Puchero Canario vom Meister interpretiert


„Wenn es darum geht, Qualitätstourismus anzuziehen, führt kein Weg an der Gastronomie vorbei“, äußerte der Spitzenkoch gegenüber Reportern. Seiner Ansicht nach hängt der Qualitätstourismus zu 80% von der Gastronomie ab. Foto: efe

Ferran Adrià zeigt Kochlehrlingen auf Teneriffa, wie das kanarische Traditionsgericht neu arrangiert werden kann

Teneriffa – 1.800 Kochlehrlinge auf den Kanarischen Inseln durften am 29. Mai an einer Meisterklasse teilnehmen, die sie sicherlich ihr Leben lang nicht vergessen werden. Keine geringere Koryphäe als Kochlegende Ferran Adrià, der katalanische Spitzenkoch, der sich mit avantgardistischer Küche in seinem Restaurant El Bulli jahrelang drei Michelin-Sterne verdiente, reiste nach Teneriffa, um anlässlich des kanarischen Regionalfeiertags Kochschülern seine Interpretation des kanarischen Traditionsgerichts „Puchero“ vorzuführen.

Durch die Liveübertragung per Streaming aus der Berufsschule IES Virgen de la Candelaria in Santa Cruz de Tenerife, wo einige Lehrlinge das Privileg genossen, den Meister persönlich kennenzulernen, konnten Nachwuchsköche auf allen Inseln an der Meisterklasse teilnehmen.

„Warum glaubt ihr, dass bislang niemand auf die Idee kam, einen Puchero mit Produkten aus dem Meer zuzubereiten?“, fragte Adrià die Schüler gleich zu Beginn. In den traditionellen kanarischen Gemüseeintopf, genannt „Puchero Canario“, gehören üblicherweise neben verschiedenen Gemüsesorten wie Karotten, die kanarische Zucchini-Art „Bubango“, Kürbis, Mais und Bohnen auch Kartoffeln, Süßkartoffel und Fleisch. Adrià präsentierte hingegen auf Teneriffa sein Eintopf-Arrangement als „Puchero der Fastenzeit“ mit Fisch und Meeresfrüchten. Traditionelle Rezepte entstünden, so Adrià, weil sie den Menschen schmecken. Die Zeit werde zeigen, ob sein Fasten-Puchero gefällt und Erfolg hat, oder wie so viele andere Rezepte auch, in Vergessenheit gerät, sagte der Spitzenkoch.

Im Vorfeld der Meisterklasse hatten die Lehrlinge Ferran Adrià verschiedene Rezeptvorschläge zukommen lassen, auf deren Grundlage seine Interpretation des kanarischen Traditionsgerichts entstand.

Der Grundgedanke bei der Zusammenstellung dieses Gerichts sei die Verbindung des Gemüses mit einem Fischfond und den Meeresfrüchten, so Adrià.

Der kanarische Regionalpräsident Fernando Clavijo, der sich persönlich bei Ferran Adrià dafür bedankte, dass er kanarischen Kochlehrlingen etwas von seinem Wissen vermittle, verfolgte den Entstehungsprozess des „Puchero à la Adrià“ mit.

Die Kosten für die Meisterklasse mit Ferran Adrià wurden übrigens komplett von Telefónica bzw. dem Mobilfunkanbieter Movistar übernommen.

Ratschläge für den Nachwuchs

Nach dem praktischen Teil der Meisterklasse gab der berühmte Koch den Schülern einige Ratschläge für ihre berufliche Laufbahn. Geduld sei dabei sehr wichtig, betonte er, „denn außergewöhnliche Leistungen erfordern außergewöhnlich viel Zeit.“ Außerdem sei die Meinung falsch, dass Spitzenköche wie Rockstars sind. Wer sein eigenes Restaurant eröffnen wolle, so der erfahrene Meisterkoch, müsse ebenso viel vom Kochen verstehen wie von der Leitung eines Unternehmens. Außerdem gab er den jungen Zuhörern den Rat mit auf den Weg, keine weiteren sogenannten „Gastrobars“ zu eröffnen, denn dieser Markt sei gesättigt. Neue Ideen zur Differenzierung seien gefragt, so Adrià. Außergewöhnlich wichtig für den Erfolg eines jeden Restaurants seien auch die Mitarbeiter im Service, betonte Adrià. „Ohne sie seid ihr nichts. Benehmt euch nicht wie Stars“, ermahnte er mit Nachdruck.

Die Zutaten

Zu den Zutaten für den Puchero mit Fisch und Meeresfrüchten, den Adrià auf Teneriffa zubereitete, gehören kanarische Speisefische wie Sama, Cherne, Mero, Vieja und Bocinegro. Außerdem kamen Garnelen, „Lapas“ (Napfschnecken) und zwei gekochte Tintenfischarme mit in den Topf. Zu den traditionellen Gemüsesorten, die den Puchero ausmachen, also Kartoffeln, Süßkartoffel, Kürbis, Bubango, Chayote und Maiskolben, fügte Adrià zum Ende des Garprozesses Brunnenkresse, Birnen und Avocado hinzu.

Entrüstung in den sozialen Netzwerken

In den sozialen Netzwerken hat die Puchero-Version von Ferran Adrià eine hitzige Debatte ausgelöst. Die Lokalpresse sprach von „einer Welle der Entrüstung“, denn tatsächlich fühlten sich viele Canarios von der Abwandlung „ihres“ Gerichtes durch Adrià auf den Schlips getreten. Es sei schon eine Unverschämtheit, dass jemand auf der Grundlage von Rezepten von Lehrlingen eine Meisterklasse über ein Gericht hält, dabei gebe es Tausende Mütter und Großmütter, die den Schülern den Puchero beibringen könnten, lautete ein Kommentar. In der Zeitung „Canarias7“ erschient sogar ein Artikel mit der Überschrift „Puchero mit Avocado und andere kulinarische Attentate“, in dem als weitere Beispiele die in Spanien ebenfalls heftig kritisierte Idee von Jamie Oliver, Chorizo-Wurst in eine Valencianische Paella zu geben, und Gordon Ramseys Gazpacho mit Basilikum angeführt werden.

Es gab aber auch wohlwollende Kommentare von Bürgern, die es als Ehre betrachteten, dass ein solch angesehener Meisterkoch sich mit dem kanarischen Rezept befasst und die offen sind für Innovation und Weiterentwicklung. Wer die Puchero-Idee von Ferran Adrià kritisiere, könne nur als kleinbürgerlich und engstirnig bezeichnet werden, lautete eine Reaktion.

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