Tausende protestierten gegen ETA-Gespräche


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Die konservative Opposition unterstützte die umstrittene Kundgebung in Madrid

Hunderttausende Bürger sind am 10. Juni einem Aufruf des Terroropferverbandes AVT gefolgt und versammelten sich auf der Madrider Plaza de Colón, um gegen die geplanten Regierungsgespräche mit der baskischen Terrororganisation ETA zu protestieren.

Madrid – Unter Plakaten mit der Aufschrift „Verhandlungen – nicht in meinem Namen“ und „Wir wollen die Wahrheit wissen“ fanden sich nach polizeilichen Angaben etwa 200.000 Menschen ein – die Organisatoren sprachen im Nachhinein von einer Million Demonstranten – und  beschuldigten Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero unter anderem auch, die Spanier betrogen und den Terroristen gegenüber klein beigegeben zu haben. Unterstützt wurde die Demonstration von führenden Politikern der konservativen Opposition (PP), allen voran Parteivorsitzender Mariano Rajoy.

Erstaunlicherweise wurden während der Kundgebung auch wieder Stimmen laut, die erneut forderten, „die ganze Wahrheit über die Madrider Terroranschläge vom 11. März 2004“ zu erfahren. Die damals regierende Volkspartei (PP) hatte verdächtig lange der ETA die Täterschaft zugeschrieben, während weltweit schon als sicher galt, dass radikale Islamisten hinter den Anschlägen steckten, bei denen 191 Menschen ums Leben kamen und 1.500 verletzt wurden. Dieses Verhalten wird mit dafür verantwortlich gemacht, dass die Volkspartei vier Tage später die Parlamentswahlen zugunsten der Sozialisten verlor.

Obwohl sämtliche offiziellen Untersuchungen eindeutig ergeben haben, dass die baskischen Terroristen nichts mit den Anschlägen vom 11. März zu tun hatten, bringen gewisse rechts orientierte Gruppen das Thema immer wieder provokant zur Sprache. Dass Familienmitglieder von Terroropfern trotz der Untersuchungsergebnisse weiterhin an derartig unvernünftigen Anschuldigungen festhalten sei ja verständlich, so die weit verbreitete Meinung in Spanien. Dass diese jedoch öffentlich von einer der stärksten Parteien in Spanien, der oppositionellen PP, unterstützt werden, sei mehr als unverantwortlich und enthülle eine Schmutzkampagne gegen die Regierung, die ihresgleichen suche.

Gefährliches Spiel

Auslöser dafür, dass zweieinhalb Monate nach der hoffnungverheißenden Ankündigung einer „permanenten Waffenruhe“ seitens der ETA, die beiden wichtigsten Parteien in Spanien, die regierenden Sozialisten (PSOE) und die konservative Opposition (PP), nicht weiter voneinander entfernt sein könnten, war allem Anschein nach die Ankündigung Zapateros, Gespräche mit der für illegal erklärten radikalen Baskenpartei Batasuna („Einheit“) aufnehmen zu wollen. Batasuna gilt als der politische Arm der ETA. Umgehend stoppte die PP daraufhin sämtliche Bereitschaftsbekundungen zur Unterstützung der Regierung bei ihren Bemühungen um Frieden, obwohl dieser nach Expertenmeinung erstmalig seit Gründung der ETA in die Nähe des Erreichbaren gerückt ist.

Zwar fanden bislang in Wirklichkeit weder Gespräche mit den Terroristen oder ihrem politischen Arm statt, noch gibt es Anzeichen dafür, dass der Terrororganisation oder ihrem näheren Umfeld irgendwelche politischen Zugeständnisse gemacht wurden bzw. gemacht werden sollen. Doch für die Konservativen scheint schon jetzt festzustehen: Zapatero hat die Spanier betrogen und lässt sich von den Terroristen die Bedingungen diktieren.

Zapatero selbst wies nach der Demonstration die Anschuldigung vehement von sich. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstütze den beginnenden Friedensprozess im Baskenland erklärte er unter anderem. In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder von führenden PSOE-Politikern darauf hingewiesen, dass zu Regierungszeiten der konservativen PP der damalige Ministerpräsident José María Aznar nachweislich auch mit den Terroristen verhandelt und sogar seine Bereitschaft zu Zugeständnissen signalisiert habe. Eine Haltung, die von der damals oppositionellen PSOE uneingeschränkt unterstützt wurde.

Ministerpräsident Zapatero bemüht sich dennoch weiter darum, eine Einigung mit den Konservativen zu erreichen. Zu viel steht auf dem Spiel, denn ohne den Zusammenhalt der beiden stärksten Parteien in Spanien scheint die Befriedung des Baskenlandes kaum möglich.

So wählt Zapatero trotz aller Anschuldigungen einen gemäßigten, versöhnlichen Ton und bietet immer wieder seine Bereitschaft zum Austausch mit der PP an. Bislang ohne Erfolg.

Noch in diesem Monat soll jedoch ein Treffen zwischen den beiden Spitzenpolitikern stattfinden, bei welchem der Ministerpräsident dem PP-Chef tägliche Gespräche anbieten wird, um ihn persönlich über den Fortschritt des Friedensprozesses zu informieren.

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