Religion ist/meint Unterbrechung


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Wenn ich heutzutage nach den Gottesdiensten oder bei Veranstaltungen oft mit den Menschen so ins Gespräch komme, dann höre ich da immer ganz deutlich das Stöhnen über den beruflichen Stress, die unendlich anstrengende und nervenaufreibende Arbeit, mitunter auch die Sorgen, die mit alldem verbunden sind.

Und wenn es Menschen sind, die selbst nicht mehr im beruflichen Alltag stehen, dann erzählen die mir fast gleichlautende Eindrücke von den Kindern und Enkeln. Manchmal – und da bilde ich überhaupt keine Ausnahme – kommt es mir so vor, als stöhnten wir alle über die Aufgaben, die uns aufgeladen sind und mit denen wir uns oft schwertun oder nicht fertig werden und dass bei alldem die Zeit nur so dahinfliegt.

Dabei hat ein Mann unserer Tage mal gesagt: Die kürzeste Erklärung für Religion ist Unterbrechung. Ja, Sie haben richtig gelesen. Religion als Unterbrechung: Einmal alles liegen- und stehenlassen und sich nur bei Gott ausruhen. Das ist das, was Jesus mit seiner Botschaft vermitteln will, wenn er z.B. sagt, dass er all denen Ruhe verschaffen will, die unter Lasten stöhnen. Die einzige Voraussetzung dazu ist, dass wir uns tatsächlich auch die Zeit nehmen, zu ihm zu kommen.

Religion als Unterbrechung des Jahres: So absurd ist eine solche Begründung gar nicht, wenn wir uns mal den Jahresablauf anschauen. Da spüren wir doch deutlich, dass unser Glaube immer wieder Unterbrechungen bietet; dann nämlich, wenn wir die großen Feste feiern. Und genau darum sollten wir diese Feiertage ja auch halten. Sicherlich waren die Menschen früherer Zeiten von diesen Tagen viel stärker geprägt als wir; aber das lag wohl auch daran, dass Urlaub, so wie wir das kennen, für sie gänzlich unbekannt oder doch zumindest für viele ein Fremdwort war. Da gab es eben als einzige Arbeitsunterbrechung die großen Fest- und Feiertage, an denen alles stehen- und liegenblieb und man so richtig abgefeiert hat. So aber kann man schlussendlich auch den Sonntag sehen. Als einen Tag, der unseren Alltag bewusst unterbricht, damit wir mal zum Verschnaufen und zur Ruhe kommen. Der Sonntag ist Ruhetag, Sabbat-tag, damit wir uns die Kraft holen, auch die Kraft bei Gott, um unseren Werktag zu bewältigen.

Aus den genannten Überlegungen heraus ist es wichtig, die Feiertage und auch den Sonntag heilig zu halten, frei von aller Arbeit. Wenn wir das dann nicht tun – wohlgemerkt, solange es in unseren eigenen Händen liegt – und wenn wir dann auch noch meinen, dass wir keine Möglichkeit des Verschnaufens hätten, dann ist das doch unsere ureigene Schuld. Jesus bietet uns immer wieder an, zu ihm zu kommen und Ruhe zu finden. Es liegt schlussendlich an uns, dieses Angebot anzunehmen und zu nutzen.

Religion ist aber nicht nur Unterbrechung des Jahres und der Woche, sondern auch des Alltags. Solche Unterbrechungen können z.B. Zeiten des Gebetes oder der Besinnung sein. Dabei geht es gar nicht darum, jeden Tag ein bestimmtes Pensum an Gebeten zu „erledigen“ – dann sind wir selbst irgendwann „erledigt“. Nein, es geht vielmehr darum, auch im Alltag immer wieder auf Gott zu schauen und von ihm Kraft zu bekommen. Auch da ist der Glaube eine heilsame Unterbrechung. Nochmals: Es geht nicht um zusätzliche Leistungen an Frömmigkeit, die wir für Gott erbringen müssten; sondern ihn in allem, was wir tun, zu suchen. 

Religion als Unterbrechung, ich habe dazu kein besseres Bild gefunden als ein Gleichnis, das der heilige Franz von Sales einmal geprägt hat. Da sagte er: „Mache es wie die kleinen Kinder. Mit einer Hand halten sie sich an der Mutter oder dem Vater fest und mit der anderen pflücken sie die Erdbeeren oder Brombeeren am Wegesrand. Halte du dich ebenso, während du die Güter dieser Welt mit einer Hand sammelst und handhabst, mit der anderen stets an deinem Vater im Himmel fest. Wende dich ihm von Zeit zu Zeit zu, um zu sehen, ob es ihm recht ist, wie du es machst und was du tust. Und achte bei all deinen Geschäften gut darauf, dass du nicht seine Hand loslässt und seinen Schutz verlierst, weil du meinst, dann mehr zusammenraffen oder einsammeln zu können. Wenn er dich loslässt, wirst du keinen einzigen Schritt mehr tun, ohne dabei auf die Nase zu fallen. Ich meine, wenn du gewöhnliche Aufgaben und Beschäftigungen hast, die keine so genaue und dringliche Aufmerksamkeit verlangen, solltest du mehr auf Gott als auf diese Aufgaben schauen. Wenn die Aufgaben aber wichtig sind und deine ganze Aufmerksamkeit beanspruchen, damit du sie gut erfüllen kannst, dann blicke wenigstens von Zeit zu Zeit auf Gott, wie es die Seeleute auf hoher See tun: Um das Land, das sie erreichen möchten, zu finden, schauen sie mehr nach oben zum Himmel als nach unten, wo ihr Schiff auf den Wogen des Meeres dahinzieht. So wird Gott mit dir arbeiten, in dir und für dich, und deine Arbeit wird dir zum Trost werden.“

Religion als Unterbrechung. Ich glaube, so hat Jesus das gemeint – und so dürfen wir ihn auch verstehen. Seine Einladung steht – auch für Sie!

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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