicht um eine Rechtfertigung“, verteidigte sich der pensionierte Lehrstuhlinhaber für Theologie.

Der Erzbischof von Valencia, Agustín García-Gasco, erklärte später, bei „Aleluya“ handele es sich nicht um eine offizielle Publikation. Er stimme aber ohnehin in keinem Fall mit der Ausdrucksweise des Schreibens überein, das auch nicht die Position der Kirche diesen nicht zu rechtfertigenden Gewalttaten gegenüber widerspiegele. Erstaunlicherweise erscheint jedoch unterhalb des Titels „Aleluya“ in großen Buchstaben Erzbistum von Valencia und als Herausgeber steht ebenfalls Erzbistum von Valencia.

Da die Wellen der Empörung immer höher schlugen, bat der Erzbischof García-Gasco schließlich öffentlich die Opfer häuslicher Gewalt um Verzeihung. Die Staatsanwaltschaft von Valencia ermittelt derweil, ob Gironés wegen seiner Äußerungen strafrechtlich verfolgt werden kann.

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