Industrieministerium hat letzte noch ausstehende Genehmigung erteilt
Den Probebohrungen vor den Kanarischen Inseln dürfte nun nichts mehr im Wege stehen, nachdem am 13. August im offiziellen Gesetzblatt (BOE) die letzte noch ausstehende Genehmigung des Industrieministeriums an Repsol veröffentlicht wurde. Während sich auf den Kanaren eine Welle der Empörung breitmacht, hat der Ölkonzern angekündigt, im letzten Jahresquartal mit den Sondierungen zu beginnen. Die ersten Ergebnisse werden im Frühjahr 2015 erwartet.
Drei Bohrstellen
Die am 13. August veröffentlichte und in Kraft getretene Genehmigung erlaubt Repsol nun endgültig, drei Jahre lang Probebohrungen an drei Stellen vorzunehmen. Die „Sandía“ genannte Bohrstelle liegt 55 km von Fuerteventura entfernt und 870 m unter dem Meeresspiegel; hier soll bis in eine Tiefe von 3.170 m gebohrt werden. „Chirimoya“ befindet sich 50 km vor Fuerteventura und 1.109 m unter dem Meeresspiegel; hier soll der Bohrer bis in eine Tiefe von 3.000 m vordringen. „Zanahoria“ wiederum ist 55 km von Fuerteventura entfernt und befindet sich 1.022 m unter dem Meeresspiegel; hier soll bis in eine Tiefe von 6.900 m gebohrt werden.
Noch vor Veröffentlichung der Genehmigung hatte Repsol-Präsident Antonio Brufau bekannt gegeben, man wolle im letzten Jahresquartal mit den Sondierungen beginnen und vom Hafen La Luz in Las Palmas aus operieren. Er versprach den Kanaren eine verantwortungsvolle Durchführung und eine Ankurbelung des Dienstleistungssektors. Brufau versicherte, im Falle der Förderung würden die Kanaren an dem staatlichen Gewinn beteiligt und zwischen 3.000 und 5.000 Arbeitsplätze geschaffen. Statt über die möglichen Risiken zu diskutieren, sollten die Canarios lieber diese positive wirtschaftliche Entwicklung vorbereiten.
José Manuel Soria, Minister für Industrie, Energie und Tourismus und politischer Verantwortlicher für die Probebohrungen, gab unmittelbar nach Veröffentlichung der Genehmigung bekannt, sein Amt habe alle Beschwerden geprüft und sogar den Anhörungszeitraum verlängert. Er untermauerte die Ankündigung Brufaus, bei erfolgreichem Ausgang der Probebohrungen und Förderung der Quelle die Kanaren am Gewinn zu beteiligen.
Scharfe Kritik
Eine der ersten Reaktionen auf diese letzte noch ausstehende Genehmigung zugunsten Repsols erfolgte von Lanzarotes Cabildo, das per Pressemitteilung Stellung nahm und die Entscheidung des Industrieministeriums als „neuesten und definitiven Affront gegen die kanarische Bevölkerung“ bezeichnete. Dem zuständigen Minister José Manuel Soria wurde ausdrücklich vorgeworfen, gegen den Willen der kanarischen Bevölkerung entschieden und allein im Interesse Repsols gehandelt zu haben. Der Zentralregierung wiederum wurde seitens der enttäuschten Inselverwaltung unterstellt, jeglichen Protest der politischen, wissenschaftlichen und sozialen Institutionen sowie der Bevölkerung der Kanarischen Inseln missachtet zu haben, während Präsident Mariano Rajoy noch dieser Tage erklärt habe, im Falle der geplanten Probebohrungen vor den Balearen diese auf keinen Fall zuzulassen, sollte nur das geringste Risiko bestehen.
Lanzarotes Inselregierung lehnte die Genehmigung im Ganzen strikt ab, übte jedoch besonders scharfe Kritik an folgenden Einzelpunkten:
Weder im Rahmen des vorausgehenden Umweltgutachtens noch im Rahmen der Genehmigung sind trotz des ausdrücklichen Eingeständnisses möglicher Ölaustritte oder schwerer Unfälle die Auswirkungen für den Tourismus oder die Wasserversorgung erwähnt bzw. untersucht worden.
Repsol wird auferlegt, Versicherungen zur Schadensersatzleistung wegen Schäden an Gütern, Personen oder der Umwelt mit einer Deckungssumme von insgesamt 60 Millionen Euro abzuschließen. Das Cabildo weist auf, dass British Petroleum infolge der Deepwater-Horizon-Katastrophe Schadensersatz in Höhe von acht Milliarden Euro leisten musste, und folgert daraus, dass im Falle einer ähnlichen Katastrophe aufgrund der relativ geringen Deckung Repsols den Canarios die finanziellen Folgen auferlegt würden, wie es in Galicien nach der Prestige-Katastrophe der Fall war.
Weiterhin kritisiert die Inselregierung, dass Repsol die Überprüfung seismischer Aktivität während der Probebohrungen auferlegt bzw. konkret die Installation von Beschleunigungssensoren auf Fuerteventura und Lanzarote verordnet wurde. Wird in einem Radius von 75 km um die Bohrstelle ein Beben mit einer Stärke von 4,5 auf der Richter-Skala oder mehr gemessen, muss die Sondierung umgehend abgebrochen werden. Doch nach Angaben von Lanzarotes Inselregierung werden innerhalb dieser Radien jedes Jahr mehrmals derart starke Beben verzeichnet.
Kampfansage
Cabildo-Präsident Pedro San Ginés erklärte, dieser neue Affront könne nicht hingenommen werden. Seit 13 Jahren würde man bereits gegen die Probebohrungen ankämpfen, um in Ruhe, ohne Bedrohungen und Risiken leben zu können.
Dass Repsol nun vor der Insel bohren werde, sei nicht akzeptabel; das Volk werde mit allen seinen Kräften dagegen ankämpfen. Die Inselregierung kündigte an, umgehend eine Beschwerde gegen die Genehmigung beim Ministerium einzureichen, die Bevölkerung zu mobilisieren und alle möglichen juristischen, politischen, unternehmerischen, wissenschaftlichen und sozialen Protestaktionen gegen die Probebohrungen in die Wege zu leiten, und zwar europaweit.
Die Reaktionen anderer kanarischer Institutionen fielen sehr ähnlich aus. Die Regionalregierung kündigte an, im Kampf gegen die Probebohrungen bis vor die UNO ziehen zu wollen.
Die bedeutendsten Umweltschutzorganisationen, darunter Greenpeace, SEO/Bird Life und WWF, haben ebenfalls bekannt gegeben, mit ihren Protestaktionen bis vor die Europäischen Gerichtshöfe ziehen zu wollen.
Bislang erklärte nur Juan Pablo González, Geschäftsführer des Hotelverbandes Ashotel, der Kampf sei entschieden und nun sollte eher darüber diskutiert werden, wie die Kanarischen Inseln von den Probebohrungen bzw. einer eventuellen Förderung profitieren könnten.
Letzte Hoffnung?
Das Cabildo von Fuerteventura könnte noch ein Ass im Ärmel haben, schließlich hat der Oberste Gerichtshof dessen Aufhebungsantrag gegen seine eigene Entscheidung von Ende Juni angenommen.
Damals hatten die Obersten Richter die Rechtsbeschwerden gegen die bis dato erteilten Genehmigungen abgeschmettert und diese für rechtskonform erklärt, ohne den Europäischen Gerichtshof wegen zweier Verstöße gegen EU-Richtlinien zu Rate gezogen zu haben.
Zwei der fünf Obersten Richter – die letztendlich überstimmt wurden – hatten selber bemängelt, dass die Regierung die Direktive über die Bewertung der Umweltauswirkungen verletzt habe, indem sie der Regionalregierung und den Cabildos weder frist- noch formgerecht die verlangte Auskunft übermittelt hatte. Auch einen Verstoß gegen die Richtlinie der Lebensräume sahen diese beiden Richter als gegeben an, weil in dem Gebiet der geplanten Probebohrungen geschützte Arten leben. Ihrer Meinung nach hätte die Kammer sehr wohl die Auswirkungen auf ein Gebiet – das international wegen seiner ökologischen Bedeutung geschätzt würde – und dessen Bevölkerung in seine Entscheidungsfindung miteinbeziehen müssen. Auch kritisierten die beiden Richter scharf, dass die Regierung die Probebohrungen vor Ausarbeitung der Umweltstudie, also ohne Wissen über die Auswirkungen auf die Umwelt, genehmigt habe.
Nun will das Oberste Gericht genau diese Argumente nochmals aufnehmen und überprüfen.
Erfolglose Sondierungen
Die Probebohrungen, die die Erdölunternehmen Galp und Tangiers in diesem Sommer in marokkanischen Gewässern und östlich der Kanaren vorgenommen haben, wurden vor Kurzem erfolglos beendet. Nach mehrmonatiger Suche wurden die Bohrlöcher verschlossen und aufgegeben, weil selbst in größter Tiefe kein Öl zu finden war.
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