Picknick vor der Schule


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Skandal um zu wenig Plätze in den Kantinen

Am 8. September begann auf den Kanaren für Grundschulkinder wieder der Lernalltag.

Die Gewerkschaften beschrieben den Start des neuen Schuljahres auf den Inseln als „chaotisch“ und beanstandeten unter anderem den Mangel an Lehrkräften, die Überbelegung der Klassen mit Schülern, die das zugelassene Maximum übersteigen, den verspäteten Unterrichtsbeginn an einigen Schulen, weil Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren und fehlende Plätze in den Schulkantinen – über 3.000 sollen es auf dem ganzen Archipel sein.

Auf Teneriffa war der Beginn des neuen Schuljahres vor allem gekennzeichnet durch Proteste bzw. die Polemik um das unzureichende Angebot an Plätzen in einigen Schulkantinen.

In der ersten Schulwoche nach den großen Ferien kam es vor einigen „Colegios“ deshalb zu Aufsehen erregenden Protestaktionen empörter Eltern. Demonstrativ veranstalteten sie Picknicks vor dem Schuleingang, um auf die Problematik aufmerksam zu machen, denn an zehn Schulen Teneriffas übersteigt die Nachfrage das Angebot an Plätzen in der Schulkantine. Den Eltern der betroffenen Schüler und Schülerinnen bleibt also nichts anderes übrig, als ihre Kinder selbst zu versorgen. Dies gestaltet sich für Familien, in denen beide Elternteile vollzeitbeschäftigt sind, sehr schwierig.

Der Vorwurf richtet sich in erster Linie gegen das kanarische Bildungsministerium, das die Schaffung weiterer Kantinenplätze ablehnte.

In La Matanza gingen Eltern von Schülern der öffentliche Schule CEIP Acentejo auf die Barrikaden; hier wurden 30 Anträge auf einen Kantinenplatz abgewiesen. Auf dem Boden oder den Blumenkübeln sitzend, aßen die Kinder das von den Eltern mitgebrachte Mittagessen. Es wurden Rufe laut wie „Wir wollen Schulkantine!“; Eltern und Schüler schwenkten Plakate mit Sprüchen wie „Verurteilt, auf der Straße zu essen?“, „Hör zu, wir haben dir Lösungen gegeben, die dich keinen Cent kosten“ oder „Sie gefährden unsere Arbeitsplätze weil es an dem nötigen Willen fehlt“. Die Eltern zeigten sich fassungslos angesichts der starren Haltung des kanarischen Bildungsministeriums, keine weiteren Plätze in Schulkantinen zu schaffen. Dabei hatten sie sich sogar bereit erklärt, die Kosten für die Versorgung ihrer Kinder (Nahrungsmittel und Personal) selbst zu tragen.

Dasselbe Bild zeigte sich in der Schule Las Mercedes in La Laguna. Hier wurden 25 Kinder nicht in die Schulkantine aufgenommen. Auch vor dieser Schule wurde ein Zwangspicknick abgehalten, begleitet von Protestrufen und Plakaten mit Aufschriften wie „Brauche Kantinenplatz, sofort!“, „Plätze für alle!“ oder „Wir wollen die Kantine, um arbeiten zu können“. Candela Morales, Vorsitzende des Elternverbandes, erklärte, das Problem sei die fehlende Bereitwilligkeit der Politiker und die schleppende Bürokratie, die es erschwere, die Daten neuer Schüler aufzunehmen. Da auch hier die Eltern die Kosten für die Schaffung der Plätze übernehmen wollen, vermutet Morales, das Bildungsministerium gebe nicht nach, um die Situation nicht einreißen zu lassen und neue Plätze in den nächsten Haushaltsplan aufnehmen zu müssen. Gustavo Matos, Sprecher der sozialistischen Partei in La Laguna, solidarisierte sich mit den Eltern, die Arbeitszeit opfern müssen und dadurch ihre Arbeitsstelle gefährden, kam jedoch beim Bildungsministerium auch nicht weiter.

Und auch im Süden der Insel herrscht Mangel an Kantinenplätzen. Vor der Schule CEIP Tijoco in Adeje fand ebenfalls eine Protestaktion statt, bei der 27 Kinder im Freien zu Mittag aßen. Ihre Plätze im „Comedor“ waren vor zwei Jahren vorläufig eingerichtet und nun gestrichen worden. Dem Protest der Eltern schlossen sich bis zu hundert Einwohner Adejes an. Unter ihnen befand sich auch der Stadtrat Epifanio Díaz Hernández, der den Eltern seine Unterstützung zusagte und erklärte, das Rathaus habe sich mit dem Bildungsministerium in Verbindung gesetzt. Doch dieses gebe nicht nach und begründe die Weigerung zur Schaffung neuer Kantinenplätze mit der Wirtschaftskrise. Der Stadtrat drückte zwar sein Verständnis für Sparmaßnahmen aus, im Endeffekt stufte er aber die sozialen Bedürfnisse der Eltern und ihrer Kinder höher ein als jegliche wirtschaftlichen Beweggründe.

Bildungsministerium sieht es nicht als seine Pflicht an, diesen Service zu gewährleisten

Schließlich stellte sich Pilar Teresa Díaz Luis, kanarische Generaldirektorin für Bildungsförderung, der Öffentlichkeit und betonte, Aufgabe des Bildungsministeriums sei die Sicherstellung der Bildung. Da diese nicht Schulkantinen umfasse, sei das Bildungsministerium auch nicht für die Versorgung der Schulkinder verantwortlich und zur Schaffung von Kantinenplätzen verpflichtet. Tatsächlich könne das Bildungsministerium die Kostenübernahme seitens der Eltern nicht zulassen, da dann in Zukunft diese Plätze einmal eingerichtet seien und angesichts des bisher unbekannten Etats für 2011 möglicherweise nicht getragen werden könnten. Die Generaldirektorin erklärte weiter: „Eine Erhöhung der Platzzahl kann sich negativ auf den Service auswirken und die Beweggründe für dessen Einrichtung, nämlich die Ernährungsgewohnheiten der Kinder gesünder zu gestalten, infrage stellen.“ Unweigerlich drängt sich bei solchen Ausführungen die Frage auf, wie sich Schulkinder ohne Mittagessen gesünder ernähren sollen.

Das Verfahren zur Vergabe bestehender Kantinenplätze wird von den jeweiligen Schulräten geleitet. Diese orientieren sich an einem gesetzlich festgelegten Kriterienkatalog, der jedes einzelne Kind hinsichtlich seiner Bedürfnisse auf einen Kantinenplatz nach bestimmten Maßstäben einstuft. Bevorzugt werden Kinder, die mit dem Bus zur Schule kommen müssen, gefolgt von Kindern aus Familien, deren finanzielle Lage als kritisch bezeichnet werden kann.

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