Piedad: Ein Kinderschicksal


© Moisés Pérez

30.000 Unterschriften fordern die Rückkehr des Mädchens zu seiner Pflegefamilie

Wochenblatt-Leser werden sich an die traurige wie skandalöse Geschichte eines kleines Mädchens mit fiktivem Namen „Piedad“ erinnern, das mehrere Jahre bei einer Pflegefamilie verbrachte, um dann gezwungenermaßen zur leiblichen Mutter zurückzukehren.

Piedad war im Kleinkindalter in einem Pflegschaftsverhältnis mit dem Ziel der Adoption von einer Familie aus La Orotava aufgenommen worden. Das Mäd­chen war von seiner leiblichen Mutter vernachlässigt und vom Jugendamt bereits im Alter von sieben Monaten in einem Heim untergebracht worden. Von dort kam es dann zu seiner neuen Familie in La Orotava, in die es sich gut einlebte. Bis die biologische Mutter Anspruch auf das Sorgerecht erhob und das Kind über die Jus­tiz zurückverlangte.

Im Laufe des Verfahrens wurden zahlreiche Unstimmigkeiten und Nachlässigkeiten der beteiligten Behörden aufgedeckt. Die Pflegefamilie weigerte sich unter Berufung auf das Wohlergehen des Kindes, das Mädchen zu seiner leiblichen Mutter zurückzubringen, was dazu führte, dass Piedad schließlich mit Polizeigewalt abgeholt wurde. Die Pflegemutter handelte sich durch ihr Verhalten mehrere Anzeigen und Strafen wegen „Ungehorsams gegenüber der Justiz“ ein.

Nun wäre dem Jugendamt in diesem Fall nichts vorzuwerfen, würde Piedad jetzt glücklich mit ihrer Mutter zusammenleben. Doch diese hat nach dem gewonnenen Rechtstreit um das Sorgerecht die Tochter nur für kurze Zeit zu sich genommen. Dann stellte sie beim Jugendamt einen Antrag, dass dieses sich weiter um das Kind kümmere, weil sie sich dieser Aufgabe nicht länger gewachsen fühle.

Auf diese Weise landete Piedad im Mai 2009 zum vierten Mal in einem Kinderheim. Der Kontakt mit der ehemaligen Pflegefamilie ist untersagt, während das Ju­­­gendamt nach Auskunft der Kinderschutz­organisation Prodeni bereits an einem neuen Antrag für ein Pflegschaftsverhältnis arbeitet. Sowohl die ehemalige Pflegefamilie als auch Prodeni hatten von Anfang an befürchtet, dass die leibliche Mutter das Kind nicht würde versorgen können.

Nun wurden auf Initiative von Prodeni mehr als 30.000 Unterschriften gesammelt, die die Rückkehr von Piedad zu ihrer früheren Pflegefamilie fordern. Auf dieser Liste stehen auch die Gemeinden La Orotava, El Sauzal, Tacoronte, La Victoria, Los Silos, La Matanza, Santa Cruz de Tenerife, Arona, Santiago del Teide und Santa Ursula.

Des Weiteren teilt Prodeni mit, dass in den Gemeinden Puerto de la Cruz, Icod de los Vinos, La Guancha, La Laguna, Arico, Guía de Isora und Adeje demnächst im Gemeinderat über die Eintragung in die Liste entschieden wird. Außerdem haben alle drei im kanarischen Parlament vertretenen Parteien zugesagt, dass im September eine Initiative gestartet wird, damit Piedad endlich zu ihrer Pflegefamilie in La Orotava zurückkehren kann.

Betroffene Pflegemutter gründet Hilfsverband

Piedad ist nicht das einzige Pflegekind, das unter der gültigen Gesetzgebung im Bereich der Pflegeverhältnisse in Spanien leidet. Elsa Baute, eine Pflegemutter aus Teneriffa, hat einen ähnlichen Kampf wie Soledad Perera verloren und nach den gesammelten Erfahrungen beschlossen, einen Verband zu gründen, der sich mit den Rechten der Pflegekinder beschäfigt. Elsa Baute versicherte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur EFE, dass auf den Kanaren 75% der Pflegekinder nach einer gewissen Zeit aus ihren Familien gerissen werden und in ein Heim zurückkehren bzw. später zu einer neuen Familie kommen. „Hier wird nicht auf die emotionale Bindung der Kinder zu ihren Pflegefamilien geschaut, sondern nur auf das Gesetz“, moniert sie.

Die Staatsanwaltschaft forderte für Elsa Baute zehn Monate Haft, nachdem sie sich geweigert hatte ihr Pflegekind, das im Alter von 19 Monaten zu ihr kam und sechs Jahre in ihrer Familie gelebt hatte, der leiblichen Mutter zurückzugeben. Sie hatte die Tochter eines Neffen zu sich genommen, weil die Eltern Drogenprobleme hatten. Den drei Jahre älteren Bruder nahm damals eine Schwester von Elsa in Pflege. Ursprünglich sollten die Pflegeverhältnisse zwei Jahre dauern, es wurden aber sechs daraus, und in dieser Zeit entstand eine feste Bindung zwischen den Pflegekindern und der Familie. „Für die Kinder und die Pflegeeltern bedeutet die gültige Gesetzgebung immer Leiden“, bedauert Elsa.

Sie wirft der spanischen Jus­tiz eine Lücke im Kinder- und Jugendhilfegesetz vor, weil nie eine Anhörung der Kinder stattfindet und das Gesetz oft dem Kindeswohl schadet.

Die deutsche Gesetzgebung ist da anders. In § 1632, Abs.4 BGB (Herausgabe des Kindes; Bestimmung des Umgangs; Verbleibensanordnung bei Familienpflege) heißt es: „Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde.“

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