Technisches Unentschieden zwischen La Palma und Chile


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ESO-Projektgruppe trifft dieser Tage Entscheidung über Standort für Riesenteleskop E-ELT

Die Spannung wächst. Wird es die Kanareninsel La Palma dieser Tage schaffen, als Stand­ort für das weltgrößte Teleskop ausgewählt zu werden? Konkretes soll sich bei der mit Erscheinen dieser Ausgabe beginnenden Tagung der mit der Standortwahl befassten Projektgruppe im Hauptsitz der Europäischen Südsternwarte ESO in Garching bei München herauskristallisieren.

Die Vertreter der daran beteiligten 14 ESO-Mitgliedstaaten Belgien, Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Schweden, Dänemark, Italien, die Schweiz,  Portugal, Vereinigtes Königreich, Finnland, Spanien, Tschechien und Österreich sind schon lange auf der Suche nach dem „perfekten Zuhause“ für das „European Extremely Large Telescope“, kurz E-ELT genannt; denn schließlich braucht ein solch außerordentliches Gerät auch einen außerordentlich günstigen Standort.

Infrage kommen hochgelegene, trockene Regionen, die optimale Beobachtungsbedingungen bieten. Die Projektgruppe untersuchte deshalb geeignete Orte in Argentinien, Chile, Marokko und Spanien. In der Endausscheidung sind jetzt aber nur noch die beiden Favoriten Roque de los Muchachos auf La Palma und Cerro de Armazones in der Atacamawüste in Chile. Beide Kandidaten stehen sich nun quasi in einem technischen Unentschieden gegenüber, haben sie doch jeweils ihre Vor- und Nachteile.

Kein Vorsprung durch Erdbeben in Chile

Fest steht offenbar, dass das verheerende Erdbeben, das am 27. Februar Chile erschütterte, keinen Einfluss auf die Entscheidung der Projektgruppe haben wird. Dies teilte der Vertreter Spaniens bei der ESO, Xavier Bartons, mit. „Chile hat eine starke seismische Aktivität, weshalb die Struktur der Teleskope sehr widerstandsfähig sein muss“, erklärte er und fügte hinzu, dass es seit die ESO in den 60er Jahren die ersten Instrumente in Chile in Betrieb nahm und bis heute keinen einzigen Zwischenfall in einem Teleskop durch seismische Wellen gegeben hat. Somit wird die Katastrophe in Chile der Kanareninsel keinen Vorsprung einräumen. Ganz im Gegenteil, Xavier Bartons drückte es sehr deutlich aus: „La Palma ist vulkanischen Ursprungs, hat allerdings keine bedeutende seismische Aktivität, dafür aber andere Gegebenheiten, die berücksichtigt werden müssen, wie dass es frieren und schneien kann und allgemein eine sehr viel höhere Luftfeuchtigkeit herrscht als in einer Wüstenregion, was bedeutet, dass die Kuppel wiederum diesen Gegebenheiten angepasst werden muss.“ Ein klarer Vorteil für Armazones ist deshalb, dass die chilenische Atacamawüste die trockenste Wüste der Erde ist. Ein weiterer Vorteil der chilenischen Kandidatur ist, dass die kalkulierte Beobachtungszeit 19 Tage bzw. Nächte mehr pro Jahr beträgt. Dafür sind auf La Palma die Optimierung der Schärfe und die geringe Windgeschwindigkeit von Vorteil. Es ist also ein durchaus ausgeglichenes Rennen, das Chile und La Palma austragen, und Bartons macht den Kanaren Hoffnung und versichert, dass das Observatorium auf dem Roque de los Muchachos „in der ersten Liga“ mitspielt und zweifellos der beste Ort im europäischen Raum für die Sternenbeobachtung ist.

Sowohl Spanien als auch Chile haben der ESO ein Angebot unterbreitet, um sich den Standort des E-ELT zu sichern. Die spanische Regierung hat über das Ministerium für Wissenschaft und Innovation wissen lassen, dass sie der ESO einen Beitrag in Höhe von 300 Millionen Euro (die geschätzten Gesamtkosten für den Bau liegen bei einer Milliarde Euro) in Sachleistungen – sprich einen finanziellen Beitrag, der an die Bedingung geknüpft ist, dass die Aufträge nur an spanische Unternehmen gehen – angeboten hat.

Wie auch immer die Entscheidung in den nächsten Tagen lauten mag steht fest, dass der wissenschaftlichen Gemeinschaft mit dem E-ELT die größte und präziseste Infrastruktur zu astronomischen Forschungszwecken zur Verfügung stehen wird.

Der Entwurf des E-ELT beschreibt ein revolutionäres Teleskop mit 42 Metern Spiegeldurchmesser, welches das weltweit größte Teleskop für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und des Infrarotlichts sein wird. Wenn es im Jahre 2018 den Betrieb aufnimmt, soll sich das E-ELT einigen der größten wissenschaftlichen Herausforderungen stellen. Dazu gehört der erste Nachweis eines erdähnlichen Planeten in der „bewohnbaren Zone“ eines Sterns – der Nachweis eines solchen Planeten, auf dem sich Leben bilden könnte, ist eines der ehrgeizigsten Ziele der beobachtenden Astronomie.

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