Profil ist gefragt


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Christen und einem Autoreifen? Der Autoreifen sollte wenigstens 3 mm Profil haben. Aber lassen wir die Ironie beiseite. Wenn ich so in den Evangelien lese, dann stelle ich fest, dass Jesus ein starkes Profil hat – oder wie man umgangssprachlich auch sagen könnte: Dass er deutlich Flagge zeigt! Und zwar in der Art und Weise, dass er die Menschen seiner Zeit ganz gewaltig provoziert hat.

Und eine Provokation ist ja eigentlich ein sehr positiver Vorgang: Denn damit sollen Menschen ja aus ihren alltäglichen Gewohnheiten und Traditionen herausgerufen werden.  

Wenn ich nun vorhin den Autoreifen erwähnt habe, dann will ich damit nur deutlich machen, dass dessen Profil für mich bedeutet, dass ich mich auf seine Wirksamkeit verlassen kann. Aber genau das sollte man ja auch von einem Christen sagen können: Ich kann mich auf seine Überzeugung und auf die Reaktionen, die bei ihm daraus erfolgen, auch 100%tig verlassen.

Dieses Profil eines Christen zu schärfen, das versucht das Evangelium mit seinen Herausforderungen und Provokationen. Es erzählt z.B. davon, wie Jesus genau aus diesem Grund eben auch die Auseinandersetzung mit seinen Landsleuten nicht scheut. Er profiliert sich mit seinen öffentlichen Auftritten in den Synagogen und begegnet dabei nicht selten der Gewalt. Gewalt aber will den anderen immer mundtot machen; will das Profil des anderen zerstören und die Persönlichkeit platt machen, ausradieren. Dazu braucht man nicht immer Steine und Gewehre; oh nein, es gibt auch andere Mittel, um Menschen in die sprichwörtlichen „Knie“ zu zwingen. Wenn wir in die Geschichte unserer Kirche schauen, dann entdecken wir da solche Mittel bis auf den heutigen Tag. Aber lassen wir das. Es geht ja um uns, um unser Profil. Schließlich haben wir die Zeiten überwunden, in denen das Wort „christliches Profil“ oder auch Berufung lediglich etwas für Ordensleute oder Geistliche war. Wir alle, Sie und ich, haben eine Berufung, selbst wenn wir ein ganzes langes Leben dazu brauchen, um sie endlich zu entdecken und ihr nachzugehen.

Wir reden vom guten Profil eines Menschen dann, wenn wir wissen, dass er zu dem steht, was er für sich selbst als wichtig und richtig erkannt hat. Nicht nur Jesus, sondern mit ihm viele bekannte und auch unbekannte Frauen und Männer, haben für ihr Leben Nachteile in Kauf genommen, weil sie entweder religiös oder auch politisch Überzeugte waren. Einige gingen dafür sogar in den Tod – wie Jesus selbst. Und so wie sie alle werden auch wir uns nach dem Gewicht unserer Überzeugungen fragen lassen müssen. Sind sie durch unser Leben abgedeckt? Spüren andere durch unser Leben etwas davon, wovon wir überzeugt sind und an was wir glauben?

„Als er endlich einen Namen hatte, da hatte er kein Gesicht mehr.“ Werner Mitsch, ein Meister des Wortspiels, hat diesen Ausdruck im Zusammenhang mit der Profilierung gebraucht. Er deutet damit an, dass wer sich in dieser Welt einen Namen machen will eben auch Gefahr läuft, seine Gesicht, seine Glaubwürdigkeit, sein Profil zu verlieren. Deshalb schauen wir uns nach Hilfe um. Es macht wenig Sinn, allein Widerstand zu leisten wie ein Fels in der Brandung. Der wird irgendwann glattgebügelt. Deshalb ist für einen Christen die Gemeinschaft so wichtig. Schon Jesus hat den Freundeskreis um sich geschart, weil er gespürt hat, wie wichtig Mitmenschen sind, die mitgehen, die mitarbeiten, die Halt und Stütze geben und mittragen.

Wenn viele zusammenstehen, dann kann man – um im Bild der Brandung zu bleiben – ganze Linien von Wellenbrechern aufbauen, die dann auch Erfolg haben. Mehr auf jeden Fall, wie als Einzelner. Seien wir doch ehrlich: Seinem Gewissen zu folgen, den Weg der Gerechtigkeit zu suchen und zu gehen, das kann mitunter sehr einsam machen und manchmal auch zu bitteren Enttäuschungen führen. Wir lassen einander oft mehr im Stich aus Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit oder auch Feigheit denn aus Bosheit. Aber gerade deshalb tut es gut, sich an das Wort zu erinnern, welches Jesus zugesprochen wurde und welches auch jeder und jedem von uns gilt: „Du bist meine geliebte Tochter, mein geliebter Sohn; an dir habe ich Gefallen gefunden, mein bist du!“ Dieses Gottvertrauen, welches aus diesen Worten spricht, ist keinesfalls altmodisch. Es schenkt mir vielmehr die nötige Gelassenheit, auf andere zu vertrauen; nicht alles allein machen zu müssen und manchmal auch eine Auszeit zu tätigen. Das alles schadet meinem Profil nicht – im Gegenteil; es wird dadurch tiefer und besser. 

Ihr Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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