Rückwärtsgewandte Strafrechtsreform


Straftäter sollen für immer weggesperrt werden

„Lebenslänglich“ bedeutet bisher in Spanien eine Freiheitsstrafe von 30 Jahren. Das war schon unter der Diktatur Francos so. Erst unter der demokratischen Regierung Aznar wurde sie für besonders schwere Fälle auf 40 Jahre angehoben.

Madrid – Geht es nach den Abgeordneten der PP, die im spanischen Kongress noch die absolute Mehrheit stellen, dann bedeutet „lebenslänglich“ bald „für immer“. Das neue Strafrecht, welches im Januar im Kongress ausschließlich mit den Stimmen der Partido Popular gebilligt wurde, führt die unbefristete Gefängnisstrafe ein, überprüfbar nach 25 und 35 Jahren. Seit 1978 ist kein Gesetz von solcher Tragweite nur mit den Stimmen einer einzigen Partei verabschiedet worden. Es geht nun an den Senat, und falls es neue Anträge gibt, wieder zurück zum  Kongress. So oder so wird es jedoch in den kommenden Monaten verabschiedet und Ende des Jahres in Kraft treten.

Schon bei der letzten Strafrechtsreform im Jahr 2010 enthielten sich die damals in der Opposition befindlichen Abgeordneten der PP aus dem einen Grund, dass unbefristete Gefängnisstrafen nicht darin aufgenommen worden waren.

Alle anderen Parteien im Parlament stehen geschlossen gegen das Gesetz. Nach Ansicht der Gegner steht die lebenslange Gefängnisstrafe im Widerspruch zum Verfassungsartikel 25.2, der festlegt, dass Freiheitsstrafen und Sicherheitsmaßnahmen auf Erziehung und Resozialisierung auszurichten sind. Die Befürworter argumentieren, dass die Verfassungsmäßigkeit durch die Überprüfung der Strafe nach 25 und 35 Jahren gegeben sei.

Die „überprüfbare lebenslange Haft“ (prisión permanente revisable) soll für Schwerverbrechen verhängt werden. Dazu gehören Mehrfachmorde, Mord an Minderjährigen und besonders wehrlosen Menschen, Sexualstraftaten, terroristisch motivierte Morde, die Tötung des Königs oder Thronfolgers, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit.

Nicht nur die gesamte Opposition ist gegen das neue Gesetz, sondern auch fast alle Experten, die im Parlament gehört wurden, sowie die neue Generalstaatsanwältin Consuelo Madrigal und 60  Strafrechtsprofessoren von 33 Universitäten, welche gemeinsam ein Manifest veröffentlicht haben und diese Veränderung des Strafrechts für unnötig halten.

Das neue Strafrecht schafft darüber hinaus die Kategorie der sogenannten „falta“ ab, die geringfügige Gesetzesübertretungen bezeichnet. Sie wird ersetzt durch den Begriff der minderschweren Straftat (delito menos grave) beziehungsweise wechselt in die Kategorie einer Ordnungswidrigkeit nach Verwaltungsrecht (sanción administrativa) nach dem „Gesetz für Bürgersicherheit“ (im Volksmund Ley Mordaza – Knebelgesetz).

Des Weiteren werden die Strafen für Korruption verschärft, die Verjährungsfristen verlängert und zum ersten Mal das Delikt der illegalen Parteienfinanzierung eingeführt. Auch muss die Regierung  jetzt das Parlament halbjährlich über gewährte und abgelehnte Begnadigungen informieren. Das Alter, ab dem Minderjährige rechtlich befähigt sind, einvernehmliche sexuelle Beziehungen einzugehen, wird von 13 auf 16 Jahre heraufgesetzt, und die Zwangsverheiratung wird als gesonderte Straftat eingeführt.

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