Staat will Tourismusgesetz kippen


© EFE

Regionalregierung befürchtet Investorenflucht

Die Zentralregierung wird Verfassungsbeschwerde gegen das im Sommer vergangenen Jahres beschlossene Tourismusgesetz der Kanaren einlegen. Während die Inseln mit der teilweisen Abschaffung des sogenannten „Moratoriums“ die Erneuerung veralteter Hotels und die nachhaltige, zukunftsausgerichtete Entwicklung des Tourismus verfolgen, unterstellt man in Madrid einen Verstoß gegen die unternehmerische Freiheit.

Madrid –

Nur fünf Sterne plus

Im Sommer 2013 hatte das Regionalparlament das neue Tourismusgesetz oder Gesetz zur touristischen Modernisierung – Ley de Renovación y Modernización Turística – verabschiedet, in dessen Rahmen der 2003 verhängte Baustopp für touristische Unterkünfte zum Schutz vor einer unkontrollierten Massenbebauung – „Moratorium“ genannt – teilweise aufgehoben wurde. Der regionale Gesetzgeber ebnete den Weg für den Bau von Fünfsterne- und Fünfsterne-Luxushotels und exklusiven Villen in Meeresnähe (200 m), versagte jedoch weiterhin die Errichtung neuer Viersternehotels. In dieser Kategorie wurde allein die Erneuerung und eventuelle Hochstufung erlaubt. Weil auf Gran Canaria jedoch gerade für Viersternehotels Bedarf besteht – die meisten Urlauber steigen in Hotels dieser Kategorie ab –, traf die selektive Freigabe in Las Palmas auf großen Protest und sorgte für Zwist zwischen den Hauptinseln (das Wochenblatt berichtete).

Verstoß gegen EU- und nationales Recht?

Als der von Gran Canaria stammende Industrie-, Energie- und Tourismusminister José Manuel Soria und Regionalpräsident Paulino Rivero am 19. Februar in Madrid aufeinander trafen, ließ Soria sozusagen die Bombe platzen und kündigte Rivero gegenüber an, die Regierung plane die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen das neue Tourismusgesetz.

Tatsächlich beschloss das Kabinett nur zwei Tage später den Gang zum Verfassungsgericht. Die Regierung unterstellt, das Gesetz verstoße gegen europäisches und nationales Recht und beruft sich auf das Gesetz über den freien Zugang zu Dienstleistungen und deren Ausübung, mit dem die EU-Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt umgesetzt wurde. Konkret geht es der Zentralregierung um den Artikel 4.2 Absatz a) und c) des kanarischen Tourismusgesetzes, welcher den Neubau von Viersternehotels untersagen und somit die unternehmerische Freiheit verletzen könnte.

Es droht Rechtsunsicherheit

Fraglich ist, ob die in Kürze zu erwartende Einlegung der Verfassungsbeschwerde automatisch die Ungültigkeit der ganzen Norm oder nur der konkreten Absätze nach sich ziehen wird. Scheinbar könnte die Regierung auch auf eine Form der spanischen Verfassungsbeschwerde zurückgreifen, welche die Gültigkeit des Gesetzes zunächst nicht antastet. Minister Soria jedenfalls gab dieser Tage bekannt, in der konkreten Verfassungsbeschwerde würde deren genaue Tragweite festgehalten sein.

Seitens der Regionalregierung ist man empört über den Vorstoß aus Madrid. Kurz nach dem entscheidenden Beschluss des spanischen Kabinetts erklärte Domingo Berriel, Leiter der Ressorts Öffentlicher Bau, Transport und Territorialpolitik, der Staat habe sich „eingemischt“, obwohl es sich bei der touristischen Regelung um eine ausschließliche Kompetenz der Region handele. Zudem würde das Tourismusgesetz in keiner Weise gegen EU-Recht verstoßen.

Die Regierung befürchtet nun, dass durch die Neuregelung angelockte Investoren aus Furcht vor rechtlicher Unsicherheit wieder von ihren Vorhaben abgebracht würden. In dieser Hinsicht versprach Berriel, die Kanarenregierung würde alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Rechtssicherheit des Tourismusgesetzes zu garantieren.

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