Rätselraten um jugendlichen Hochstapler


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Der „kleine Nicolás“: Fantast oder frühreifer Lobbyist?

Ein Foto von sich selbst mit König Felipe am Tage seiner Krönung ist das Highlight der Sammlung, doch der „kleine Nicolás“, wie der 20-jährige Francisco Nicolás Gómez Iglesias in den Medien genannt wird, hat noch viele weitere Größen aus Politik und Hochfinanz in seiner Trophäensammlung, die zum Teil auch auf Facebook, dieser Tage jedoch vor allem auf den Titelseiten der Tageszeitungen zu sehen ist.

Madrid – Der junge Mann, der so aussieht, als sei er noch nicht ganz trocken hinter den Ohren, hat es jahrelang geschafft, sich in den höchsten Kreisen der konservativen Partei Partido Popular (PP) und darüber hinaus zu bewegen. Es gibt Fotos von ihm, wie er dem ehemaligen spanischen Präsidenten Aznar die Hand schüttelt und neben Ana Botella, der Bürgermeisterin von Madrid, steht. Er hat sich bei zahlreichen illustren Empfängen und Veranstaltungen eingeschlichen und die Fotos von sich und der Politprominenz benutzt, um Geschichten über seinen Einfluss und seine Beziehungen glaubwürdig erscheinen zu lassen.

Tatsächlich scheint sich „Nicolás“ eine Vielzahl von Funktionen angemaßt und auf dieser Basis in Angelegenheiten verschiedenster Art des Politik- und Geschäftslebens seine Vermittlung angedient zu haben. Noch unterstrichen wurde das Bild, das er vermittelte, durch Partys und geschäftliche Besprechungen, die er in der exklusiven Villa eines europäischen Adligen in Madrid abhielt, durch gemietete Luxusautos, in denen er sich chauffieren ließ, und eine erstaunliche Liquidität. Wie er dazu gekommen ist, bleibt bisher weitgehend ein Rätsel. Wieso alte gestandene Polithasen den Jungspund toleriert und sogar für voll genommen haben, ebenfalls.

Vom Ortsverein in die VIP-Loge

Fran, wie er in der elterlichen Nachbarschaft genannt wird, stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Mit 15 Jahren begann er den Ortsverein der PP zu besuchen, dem seine Eltern angehörten. Unter dem Vorwand, zu helfen und durch sein Talent zum Fabulieren gewann er nach und nach Zugang zu wichtigen Schlüsselfiguren innerhalb der Partei. Er wurde ein selbstverständlicher Teil des Parteilebens und niemand fragte genauer nach, was der omnipräsente Junge da eigentlich machte. Und Fran begann, ein ganzes Netz von Beziehungen zu erfinden, indem er sich in Veranstaltungen aller Art einschlich und es schaffte, sich an exklusiven Orten, wie der VIP-Loge des Bernabéu-Stadions von Real Madrid, sehen zu lassen.

Zu Gast bei der Krönung Felipes

Auf seiner Facebook-Seite hat er unter seinen „Freunden“ etliche politische Mandatsträger und Berater und ein großes Fotoalbum, das viele Fotos von ihm selbst mit verschiedenen Größen der Partei und anderen einflussreichen Personen enthält, darunter auch das berühmt gewordene Bild vom Krönungsempfang, das den „kleinen Nicolás“ zeigt, wie er König Felipe die Hand reicht.

Problematisch wurden seine Hochstapeleien erst, als er begann, aus seinen angeblichen Beziehungen Kapital zu schlagen und seine Vermittlung bei der Vergabe von Lizenzen oder in großen juristischen Korruptionsverfahren, wie dem Fall Noos, in den Prinzessin Cristina verwickelt ist, oder dem brandaktuellen Fall Pujol, anzubieten. Dies führte dazu, dass er am 15. Oktober festgenommen wurde, weil er sich als Berater der Vize-Präsidentin der Regierung, Soraya Sáenz de Santamaría, und als Mitarbeiter des spanischen Geheimdienstes CNI ausgegeben haben soll, mutmaßlich um 25.000 Euro für seine Mitwirkung beim Verkauf einer Immobilie in Toledo zu erschwindeln.

Star bei Twitter und Facebook

In der öffentlichen Reaktion auf den Fall des „kleinen Nicolás“ liegt der Fokus vor allem auf dem Kuriosum, dass es ein Teenager geschafft hat, sich an Dutzenden Orten einzuschleichen, wo der Normalsterbliche keinen Zugang hat und sich dort auch noch mit hochgestellten Persönlichkeiten ablichten zu lassen. In Facebook und Twitter kursieren ironische Fotomontagen, die Nicolás auf alten Aufnahmen mit historischen Persönlichkeiten zeigen.

Tatsächlich jedoch scheint mehr hinter dem Phänomen zu stecken als nur die schalkhafte Idee, sich auf exklusive Veranstaltungen zu schmuggeln und sich mit Promis ablichten zu lassen oder Größenwahn, die der Gerichtspsychiater diagnostizierte. Es gibt etliche ungeklärte Aspekte, wie zum Beispiel, dass seine Festnahme durch Beamte vorgenommen wurde, die für interne Polizeiangelegenheiten zuständig sind oder dass das Opfer des Betrugs, für den er verhaftet wurde, sich nicht betrogen fühlt und keine Anzeige erstatten will.

Es steckt mehr dahinter

Der Junge aus einfachen Verhältnissen bewegte sich zu seinen Geschäftsbesprechungen in Luxusfahrzeugen, die er, teilweise mit Chauffeur, zu diesem Zweck anmietete, in einem Fall aber auch von der Stadtverwaltung von Madrid zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Manchmal war er sogar mit Eskorte unterwegs, was erheblich dazu beitrug, Zweifler zu überzeugen. Er war, obwohl er de facto noch bei seinen Eltern wohnte, in einer Madrider Luxusvilla gemeldet, wo er Geschäftsbesprechungen abhielt und Partys gab. Er besuchte als Student der Finanzen die Elite-Uni CUNEF. Er wurde durch wichtige Persönlichkeiten, unter anderem als Praktikant eines Anwaltes, in den Arbeitgeberverband CEIM und Verband für Sozialstudien FAES, den Think Tank der PP, eingeführt, durch den er erst an Parteigrößen wie Aznar heran kam bzw. in Kontakt mit einflussreichen Unternehmern kam. Außerdem ging er zeitweise sehr großzügig mit Bargeld um.

Daraus ergeben sich eine Menge Fragen, auf die es bisher noch keine eindeutigen Antworten gibt.

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